Kommentar zum Rundfunkbeitrag: Mehr Fluch als Segen

von | 26. November 2014

Der Rundfunkbeitrag sorgt immer wieder für Gesprächsstoff und unter der Bevölkerung für Kritik. Es gibt Ungerechtigkeiten in jeder Bevölkerungsschicht, die mit der „Zwangsabgabe“ einhergehen, meint medienMITTWEIDA-Redakteurin Josephine Senger. Die Diskussionen um […]

Der Rundfunkbeitrag sorgt immer wieder für Gesprächsstoff und unter der Bevölkerung für Kritik. Es gibt Ungerechtigkeiten in jeder Bevölkerungsschicht, die mit der „Zwangsabgabe“ einhergehen, meint medienMITTWEIDA-Redakteurin Josephine Senger.

Die Diskussionen um den Rundfunkbeitrag kommen nicht zur Ruhe und die Beitragszahler haben sich zwangsläufig mit der „Abgabe“ arrangiert. Aber in Wirklichkeit brodelt es immer noch unterschwellig in der Gesellschaft – das ist zumindest mein Eindruck. Jeder Bekannte, Freund oder selbst wenn es die Familie ist, spricht bei gegebenem Anlass über den Beitrag und kritisiert das System. Ich frage mich immer, ob diese Aufregung gerechtfertigt ist?

Jeder hat das Recht, sich zu informieren, zu bilden und sich unterhalten zu lassen – sei es über das Radio, Fernsehen oder Internet. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bietet uns Bürgern der Bundesrepublik Deutschland diese Grundversorgung. Wir können jederzeit das Programm der Öffentlich-Rechtlichen empfangen. Seit dem 1. Januar 2013 haben wir nun den Rundfunkbeitrag und müssen seitdem alle einheitlich 17,98 Euro monatlich pro Haushalt zahlen. Auch Unternehmen und Vereine werden zum Zahlen verpflichtet. Studenten mit BAföG, ALG II-Empfänger, Empfänger von Sozialleistungen und Menschen mit einer Vollbehinderung sind von dem Beitrag befreit. Selbst Menschen mit einer Behinderung von 50 Prozent müssen nicht den vollen Beitrag zahlen. Ist doch jetzt eigentlich etwas Gutes, oder? Auf der Seite des Beitragsservice ist zumindest alles umfangreich und detailliert erklärt. Das sorgt bei den Nutzern für Transparenz.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Die Gebührenerhebung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erfolgte 1923. Dies geschah mit der Aufnahme des ersten deutschen Rundfunks. Aufgrund des Bildungsauftrages wurden diese Gebühren erhoben, damit die Öffentlich-Rechtlichen ein unabhängiges, informatives und bildendes Programm zur Verfügung stellen konnten.

Grundsätzlich bin ich mit der Idee eines Systems einverstanden, dass ich pauschal eine Art „Flatrate“ nutze, um ein Programm zu empfangen, das unabhänig von diversen Einflüssen gestaltet ist. Das System des jetzigen Rundfunkbeitrags lässt mich jedoch weiterhin skeptisch bleiben. Ich als Studentin mit BaföG bin eindeutig im Vorteil – ich bin von der Zahlung befreit. Aber hier die Auflösung zu dem Glauben, dass die ganze WG befreit ist, sobald einer der Bewohner BaföG bezieht. Dem ist nicht so. Daher muss sich auch meine Mitbewohnerin dem Zwang beugen und zahlen. Studenten, die kein BAföG beziehen, bekommen weiterhin die Haushaltsabgabe auferlegt, was in meinen Augen ungerecht ist. Diese Studenten werden als „Geringverdiener“ eingestuft und müssen trotzdem den Rundfunkbeitrag zahlen, obwohl sie finanziell auf sich oder ihre Eltern angewiesen sind und nur weil sie kein BAföG beziehen sicherlich nicht in „Geld schwimmen“. Man hat einfach keine Wahl.

