„Kauf nicht jeden Mist!“

von | 7. Juni 2012

Apps, die kleinen Softwarepakete für mobile Endgeräte, werden gehypt. Doch die Bewertungen sind trügerisch. Gerade vor Abo-Fallen, Sinnlos-Apps und Datenklau wird selten gewarnt.

Die bunte Werbewelt suggeriert dem Nutzer: Ja, es gibt für fast alles eine App. Der Vorteil ist klar, die kleinen Programme sind meist kostenlos und schnell auf das Smartphone oder Tablet geladen. Sinnvoll ist aber bei weitem nicht alles, was gut klingt. „Kauf nicht jeden Mist! Schau nach auf ‚test.de'“ wirbt deshalb zum Beispiel die „Stiftung Warentest“ in einem Werbe-Video über die funktionslose, aber tatsächlich im App-Store erhältliche „Anti-Mücken-App“.

Systembedingte Probleme und teure Bannerwerbung

Erste Anlaufstelle für unzufriedene App-Nutzer sind oft auch die Servicemitarbeiter von Mobilfunkanbietern. Problembehaftet seien alle Plattformen gleichermaßen, weiß  eine von ihnen, Franziska Boron. Sie arbeitet bei einem Telekommunikations-Großhändler. Jeder x-beliebige Programmierer könne eine App schreiben – nicht immer ein Vorteil, so Boron. „Dabei ist es fast immer so, dass diese Apps nicht mit den einzelnen Handymodellen und der speziellen Herstellersoftware abgestimmt sind. Bestes Beispiel ist ‚WhatsApp‘. Diese App wurde ursprünglich nur für ‚iOs‘ programmiert und ist eigentlich nicht kompatibel mit ‚Android'“, erklärt sie. Die Folge sind zahlreiche Systemabstürze.

Auch Marcus, ein ehemaliger Dienstleister für „Mobilcom-Debitel“, kann von den Beschwerden der User berichten. „Ein Problem gab es häufiger: die eingebundenen Banner in ‚Android‘-Apps. Immer wieder haben sich Kunden darüber beschwert, dass sie bei manchen Bannern aus Versehen darauf geklickt haben und dann in Abo-Fallen gelockt wurden“, erinnert er sich. Dann werde es schnell teuer – auf der Telefonrechnung tauchen plötzlich Beträge bis in den dreistelligen Bereich auf.

Manipulierte Bewertungen

Die Store-internen Rankings reichen als Anhaltspunkte für Qualität teils nicht aus. Denn Nutzerbewertungen werden mitunter gefälscht oder beeinflusst. Zum Beispiel bei der Fernseh-App „TV Deutsch“, wie „ZAPP“ in einem Bericht nachwies. Die lange Zeit sehr erfolgreiche, mittlerweile aber nicht mehr existente App versprach dem Nutzer in der Beschreibung fälschlicher Weise: „Wenn Sie eine 5-Sterne Bewertung schreiben, werden Sie mehr TV-Kanäle empfangen.“

Ein weiteres Problemfeld bei den Apps ist der Datenschutz – erst vor kurzem gab es einen kleineren Skandal über die Weitergabe von Adressbuchdaten. Nach massiver Kritik hat „Apple“ die Hersteller zu Nachbesserungen aufgefordert. Deren Reaktion ist ernüchternd. Namhafte Dienste wie „Foursquare“ weisen nun lediglich automatisiert darauf hin, dass  sie auf das Adressbuch des Nutzers zugreifen. Auf die Daten wollen sie nicht verzichten.

Handel mit Sinnlos-Apps „befriedigend“

Internetforen und Fachzeitschriften können weitere Anhaltspunkte zur Qualität von Apps geben, wenn sich der Nutzer denn tatsächlich im Vorfeld informiert. Sinnlos-Apps fallen aber meist schon aufgrund der schieren Menge durch das Raster der Journalisten. Immerhin werden täglich Tausende neuer Programme online gestellt.

Dabei kommt beispielsweise der etablierte „App Store“ bei „Stiftung Warentest“ nur auf ein „Befriedigend“. Obwohl „Apple“ mit seinem geschlossenen System eigentlich hohe Sicherheits- und Qualitätsansprüche propagiert, strafen die User den Kult-Konzern nicht für die steigende Menge an „App-Müll“: „Einen Wechsel von ‚Apple‘ zu ‚Android‘ allein aus negativen App-Erfahrungen heraus kann ich mir nicht vorstellen. Vielmehr spielen hier Image-Aspekte eine große Rolle“, erklärt Petros Tsolis, der als Service-Dienstleister für „Mobilcom-Debitel“ die Fragen vieler Nutzer beantwortet.

Die Mobilplattformen und ihre Stores werden trotz der steigenden Zahl fehlerhafter Apps immer beliebter. Laut Branchenverband „Bitkom“ haben in Deutschland inzwischen 41 Prozent aller Handynutzer über 15 Jahren ein Smartphone. Allein 2011 luden sie fast eine Milliarde Apps herunter. Das entspricht einem Anstieg um 249 Prozent zum Vorjahr.

<h3>Tim Jungmittag</h3>

Tim Jungmittag