Die Bremsen der Digitalisierung

von | 4. September 2012

Die Werbepräsenz von E-Readern ist gewaltig. In den USA und in England verkauft „Amazon“ längst mehr E-Books als Bücher. Doch warum bleibt der Erfolg in Deutschland bislang aus?

Die Werbepräsenz von E-Readern ist gewaltig. In den USA und in England verkauft „Amazon“ längst mehr E-Books als Bücher. Doch warum bleibt der Erfolg in Deutschland bislang aus?

Immer mehr E-Reader stehen in deutschen Schaufenstern. Buchhandels-Riesen wie „Thalia“ oder „Amazon“ machen massiv Werbung für das digitale Lesen. Auf Tablet-PCs oder Smartphones sind meist schon die passenden Apps und Stores für E-Books installiert. Bereits im vergangenen Monat meldete „Amazon“, in Großbritannien nun mehr digitale als gedruckte Bücher zu verkaufen. In den USA wurde dieser Meilenstein schon ein Jahr zuvor erreicht. Der herkömmliche Print-Buchmarkt scheint bedroht – doch E-Book-Erfolgsmeldungen wie in den beiden englischsprachigen Ländern blieben bisher in Deutschland aus.

Kleines Segment mit steigender Bedeutung

„Von 2010 auf 2011 hat sich der Umsatzanteil verdoppelt, lag Ende des Jahres aber immer noch bei lediglich einem Prozent“, erklärt Claudia Paul vom „Börsenverein des Deutschen Buchhandels“. Der Verband vertritt die Interessen des gesamten Buchmarkts: die der Buchhandlungen genauso wie die der Verlage.

Der E-Book-Markt wächst demnach auch in Deutschland. Aufgrund des geringen Anteils riet aber zum Beispiel Händler Manfred Queißer Buchhandlungen vom Verkauf von E-Readern und E-Books ab. Claudia Paul widerspricht: „Seit E-Books und E-Reader auf dem Markt sind, legt der ‚Börsenverein‘ seinen Mitgliedsbuchhandlungen nahe, sich frühzeitig am Geschäft mit E-Books zu beteiligen.“ Buchhändler könnten fragende Leser umfassend und professionell beraten. Diesen Vorteil gegenüber Online-Händlern sollten sie ausnutzen.

Führender Buchhändler sieht E-Books als Chance

Der große Sortimentsbuchhändler „Thalia“ sieht das digitale Buch als Wachstumsmarkt – auch für den stationären Buchhandel. „Die Beratung vor Ort wird von den Kunden bei neuen Produkten, wie E-Readern, sehr geschätzt“, erklärt eine Sprecherin der „Thalia“-Gruppe. Dass die Buchhandelskette das Angebot an E-Readern überwiegend in den Filialen verkauft, zeige, dass der Service von den Kunden geschätzt werde. „Thalia“ verkauft E-Books neben einem Online-Shop aber auch in Apps für Tablets und Smartphones.

Angst vor einem digitalen Wandel wie in Großbritannien und den USA hat der Buchhandels-Gigant keine. „Gedruckte Bücher wird es immer geben, jedoch wird die Relevanz und Menge digitaler Inhalte auch in Deutschland zunehmen“, erklärt „Thalia“ gegenüber medienMITTWEIDA.

Allgemeine Zufriedenheit mit gedruckten Büchern

Eine Studie zur Nutzung von E-Books und -Readern der Universität Hamburg vom Januar 2012 belegt diese Einschätzung. Auch wenn der Gerätebesitz auf ein starkes Marktpotential hinweist, befänden sich  E-Books noch im frühen Marktstadium. Die Studie zeigt allerdings auch Gründe auf, warum viele Leser lieber zum gedruckten Buch greifen. Die drei wichtigsten Aspekte sind die allgemeine Zufriedenheit mit der bisherigen Nutzung, das Leseerlebnis bei Büchern und das „Regalstellen“.

Diese Zufriedenheit besteht nicht zuletzt, weil in Deutschland im Gegensatz zum Beispiel zu den USA jedes Buch überall erhältlich ist und dasselbe kostet. Die Buchpreisbindung gewährleistet ein dichtes Netz von stationären Buchhandlungen, fast jedes Werk ist dank Lieferservice innerhalb von 24 Stunden erhältlich. „In den USA oder in Großbritannien gibt es diesen Service nicht mehr, weil dort die Buchhandelslandschaft verödet“, erklärt Claudia Paul vom „Börsenverein des Deutschen Buchhandels“.

Da die Buchpreisbindung in diesen Ländern fehlt, sterben vor allem kleine Buchhandlungen. Sie können dem Preisdruck der Marktführer kaum standhalten. Müssen die Kunden dann aufgrund fehlender Alternativen sowieso online bestellen, falle es nicht schwer, gleich ein E-Book zu kaufen. „Ich bin mir allerdings sicher, dass die Zahlen für Deutschland Ende dieses Jahres anders aussehen werden, weil mittlerweile der Verkauf von E-Book-Readern stark zugenommen hat“, so Claudia Paul.

Die allgemeine Zufriedenheit der Leser, die Bedeutung des Kulturgutes Buch und das Preisbindungsgesetz sind verantwortlich für die vergleichsweise langsame Digitalisierung des Buchmarktes in Deutschland. Trotzdem: Die Bedeutung des E-Books wird auch in Deutschland steigen.

Text: Elisabeth Stiehler. Bild: sxc.hu, medienMITTWEIDA, Fotograf: Gayle Lindgren, Marcus Jänecke, Bearbeitung: Nicole Schaum

<h3>Elisabeth Stiehler</h3>

Elisabeth Stiehler