Deutschland wird gezählt

von | 7. Dezember 2010

Die offizielle Bevölkerungszahl Deutschlands ist laut des Statistischen Bundesamtes um 1,3 Millionen Menschen zu hoch. Gewissheit soll nun eine Volkszählung bringen – die erste seit über 20 Jahren. Datenschützer warnen jedoch vor der neuen Erhebungsmethode.

Wie viele Einwohner hat die Bundesrepublik Deutschland? Eine gute Frage, die niemand ganz genau beantworten kann. Seit der Wiedervereinigung wurden die Bürger der Bundesrepublik nicht gezählt. Nun liegt die Vermutung nahe, dass es auf den einen Kopf mehr oder weniger nicht ankomme. Weit gefehlt, denn anhand der amtlichen Einwohnerzahl werden beispielsweise Wahlkreise eingeteilt, die Stimmverteilung im Bundesrat festgelegt oder Finanzausgleichszahlungen pro Kopf ermittelt. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass die momentane offizielle Zahl um 1,3 Millionen Menschen über der eigentlichen Bevölkerungszahl liegt.

Ein Zustand, der geändert werden muss und zwar mit dem Zensus 2011. Laut EU-Verordnung sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle zehn Jahre aktuelle Bevölkerungszahlen vorzulegen. Deutschland war bisher ein wenig säumig, aber das wird jetzt nachgeholt – mit einem neu entwickelten registergesteuerten Erhebungsverfahren auf der Grundlage des Zensusgesetzes 2011. Ein Methodenwechsel, der ganz im internationalen Trend liegt und dank neuester Computertechnik möglich ist. Nur etwa ein Drittel der deutschen Bürger wird direkt befragt, hauptsächlich werden Daten verschiedener Verwaltungsregister, wie zum Beispiel die Melderegister der Kommunen, die Register der Bundesagentur für Arbeit und Daten der Vermessungsverwaltung genutzt.

EU-weite Zensusrunde 2011

Da es nicht für alle Informationen ein Register gibt und die alleinige Verwendung der Daten der Melderegister nicht die gewünschte Genauigkeit bringt, sind zusätzliche Befragungen vorgesehen. Die Befragung der Gebäude- und Wohnungseigentümer hat bereits begonnen. Folgen wird die Haushaltebefragung bei knapp 10 Prozent der Bevölkerung und die Umfrage in allen Wohnheimen und Gemeinschaftsunterkünften. Etwa 25 Millionen Menschen werden so direkt einbezogen, allein in Sachsen 1,3 Millionen. Nach einem Stichprobenprinzip werden die Teilnehmer der Befragung nach Haushaltsdaten zufällig ausgewählt. Wer nicht antwortet, kann mit einem Bußgeld bis zu 5000 Euro rechnen. „Es konnte gezeigt werden, dass dieses kombinierte Verfahren zu ähnlich genauen Ergebnissen wie eine traditionelle Volkszählung als Vollerhebung durch InterviewerInnen führt, dabei aber wesentlich belastungsärmer ist und kostengünstiger bleibt.“, sagte Daniela Hartmann vom Statistischen Bundesamt gegenüber medienMITTWEIDA.

Allein in Sachsen gibt es 39 Erhebungsstellen, die sich um den geregelten Ablauf des Zensus kümmern werden. Unter strengsten Sicherungsvorkehrungen wird dort unabhängig gearbeitet. So soll gewährleistet werden, dass keine Daten in falsche Hände gelangen. Die Erhebungsstellen sind getrennt von Verwaltungsbehörden, ausschließlich anonymisierte Daten können aus dem abgeschotteten Bereich gelangen. Für jede Datenübermittlung gelten spezielle Sicherheitsanforderungen, es gilt das Rückspielverbot und zum frühestmöglichen Zeitpunkt werden die ausgefüllten Fragebögen vernichtet. Soviel zumindest zur Theorie.

Bekannt und transparent?

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz oder der Chaos Computer Club haben schon vor einiger Zeit Bedenken geäußert. Neben den enormen Kosten von 710 Millionen Euro gebe es erhebliche Datenschutzmängel. So werde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, indem sensible Daten ohne Einwilligung von verschiedenen Institutionen zusammengeführt werden. Anhand einer Personenkennziffer könnten außerdem die Daten zugeordnet werden. Die Tatsachen, dass die Erhebung nicht anonym ablaufe und dass zusätzliche Informationen wie die Religionszugehörigkeit abgefragt werden, waren außerdem Gründe für die Zensus-Gegner, zwei Verfassungsbeschwerden einzureichen, die jedoch aufgrund von Formfehlern abgewiesen wurden. Auch die Bevölkerung sei nur unzureichend informiert. Frank Becker vom Chaos Computer Club Dresden sagte gegenüber medienMITTWEIDA: „Es gab keine Meldungen, dass Datenbanken zweckentfremdet zusammen geführt werden, dass man daraus Leute im Zeugenschutzprogramm ablesen kann, dass die Kosten über 750 Millionen Euro betragen werden, dass hoch gerechnet an den Kosten eines Datensatzes aus Meldedaten der Wert dieser Sammlung circa 1 Milliarde Euro beträgt. Das Statistische Bundesamt geht mittlerweile gegen Aufklärungsseiten im Internet vor.“

Es scheiden sich die Geister an der geplanten Volkszählung. Die ersten Ergebnisse werden im November 2011 vorliegen.

<h3>Franziska Krummel</h3>

Franziska Krummel