Bologna zwingt zum Verzicht

von | 24. Mai 2011

24.05.11 08:00 Uhr | Immer weniger Studierende der Hochschule Mittweida verbringen ein Semester im Ausland. Die häufigsten Begründungen dafür sind Probleme mit der Finanzierung des Aufenthaltes oder die Sorgen um die Anerkennung der Studienleistungen. Trotz dieser Hindernisse sind die Vorteile eines Auslandsaufenthaltes vielfältig.

Nur noch 39 Studierende sind im Wintersemester 2010/2011 über das Erasmus-Programm ins Ausland gegangen. Das Auslandsamt ist besorgt, könnten theoretisch doch 80 Plätze belegt werden. Die Gründe für den Rückgang sind für die Studentenbetreuerin Marion Dienerowitz nicht einfach zu benennen. „Diplomstudenten waren definitiv mutiger und gingen häufiger ins Ausland“, sagt sie. Mit der Umstellung auf Bachelor- und Master-Abschlüsse wurden es immer weniger. „Viele achten darauf, dass sie die Regelstudienzeit einhalten. Die Unsicherheit, ob die Studienleistungen auch angerechnet werden, bringt wohl viele Studenten von einem Auslandsaufenthalt ab“, erläutert Marion Dienerowitz.

Das sächsische Hochschulgesetz sichert den Studierenden Unterstützung bei Auslandsaufenthalten zu. Passagen, welche die Anrechnung der Studienleistungen definieren, sind jedoch nicht vorhanden. Die Verantwortung dafür liegt somit bei den einzelnen Hochschulen. Durch persönlichen Kontakt zum Dekan beziehungsweise zu den Professoren lassen sich in der Praxis die meisten Probleme mit der Anrechnung vermeiden. In der Fakultät Maschinenbau gibt es beispielsweise einen speziellen Auslandsbeauftragten. „Dieser dient als Vermittler zwischen den Professoren und stimmt die jeweiligen Lerninhalte der Hochschulen aufeinander ab“, erklärt Prof. Dr. Frank Müller.

Vergleichssystem ermöglicht Umrechnung

In der Fakultät Medien existiert bereits eine Liste mit Vereinbarungen zu zahlreichen ausländischen Hochschulen, die die Anerkennung vieler Module regelt. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses, Prof. Dr. Peter Will, sieht daher kaum Probleme bei einem Auslandsaufenthalt. „Laut Studienordnung soll die Anrechnung der Leistungen großzügig erfolgen und Erbsenzählerei vermieden werden“, erläutert er. „Kompatibilität zwischen den Modulen und Übereinstimmung bei den Credits reicht daher meist aus.“ Selbstverständlich sei die großzügige Anrechnung nicht grenzenlos. „Ein Semester in schottischer Volksmusik passt natürlich nicht in den Studienplan. Die Inhalte müssen schon gewissermaßen passen“, fügt Will an. Voraussetzung für die Anerkennung ist eine Prüfungsleistung. Da die Notensysteme international variieren, wurde im Auslandsamt ein hochschulinternes Vergleichssystem angelegt.

Zur Finanzierung des Aufenthaltes bieten viele Stiftungen und Firmen Unterstützung für Studierende. Nicht immer müssen dabei ausschließlich Topleistungen vorgewiesen werden. Mit dem neuen Deutschlandstipendium können beispielsweise zahlreiche Studierende gefördert werden. „Die Finanzierung stellt heute keine unüberwindbare Hürde mehr dar. Es gibt viele Konzepte, die Studenten müssen sich nur umsehen und es wirklich wollen“, sagt Prof. Röbbe Wünschiers von der Fakultät Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik.

Nutzen für den Lebenslauf

Durch einen Aufenthalt im Ausland wird neben unzähligen neuen Eindrücken und Erfahrungen vor allem interkulturelle Kompetenz erlangt. Auch wenn die Anrechnung des Aufenthaltes nicht vollständig gelingt, bleibt eine sehr gute Ergänzung der Bewerbungsunterlagen. „Ein glatter Lebenslauf mit direkten Übergängen von Abitur, Studium und Beruf ist immer weniger gefragt. Die Eignung für einen Arbeitsplatz zeigt sich oft erst im Vorstellungsgespräch“, sagt Wünschiers. Um die wichtigen Softskills zu erlangen und die Sprachkenntnisse zu schulen, rät er Studierenden dazu, Auslandserfahrungen zu machen. „Wenn eine Pflanze umgetopft wird, geht es ihr meist besser. Topfen Sie sich um!“

<h3>Ole Reiss</h3>

Ole Reiss