Frontalkochen ist out

von | 11. November 2011

TV-Kochsendungen sind seit vielen Jahren ein fester Bestandteil des Fernsehprogramms. Rezepte und Küchenherde geraten dabei durch das Online-Angebot jedoch in den Hintergrund.

Als der Schauspieler Clemens Wilmenrod 1953 die erste deutsche „Fernsehküche“ ins Leben rief, ebnete er damit den Weg für viele darauffolgende TV-Formate rund um das Thema „Kochen“. Sendungen, die sich um das kulinarische Wohl kümmern, sind aus dem heutigen Fernsehprogramm nicht mehr wegzudenken. Tim Mälzer, Jamie Oliver oder Johann Lafer sind nicht nur unter den Kochfanatikern bekannt. Der wohl bekannteste TV-Koch ist Alfred Biolek, der bei seiner Sendung „Alfredissimo“ zwölf Jahre an der Seite von Prominenten hinter dem Herd stand. Er prägte mit seiner Leidenschaft für gutes Essen und Trinken die Kochsendungen im deutschen Fernsehen.

Kochen allein reicht nicht mehr

Der Programmtrend „Kochen“ ist mittlerweile abgeklungen. Sendungen wie Tim Mälzers „Schmeckt nicht, gibt’s nicht“ lösten in den Jahren 2006/2007 einen wahren Boom aus. Heute wirken Sendungen, in denen Promiköche vor der Kamera schlicht und einfach Gerichte zubereiten, oft nur noch überdrüssig. Schon lange sehen Zuschauer und Fernsehmacher Kochsendungen nicht mehr als haushaltsunterstützenden Rezeptlieferant.

Heute geht es nicht mehr um das Frontalkochen. Vielmehr wird aus dieser alltäglichen Sache ein Event gemacht. Besonders Formate wie „Das perfekte Dinner“ vom Sender „Vox“ erfreuen sich heutzutage großer Beliebtheit. „Bei ‚Vox‘ sind die Kochsendungen so erfolgreich, weil es nie nur ums Kochen geht. Es ist immer ein unterhaltender Anteil dabei“, erklärt Corinna Teuner, Pressesprecherin von „Vox“. Beim „perfekten Dinner“ sei es unter anderem der Schlüssellocheffekt – der Zuschauer darf mit den Kandidaten zusammen in fremde Wohnungen schauen. Außerdem beinhaltet die Sendung das spielerische Moment. Der Zuschauer ist neugierig darauf, wie sich die fünf Kandidaten gegenseitig bewerten und wer am Ende die Kochrunde gewinnt.

Nicht alles „Neue“ hat Erfolg

Auch das sogenannte „Help-TV“ wird oft in Verbindung mit dem Thema Kochen genutzt. Wenn „Die Küchenchefs“ bei „Vox“ Restaurants vor dem Ruin retten, geht es dabei neben Rezepten für die Speisekarte vor allem um Geschäftsmodelle, Teamorganisation und das Miteinander in einem Restaurantbetrieb. „Genau darin liegt für uns die Herausforderung: Immer einen Schritt über das Kochen hinauszugehen“, sagt Corinna Teuner. „‚Vox‘ hat  in diesem Bereich über die Jahre so etwas wie eine ‚Kochkompetenz‘ bei den Zuschauern erreicht und dadurch entsteht natürlich auch eine gewisse Erwartungshaltung.“

Dass nicht jedes neue Kochshowformat die Erwartungshaltung der Sender erfüllt, zeigt der Fehlstart von „Wer is(s)t besser?“. Der Mix aus Koch-, Quiz- und Gameshow erreichte Mitte Oktober zur Primetime bei „Vox“ nur einen geringen Marktanteil von 4,4 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe und lag damit deutlich unterhalb des Senderschnitts. Die Konsequenz: „Vox“ wechselte den Sendeplatz und platziert die Show im täglichen Nachmittagsprogramm.

Verbindung von TV und Online

Dass es bei Kochsendungen nicht mehr nur allein darum geht leckere Gerichte vor der Kamera zuzubereiten, spiegelt sich ebenfalls in der ausgeprägten Internetnutzung von Kochwebsites wieder. Früher legten sich vor allem Hobbyköche zu Beginn einer Sendung Zettel und Stift bereit, um die Rezepte zu notieren und sich Anregungen zu holen. Da der Zuschauer heute durch wenige Klicks die passende Anleitung im Internet findet, ist die Nachfrage nach reinen Kochshows geringer. „Die Diskussionen über die Sendungen gehen online weiter. Der Rezeptabruf über ‚Vox.de‘ oder ‚kochbar.de‘ ist die ideale Verlängerung der Sendung ins Netz und wird sehr gut genutzt“, sagt Corinna Teuner.

Neben dem Ziel möglichst hohe Einschaltquoten zu erlangen, werden viele Sendungen auch genutzt, um Produkte wie Kochbücher und Kochutensilien für den Zuschauer interessant zu machen. Wenn der britische Kultkoch Jamie Oliver hinter dem Herd steht, benutzt er fast ausschließlich Kochtöpfe und diverse andere Küchenartikel aus seiner eigenen breiten Produktpalette. All dies ist auch für den Zuschauer erwerblich – eine gute Möglichkeit für die Produzenten und Vermarkter Fernsehsendung und Werbeplattform miteinander zu verbinden.

<h3>Nadja Rußig</h3>

Nadja Rußig