„Am Ende wollten wir nur raus“

von | 25. November 2009

Im Gespräch mit medien-mittweida.de spricht Daniel Wirtz über seine Musik, die er als "grobe Mettwurst" bezeichnet, und seine Beziehung zu deutschen Medien.

Das Jugendmagazin BRAVO bezeichnete Daniel Wirtz 2000 als „Deutschlands Rockhoffnung Nr. 1“. Die erste Single seiner Band Sub7even, „Weatherman“, hielt sich 20 Wochen in den Charts. Danach wurde es ruhig um den charismatischen Sänger. 

Du hast für dein Debüt „11 Zeugen“ viel Kritik eingesteckt. Hat dich das verletzt?

Zum einen ist es immer sehr gut, wenn man polarisiert. Wenn es jeder nett findet, wüsste ich, es wäre eine Scheiß-Platte. Ich bin Fan der konstruktiven Kritik. Was mich gestört hat, ist die Art und Weise, wie Leute, die sich als Musik- oder Chefredakteur beschimpfen, rangehen. Wenn man bei der Nummer „L.M.A.A.“ die Strophen rauspickt, sind das fast alles Zitate. Da hört es redaktionell auf. Musik ist Geschmackssache. Was mich nur nervt, ist, wenn es auf eine persönliche Ebene geht, wo ich denke: „Dann sag doch gar nichts oder schreib einfach, aus welchem Grund es nicht gut ist“.

Wie ist dein Verhältnis zu deutschen Medien?

Ich habe mich daran gewöhnt, dass es ohne Medien funktioniert. Ich arbeite viel im Internet, halte mir meine Leute selbst bei der Stange. Ich find’s gut, wenn einer eine eigene Meinung hat. Besser, als wenn das Fähnchen dreht, je nachdem wie viel Geld die Plattenfirma investiert, um Anzeigen zu schalten. Am Ende ist es Qualität die sich durchsetzt. Gutes Handwerk wird am Ende honoriert. Es gab Journalisten, die gesagt haben: „Wir finden Wirtz so scheiße, der ist uns nicht mal eine Zeile in unserem Magazin wert.“ Kurze Zeit später haben die mich gefragt, ob ich nicht eine Anzeige schalten möchte. Man kann doch nicht so einen Spruch bringen und dann denken, dass ich das Magazin finanziere. Wenn die meinen, dass ihr Konzept so aufgeht, dann ohne mich.

Warum hast du dein eigenes Label „Wirtzmusik“ gegründet? Wollte dich niemand unter Vertrag nehmen?

Wenn du in einem großen Unternehmen bist, dann ist es kompliziert. Gerade bei einer kleinen Band musst du flexibel sein. Da vergehen Chancen, wo ich denke, das gibt’s doch nicht. Allein die Tatsache, dass nach der ersten Sub7even-Single, die grandios eingeschlagen ist, ein Jahr später die zweite kommt, nur weil das Personal gewechselt hat. Das war dann nicht deren Baby, die hatten uns nicht unter Vertrag genommen. Da hat man einen Deal unterschrieben und letztendlich nicht die Macht zu sagen „ihr müsst“. Am Ende wollten wir da nur noch raus. Ich glaube, dass die Bands heute nicht mehr so naiv sind und einfach unterschreiben, nur weil da Sony, BMG oder Universal draufsteht. Die schmeißen einfach 100 Bands an die Wand. Da kann man auch Lotto spielen, wenn man davon ausgeht, dass man die eine Band ist, die da kleben bleibt. Am Ende muss man’s selbst machen.

Wie denkst du darüber, dass RTL deine Musik verwendet?

Ich habe bei MySpace gelesen, dass bei „Alles was zählt“ meine Musik eingeblendet war. Das Recht ist so, dass die sich alles nehmen können, was sie wollen. Bevor sie jetzt Metallica spielen, bin ich natürlich froh, dass da einer guten Geschmack zeigt und mein Zeug spielt. Beim Tor des Monats wäre es natürlich auch mal geil, aber vielleicht kommt das ja noch. Ich kann aber durchaus verstehen, dass gerade öffentlich-rechtliche Sender ein Problem mit der Musik haben, wenn die einen Text bekommen mit „ich hab gefickt, ich hab betrogen und die Zeit in Gramm gemessen“. Wenn das dann morgens um neun über den Sender geht, dann ruft da direkt irgendein Gymnasiallehrer an. Von daher war es mir klar, dass es gerade im Radio sehr schwierig mit der Sache sein wird.

Auf deinem Debüt-Album hast du dich nur mit persönlichen Dingen beschäftigt. Auf „Erdling“ äußerst du dich gesellschaftskritisch. Warum?

Das erste Album war eigentlich eine Art Tagebuch für mich selbst, dass ich musikalisch verpackt habe. Das hat sich dreißig Jahre lang angesammelt, eine freiwillige Abrechnung mit mir selbst. Wer bin ich? Wo stehe ich? Was will ich? Ich bin kein Übermensch. Es gibt so viele Leute, die versuchen irgendwie zu überleben. Wenn man sich dann überlegt, dass Leute mit zwei Kindern mit 1.200 Euro irgendwie klarkommen müssen – Hut ab. Bei mir geht es seit zehn Jahren auch immer gerade Null auf. Das letzte T-Shirt, was verkauft wird, macht dann den einen Euro aus.

Als ich in Dortmund mal versucht habe eine Wohnung zu bekommen, musste ich irgendwann sagen: „Ich bin Musiklehrer“. Deutschland ist in puncto Akzeptanz von Künstlern schon ziemlich weit am Ende. Wir sind ein Schlagerland. Immer wenn es mir so dreckig geht, gucke ich nach China, wo man wahrscheinlich für meine Platte öffentlich erschossen würde. Im Irak oder Iran kann man noch nicht mal einen Proberaum haben, ohne dass man totalen Stress kriegt. Das einzige was da knallt, ist eine Mine, weil ein Kind reingetreten ist. Das war mir einen Song wert, damit ich denke „so scheiße geht’s mir nicht“. Man hat extremes Glück hier leben zu dürfen.

Wann veröffentlicht Sub7even eine neue CD?

Ich hab gesagt, wenn die Jungs Lust haben und es noch brennt, dann bin ich der Letzte, der da nicht mitmacht. Ich habe mit dem Solokram gut zu tun, jetzt nebenher noch mal ne Sub7even-Platte schreiben, dafür habe ich einfach keine Zeit. Da sind die anderen jetzt mal am Ruder. Wir legen uns zeitlich nicht fest. Aber bevor eine Platte mehr im Laden steht, die keiner braucht, können wir uns das Geld sparen. Ich bin gespannt, ob es noch brennt.

<h3>Alexander Maack</h3>

Alexander Maack