1001 MySpace-Freunde

von | 24. Oktober 2009

Facebook, MySpace und studiVZ sind nur einige der vielen Internetportale, die es kontaktwütigen Menschen ermöglichen, ein soziales Netzwerk aufzubauen.

Ich habe 61. Aber wovon denn bitte? In meinem imaginären schwarzen Adressbüchlein auf MySpace habe ich 61 Freunde. Für viele mag diese Zahl mickrig erscheinen und vielleicht fragt sich der ein oder andere auch „Ja, wie unbeliebt ist die denn?“ Aber im Gegensatz zu vielen anderen, kenne ich 60 dieser Freunde auch privat.

MySpace Freundschaften halten ein ganzes Leben?

Es scheint so einfach zu sein. Ein Klick und schon ist die Freundeanfrage versendet. Der Empfänger kann dann in einer der Grundschule ähnlichen Ja-Nein-Vielleicht-Manie antworten. Es ist also nicht viel nötig, um eine Freundschaft zu schließen. Wer aber verbirgt sich denn hinter jenem Nickname und noch viel wichtiger, ist dieser Mensch wirklich ein Freund?

Aktuell zählt Barack Obama 1.858.079 Freunde. Ich bin einer von ihnen. Er ist besagter 61. Freund, den ich privat nicht kenne. Würde der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika mir eine persönliche Nachricht schreiben, gar mich grüßen, wenn wir uns bei seinem nächsten Besuch in Dresden zufällig in die Augen sähen? Wohl eher nicht. Im Gegenteil, er würde nicht einmal wissen, dass ich existiere. Und das, obwohl er mich doch in seiner Freundeliste hat.

Das Problem der Sozialen Netzwerke

Genau das ist der Knackpunkt der Social Networks. In den vergangenen Jahren scheint ein regelrechter Kampf um die meisten Freunde auf einer Plattform entstanden zu sein. Dabei kennen die wenigstens auch jeden ihrer sogenannten Freunde. Vielleicht liegt das am eigenen Drang der Selbstdarstellung. „Seht her, ich habe einen neuen Status und Ihr sollt ihn alle bitte auch kommentieren.“

Diese Idee sollte in einem kleinen Gedankenexperiment in die Realität transferiert werden. Ich stelle mir vor, in einer belebten Innenstadt zu sein und wildfremde Menschen zu fragen, ob sie denn mein Freund sein wollen. Würde auch nur einer vorbehaltlos meine Anfrage annehmen? Ich glaube nicht. Wenn es aber keinen Grund dafür gibt, im realen Leben Freundanfragen von Fremden anzunehmen, wieso ist das dann in Social Networks an der Tagesordnung?

In dieser virtuellen Innenstadt bekam ich gerade eine Freundeanfrage. Wer diese Person ist, die meint, mich in ihren auserwählten Kreis von Freunden aufzunehmen, weiß ich nicht. Ich lehne die Anfrage ab. Mir ist wichtig, keine Pseudofreundschaften mit wildfremden Menschen einzugehen. Für diese Personen bin ich sowieso nicht mehr als eine Nummer aus dem prall gefüllten Freundegulasch-Topf.

Gruscheln auf studiVZ

Bei der unter Studenten beliebten Plattform studiVZ ist ein anderes Phänomen aufgetreten. Es nennt sich „Gruscheln“. Das Wort ist in keinem deutschsprachigen Wörterbuch zu finden und doch weiß jeder, dass es eine Wortneuschöpfung aus Grüßen und Kuscheln ist. Böse Zungen behaupten sogar, dieses „Gruscheln“ sei mit dem Besuch in einem sehr kleinen Tanzclub gleichzusetzen. Der Besucher grüßt Menschen, indem er durch das dichte Gedränge auch indirekt mit ihnen kuschelt. Mir stellt sich zudem die Frage, warum ich Andere mit jedem Gruß auch körperlich kontaktieren sollte, zumal letzteres nur für nahestehende Personen angedacht ist.

Social Networking auf Facebook

Im Kontrast zu MySpace ist Facebook ein eher auf das Arbeitsnetzwerk orientiertes Portal. So trug es sich zu, dass die Tennisspielerin Anna-Lena Grönefeld laut der aktuellen Ausgabe der Cosmopolitan über dieses Netzwerk die Anfrage Mark Knowles für ein Mixed-Doppel erhielt. Wie bekannt ist, haben sie zusammen in diesem Jahr Wimbledon gewonnen. Beide kannten sich zuvor nicht persönlich.

Widerspreche ich mir in meiner Argumentation? Nein, denn Mark Knowles‘ Interesse an seiner späteren Double-Partnerin war beruflicher Natur. Mit welcher Motivation Freundschaftsanfragen versendet werden, vermag ich nicht zu beurteilen. Vielleicht hängt es mit der irrationalen Denkweise von uns Menschen zusammen. Abhängig von Launen und Phasen fällen wir Entscheidungen über eine der wichtigsten Verbindungen überhaupt; die Freundschaft. Was bei hunderten von unbekannten Freunden fehlt, ist die Vernunft. Vernunft, die uns sagt, dass eben nicht jeder dieser Menschen ein wahrer Freund ist und wir diesen Kontakt auch nicht mit viel Liebe pflegen können.

Fakt ist aber, dass soziale Netzwerke das Schließen von Freundschaften erleichtern. Trotz der Tatsache, dass diese Verbindungen „nur“ virtuell sind, sollten wir Nutzer sorgsam darauf achten, wem wir den Zugriff auf Urlaubsbilder, persönliche Stati und Kommentare gewähren. Übrigens: Bill Gates hat seinen Facebook-Account gelöscht, nachdem er mehr als 10.000 Menschen seine Freunde nannte.

<h3>Bianca Schmidl</h3>

Bianca Schmidl