E-Learning funktioniert nicht ohne Eltern

von | 7. März 2012

Mit Lernspielen locken Internetseiten wie der „Toggo CleverClub“  Kinder vor die Computer. Ob sich dadurch der Lernerfolg verbessert, hat medienMITTWEIDA bei Pädagogen erfragt. „RTL Disney Fernsehen“ betreibt gleich drei Internetseiten, […]

Lernplattformen sollen Kinder beim Lernen unterstützen.

Lernplattformen sollen Kinder beim Lernen unterstützen.

Mit Lernspielen locken Internetseiten wie der „Toggo CleverClub“  Kinder vor die Computer. Ob sich dadurch der Lernerfolg verbessert, hat medienMITTWEIDA bei Pädagogen erfragt.

„RTL Disney Fernsehen“ betreibt gleich drei Internetseiten, die spielerisches Lernen für Kinder anbieten. Dabei hat der Sender die einzelnen Seiten nach Eignung des Alters voneinander getrennt. „Während der Kindheit bedeuten wenige Jahre bereits große Sprünge für die Entwicklung. Deshalb möchten wir den Kindern altersgerechte und zugleich herausfordernde Inhalte anbieten“, begründet Christoph Pardey, Senior Manager der Paid Content Sites von „SuperRTL“, das breite Angebot an Lernportalen.

Alternativen zu den Angeboten von „Super RTL“ gibt es kaum. „Wieso? Weshalb? Warum?“ von „Ravensburger“ richtet sich mit Lernspielen an Kinder von der Vorschule bis zur zweiten Klasse. Kostenlose Portale bieten zwar wissenswerte, verständliche Fakten für Kinder, beziehen sich aber meist nur auf ein bestimmtes Thema. „Hanisauland.de“ etwa erklärt das Thema Politik für Kinder. Im Gegensatz zu den kostenpflichtigen Seiten sind einige der freien Portale zudem mit Werbung bestückt und Eltern können die Aktivitäten ihrer Kinder auf den Seiten nicht nachverfolgen. Die Entscheidung für die richtige Lernplattform sei eine große Herausforderung für die Eltern, meint Angelika Beranek, die als  Medienpädagogin bei der Jugendeinrichtung „Info“ der Stadt Neu-Isenburg arbeitet. „Diese kann ihnen jedoch kein Pädagoge abnehmen.“

Internetangebote sind kein Ersatz für klassisches Lernen

Auch wenn die verschiedenen Seiten mit Hilfe von Pädagogen erstellt wurden, seien sie kein Ersatz für richtiges Lernen, gibt Prof. Dr. Stefan Aufenanger zu bedenken. Er ist Professor für Medienpädagogik an der Universität Mainz. Zudem hängt der Lernerfolg dieser Seiten nicht nur von den angebotenen Inhalten ab. Erst durch das Zusammenspiel vieler Faktoren führen die Angebote auch zum Erfolg. „Die Lernseiten bereiten zwar zum Teil sehr gut schulische Inhalte oder allgemeines Wissen auf, aber wie dieses dann zu einem besseren Schulerfolg führen kann, hängt noch von anderen Bedingungen ab. Hier spielen elterliche Unterstützung, didaktische Methoden in der Schule oder Motivation der Schülerin oder des Schülers eine wichtige Rolle“, erklärt Aufenanger.

Falsche Spiele demotivieren die Kinder

Bevor Eltern sich für eine Lernplattform entscheiden, „sollten sie sich mit gewissen Qualitätskriterien beschäftigen“, rät Dr. Ulrike Wagner. Sie ist die Direktorin des Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. „Derartige Angebote können das Wissen der Kinder durchaus erweitern im Spektrum ihres gesamten Medienumgangs. Sie ersetzen aber keinesfalls bestimmte Lernformen.“ Nicht alle Lernportale sind sinnvoll und sollten daher einzeln auf ihre Eignung überprüft werden. „Außerdem sollten Eltern die Portale erst einmal mit ihrem Kind testen. Dann kann man sich gemeinsam mit dem Kind einen Überblick über die Angebote machen und entscheiden, ob das Kind überhaupt Lust darauf hat, so eine Umgebung zu nutzen“, schlägt Angelika Beranek vor.

