Spieleabend im 21. Jahrhundert

von | 22. März 2012

Die Gameindustrie lockt durch Konsolenspiele zunehmend Familien und Gruppen vor die Bildschirme. Der gute Brettspieleabend verliert aber trotz moderner Konkurrenz nicht an Bedeutung. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn sich an […]

Gemeinsames Spielen an der Konsole wird immer beliebter.

Gemeinsames Spielen an der Konsole wird immer beliebter.

Die Gameindustrie lockt durch Konsolenspiele zunehmend Familien und Gruppen vor die Bildschirme. Der gute Brettspieleabend verliert aber trotz moderner Konkurrenz nicht an Bedeutung.

Es ist nicht ungewöhnlich, wenn sich an einem herkömmlichen Samstagabend eine Gruppe von Menschen im heimischen Wohnzimmer versammelt und mit konzentrierten Blicken und wirren Gesten gemeinschaftlich abstrakte Tänze vor dem Bildschirm vollführt. Untermalt wird dies oft von lautem Gegröle und Gelächter der beteiligten Personen. Dass bei all dem unkontrollierten Bewegungswirrwarr mal ein unvorteilhaft platzierter Gegenstand zu Bruch geht oder eins der obligatorischen Getränke umgestoßen wird, ist nur eine Frage der Zeit. Die Vorstellung, ein Außenstehender könnte beim Blick durch das Fenster das belustigende Szenario verfolgen, hinterlässt ein leichtes Unbehagen. Was zählt, ist Spaß. In den Wohnzimmern, wo früher noch Brettspielklassiker wie „Monopoly“ und „Activity“ das Spielgeschehen bestimmten, tauchen heute vermehrt moderne Spielkonsolen zur Gruppenbelustigung auf.

Ob „Wii“, „Play Station Move“ oder „Xbox 360 Kinect“ – Konsolen, die sich anhand von Bewegungen der Spieler steuern lassen, sind schon lange keine Neuheit mehr. An großer Beliebtheit mangelt es den Spielkonsolen allerdings nicht. „Sie sind interaktiv, multimedial und bescheren schnell Erfolgserlebnisse. Viele Menschen begeistern sich dafür, vor allem wenn sie so Gemeinschaft erleben“, erläutert Tobias Miller, Redaktionsleiter von „Spielbar.de“, dem interaktiven Portal zu Computerspielen der Bundeszentrale für politische Bildung. Die Games fordern somit vor allem zum Spielen zu zweit oder ausgelassen in einer Gruppe auf. Besonders bei unterhaltsamen Karaokespielen wie „Singstar“ werden oft jegliche Hemmungen abgelegt. Es geht schließlich auch nicht primär darum, sein mehr oder minder vorhandenes Gesangstalent unter Beweis zu stellen, sondern zusammen Spaß zu haben.

Keine Verdrängung von Brettspielen

Klassische Brett- und Kartenspiele scheinen es schwer gegen die innovativen virtuellen Gemeinschaftsspiele zu haben. Immer häufiger lassen nicht nur Kinder und Jugendliche das traditionelle „Monopoly“ im Regal verstauben und tauschen Würfel und Spielstein gegen einen kabellosen Controller ein, sondern auch ganze Familien und Partygesellschaften. Der Leiter der österreichischen Bundesstelle für Positivprädikatisierung von Computer- und Konsolenspielen, Herbert Rosenstingl, ist sich jedoch sicher, dass eine Verdrängung von klassischen Brettspielen durch die virtuelle Versuchung ausgeschlossen ist: „Familien und Freundesgruppen schätzen vielmehr die zusätzlichen Möglichkeiten, die Spielkonsolen bieten. Mit der Technologie lassen sich jedoch am Bildschirm Spielkonzepte verwirklichen, die am Brett einfach nicht umsetzbar sind.“ Der Österreicher kann dieser technischen Entwicklung nichts negatives abgewinnen, insofern es ein Nebeneinander von Brett- und elektrischen Spielen gibt und beide Erfahrungsräume für Kinder und Familien erhalten bleiben.

Auch in Jugendhäusern werden neben dem Angebot von zahlreichen Brettspielen in regelmäßigen Abständen Nachmittage zum gemeinschaftlichen Konsolenspielen für Jugendliche organisiert. „Wir als Team wollen gegenüber neuen Medien offen sein und kommen damit den Wünschen unserer Jugendlichen entgegen“, erläutert  Nicole Weiß, Sozialarbeiterin eines Jugendhauses in Dresden. „Bei Spielen wie ‚Buzz‘ oder ‚Singstar‘ wird durch die Schulung motorischer und kognitiver Fähigkeiten neben dem Spaß am Spielen ein positiver Nebeneffekt erzielt.“

Generationsübergreifendes Spielen an der Konsole

Solange die Spieler eine gesunde Balance zwischen Bildschirmzeiten und anderen Freizeitaktivitäten wahren, sieht Tobias Miller vor allem einen Vorteil in den kollektiven Spielaktivitäten in Familien: „Da auch immer mehr Erwachsene Spaß an leicht zugänglichen Konsolenspielen finden, eröffnen sich Räume für generationenübergreifendes Spielen“, erklärt er. „Für Eltern ist das eine große Chance, sich ohne pädagogischen Zeigefinger mit den Medienvorlieben ihrer Kinder zu beschäftigen.“  Der Redaktionsleiter von „Spielbar.de“ empfindet die Möglichkeit, bei Konsolenspielen immer wieder neue Technologien integrieren zu können, als positiv, doch gleichzeitig verbirgt sich darin ein Nachteil: „Im Vergleich zu Brett- und Kartenspielen sind sie aber auch schnelllebiger. Langfristig werden sich wohl nur die wirklich guten Ideen durchsetzen“, meint Miller.

Text: Nadja Rußig, Bild: flickr.com, Bearbeitung: Florian Pfennig.

<h3>Nadja Rußig</h3>

Nadja Rußig