Jeder muss zahlen, egal ob er das Programm nutzt oder nicht und ob er es überhaupt empfangen kann. Das betrifft zum Beispiel auch Vereine oder Restaurants. Wer sitzt denn schon in einer Gaststätte und hört Deutschlandradio oder sieht Rosamunde Pilcher zum Mittagstisch? Dadurch, dass es eine Haushaltsabgabe ist und keine gerätebezogene Gebühr, werden keine Differenzierungen festgelegt. Damit machen es sich die Öffentlich-Rechtlichen meiner Meinung nach ziemlich einfach. Wenn ich jetzt allerdings eine Studentin wäre, die kein BAföG bezieht und ich mir vorstelle, dass ich statt monatlich 17,98 Euro immer 53,94 Euro zahlen müsste, dann würde mich das finanziell sehr belasten. Denn man hat nur die Auswahl ob man viertel-, halbjährlich oder einmal im Jahr den Beitrag zahlt. Das Programm was für mich in Frage kommt, ist der Tatort, Nachrichten, ein bisschen Politsatire und Reportagen. Aber dafür 17,98 Euro zahlen für das wenige Programm, das ich nutze? Nachrichten suche ich mir selbst schneller über den Tag aus dem Internet zusammen. Andere meiner Studienkollegen würden sogar ganz auf ARD, ZDF und Co. verzichten, um lieber keinen Beitrag zu bezahlen. Ein anderer Fall: Menschen und Berufstätige, die eine Zweitwohnung beziehen müssen, haben durch den Beitrag eine Doppelbelastung. Sie geben für einen Haushalt bereits vollkommen die Gebühr ab und können dort das Programm nicht rund um die Uhr nutzen. Durch Belege und eine bessere Kontrolle könnte man das Problem beheben.

Betrachte ich allein das Thema für Menschen mit Behinderung: Wieso muss man zu 3/4 blind sein, um Ermäßigung beantragen oder allgemein befreit werden zu können? Menschen mit Behinderungen sollten allgemein davon befreit werden dürfen. Das Geld sollte für ihre Genesung und Pflege genutzt werden und nicht für ein Programm, welches sie nicht vollwertig nutzen können oder wollen. Das sind für mich Aspekte, die bei der Erstellung des Regelwerkes nicht bedacht wurden. In meinen Augen ist das unfair.

Freiwillig statt verpflichtend

Grundsätzlich wird jeder Haushalt verpflichtet den Beitrag zu zahlen. Das zeigt mir, dass ich zu einem Publikum pauschalisiert werde, bei dem man voraussetzt ARD, ZDF und Deutschlandradio zu konsumieren. Ich gebe zu, ich gehöre zu der Bevölkerungsschicht, die diese Programminhalte nutzt, egal ob über Fernsehen, Radio oder Internet. Und ich bin auch gern bereit dafür zu bezahlen, genauso wie ich bereit wäre noch kostenintensiver für Lebensmittel zu bezahlen, die „einwandfrei“ sind. Wenn ich aber sehe, dass in Nachrichten falsch berichtet wird, Fehler nicht eingeräumt und Experimente im Programm unternommen werden – ob neue Formate funktionieren oder nicht – zweifle ich stark an diesem System. Ein Beispiel dafür ist die Planung des neuen „Jugendportals“ der Öffentlich-Rechtlichen. Natürlich müssen sich die Rundfunkanstalten keine Sorgen machen, wo das Geld herkommt. Ich würde mir aber wünschen, dass verantwortungsbewusster mit diesen Geldern umgegangen wird, anstatt kostenintensive Versuche zu wagen. Dafür sollte mehr in die Qualität von Nachrichten investiert werden. Denn würden die privaten Rundfunkanstalten diesen Kosten verschwendenden Umgang pflegen, wären sie bereits pleite.

Es wäre doch besser, wenn jeder bezahlt, der das Programm auch wirklich aktiv nutzt. Ich habe auch keine Lösung dafür parat, wie das umgesetzt werden soll, aber es wäre doch gut, dafür ein Modell zu entwickeln. Somit könnten die Programme nur nach Geldabgabe frei empfangbar sein. Bei Sky und Netflix funktioniert das schließlich auch so. Ich glaube, es gäbe weniger Probleme mit der Zahlung des Beitrags, wenn man nach Abgabe einer freiwilligen Gebühr das Programm zur Verfügung stellt und wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag nach Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung weiterhin qualitativ verbessert. Und ich glaube, dass durch die Qualitätsverbesserung mehr Akzeptanz entsteht und die Menschen eher dazu bereit sind den Beitrag zu zahlen. Geschlossen in der Masse kann man der Politik und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einen Denkanstoß geben.

Text: Josephine Senger. Beitragsbild: Louisa Bandura.

<h3>Josephine Senger</h3>

Josephine Senger