Ebenso können Eltern nicht davon ausgehen, dass – wie in der Werbung suggeriert – durch das Platzieren ihrer Kinder vor dem Computer ihre elterliche Pflicht erfüllt ist. „Negativ fällt bei den meisten Seiten auf, dass sie versuchen sich als Spiel zu verkaufen, aber keine Spiele sind. Die Kinder merken das natürlich und Eltern wundern sich dann oft, dass die Faszination, die sie sich durch diese Art des Lernens erhoffen, ausbleibt oder sehr schnell nachlässt“, verdeutlicht Beranek.

Eltern müssen selbst aktiv werden

Ersetzen können die Portale das klassische Lernen also nicht. Dies resultiert auch daraus, dass Kinder aus verschiedenen Gründen die in der Schule vermittelten Inhalte nicht richtig aufnehmen können. Sie gehören entweder zu der Gruppe von Kindern, die sich die Inhalte in längeren Lerneinheiten wirklich begreifbar machen müssen, oder sie haben noch nicht die optimale Lernmethode für sich entdeckt. Egal, worin die Lernprobleme begründet sind, die Kinder müssen durch Interaktionen mit den Eltern unterstützt werden, da der Computer keine emotionale, lobende Reaktion auf die Erfolge des Kindes vermitteln kann.

Die Internetangebote können sich sogar negativ auf die Motivation der Kinder auswirken. „Einige Portale bieten kein Feedback an, wie eine Aufgabe richtig gelöst wird. Sie zeigen nur an, dass die Aufgabe falsch gelöst wurde und frustrieren so die Nutzer schnell“, erklärt Beranek. Deswegen reiche die angebotene, spätere Kontrolle des Lernfortschritts im Internetportal nicht. „Sie selbst müssen aktiv eingreifen, ihrem Kind Unterstützung geben und es auch motivieren. Vielfach erscheint es sogar notwendig, dass Sie sich gemeinsam mit ihrem Kind die vorgestellten Inhalte erarbeiten“, rät Aufenanger den Eltern. Diese sollten außerdem beachten, dass mit den Lernseiten nie auf spezifische Lernschwächen eingegangen wird.

Kinder werden an „Super RTL“ gebunden

Die Portale entsprechen außerdem zum Teil nicht den modernen Lehr- und Lernmethoden in der Schule. Dass ein Sender wie „Super RTL“ Webseiten zur Wissensvermittlung für Kinder betreibt, sei generell nicht problematisch, solange die Inhalte sich an schulischen Lehrplänen und Curricula orientieren und sachlich bleiben, sagt Aufenanger: „Es wird dann problematisch, wenn einseitig ideologische Interessen offen oder verpackt in den Lerninhalten transportiert werden.“ Ein privater Sender wie „Super RTL“ könne es sich zu Nutzen machen, den Kindern einseitige manipulative Informationen zu übermitteln. Dadurch könnte suggeriert werden, wie gut das private Fernsehen oder schlecht das öffentlich-rechtliche TV sei. Zudem wird mit dem Medienverbund „Toggo-SuperRTL“ gleichzeitig eine Marke geschaffen. Kindern sind die Serienhelden bereits aus dem Fernsehprogramm vertraut. „Damit wird deutlich, dass eine langfristige Bindung der Kinder und vor allem auch der Eltern an ‚Super RTL‘ durch ein positives Image des ‚Toggo-Cleverclubs‘ angestrebt wird“, erklärt Wagner.

Text: Stephanie Knobus, Bild: flickr.com, Fotograf: paul goyette, Bearbeitung: Markus Kaufmann

<h3>Stephanie Knobus</h3>

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