Bundesregierung braucht Internet-Nachhilfe

von | 4. April 2011

Seit über einem Jahr existiert die Internet-Enquete, die Kommission "Internet und Digitale Gesellschaft" des Bundestages. Bis Ostern 2011 soll der erste Zwischenbericht fertig gestellt sein. Für medienMITTWEIDA schätzte Benjamin Stöcker, ehemaliger Bundesvorstand der Piratenpartei und Betreiber des Blogs freiheitsworte.de, die Ergebnisse des ersten Jahres ein.

Netzneutralität, Urheberrecht und Datenschutz sind die Hauptthemen der Internet-Enquete. Schon am 3. März 2010 beschloss die Bundesregierung den Einsetzungantrag für die Kommission, die den Einfluss des Internets auf das tägliche Leben untersuchen und den Bundestagsabgeordneten Empfehlungen für politische Entscheidungen geben soll. „Man hat bemerkt, dass man ein Thema verpennt hat und hofft damit aufzuholen“, sagt der ehemalige Bundesvorstand der Piratenpartei, Benjamin Stöcker. Der Beschluss zu einer Internet-Kommission sei zu spät gekommen. Das erste Mal trat die Internet-Enquete am 5. Mai 2010 zusammen. Jetzt nach einem Jahr muss sie den ersten Zwischenbericht liefern. Ziele hatte sich die Kommission viele gesetzt, erreicht hat sie nur wenige.

Ein Jahr mit Stärken und Schwächen

Eine Enquete hat keinen Einfluss auf Gesetzesbeschlüsse, sondern ist nur in beratender Funktion tätig. Ihr Einfluss innerhalb des Parlaments ist eher begrenzt. „Netzpolitiker der einzelnen Parteien werden gestärkt und bekannter“, erläutert Stöcker den Vorteil des Enquete-Engagements für Politiker. Die beiden Volksparteien seien aber in Sachen Internetpolitik noch zu zaghaft. „Eine zentrale Frage ist meiner Meinung das Urheberrecht, hier ist man gefangen in der Gesetzgeberrealität“, so Stöcker.

Die Kommission besteht derzeit aus 17 Abgeordneten und 17 Sachverständigen. Die einzelnen Abgeordneten sind dabei unabhängig von ihrer Partei. „Bei den Kleinparteien sieht man es deutlich, da dort immer die entsprechenden Sprecher involviert sind und die dürfen ja in der Partei relativ unabhängig agieren. Bei der CDU hätte man denke ich den Herrn Fischer des öfteren gestoppt wenn man sich interessieren würde“, so Stöcker. Axel E. Fischer ist der derzeitige Vorsitzende der Kommission. Im November 2010 forderte er, Klarnamen in Internetforen einzuführen. Der Spott der Internetnutzer war ihm damit sicher. „Axel E. Fischer, CDU, fordert Rauchverbot in Chatrooms“, twitterte Jens Scholz. Auch der Digitale Radiergummi war eine Idee der Internet-Enquete. Diese ist mittlerweile umgesetzt und wird seit Januar von der X-Pire GmbH angeboten.

Internetplattform als zusätzlicher Sachverständiger

Eine Besonderheit der Internet-Enquete ist der 18. Sachverständige, eine Internetplattform. Damit sollen Möglichkeiten geschaffen werden, „die Anregungen aus der Öffentlichkeit in geeigneter Weise in der Arbeit der Kommission einfließen lassen können“, wie es im Einsetzungsantrag heißt. Das Projekt wird durch die Hilfe des Chaos Computer Club realisiert. Dieser versprach die Kosten zu übernehmen und ebenfalls die Entwicklung voranzutreiben. „Das hat sich gut gezogen, vielleicht wurde auch mit Taktik verzögert“, denn für den Zwischenbericht spielt Adhocracy noch keine Rolle. Im allgemeinen sei es aber ein Schritt in die richtige Richtung. Stöcker hofft, dass durch dieses System eventuell das Petitionsystem der Bundesrepublik Deutschland erweitert oder ersetzt werden könne.

Noch ist die Enquete bei der breiten Masse nicht bekannt, was aber für ihren Erfolg wichtig wäre. „Im Netz ist die Enquete ja durchaus bekannt, aber da zeigt sich auch, wie schwer es ist, die Leute, die bei den Protesthypes gerne mitmachen, für sachorientierte Politik danach zu gewinnen“, erklärte Stöcker. „Die Enquete hat sich für die erste Hälfte etwas arg viel vorgenommen, was man auch am bisherigen Output merkt“. Sie habe versucht, eine Fülle von Aufgaben zu bewältigen, was zwar gute Ansätze, aber nur wenig Resultate hervorbrachte.

<h3>Julius Guzy</h3>

Julius Guzy