Darf’s ein bisschen mehr sein?

von | 19. Dezember 2012

Rückläufige Umsätze im Buchverkauf zwingen stationäre Unternehmer zum Handeln. Eine beliebte Gegenmaßnahme sind derzeit sogenannte „Non-Book-Sortimente“. Darüber hinaus sollten sich vor allem auch kleine Buchhändler im Web etablieren, sind sich […]

Um den sinkenden Umsätzen im Buchhandel entgegenzuwirken, setzen Thalia und Co. vermehrt auf „Non-Book-Artikel“.

Um den sinkenden Umsätzen im Buchhandel entgegenzuwirken, setzen Thalia und Co. vermehrt auf „Non-Book-Artikel“.

Rückläufige Umsätze im Buchverkauf zwingen stationäre Unternehmer zum Handeln. Eine beliebte Gegenmaßnahme sind derzeit sogenannte „Non-Book-Sortimente“. Darüber hinaus sollten sich vor allem auch kleine Buchhändler im Web etablieren, sind sich Experten sicher.

Neuer Lesestoff nimmt regelmäßig die vordersten Plätze bei Geschenke-Rankings ein. So zog es auch mich am Wochenende zum Weihnachts-Shopping in die dicht gefüllten Straßen der Innenstadt, wo sich üppige Verkaufsflächen von Thalia, Hugendubel und Weltbild aneinanderreihen. Echte Buchhandelsatmosphäre wollte bei mir dennoch nicht aufkommen. Auf der Suche nach Krimis und Co. komme ich an vielen aufwändig gestalteten Accessoire-Inseln vorbei: Ein Kinder-Spielzeughandy, ein Armband aus Honig-Jade, mit lustigen Motiven bedruckte Schokolade oder die neueste Gewürzmischung von Alfons Schuhbeck. Ist das noch eine Buchhandlung, oder ein Gemischtwarenladen mit Büchern?

Spielwaren, Musik und Bastelbedarf auf dem Vormarsch

„Non-Book-Sortimente“, wie der Oberbegriff für Geschenkartikel, Accessoires und Ähnliches offiziell lautet, gewinnen für Buchhändler zunehmend an Bedeutung. Marktführer Thalia hat unlängst 140 Filialen mit Spielwaren ausstatten lassen, teilweise mit sogenannten „Build a Bear“-Flächen, auf denen Kunden ihre eigenen Teddybären basteln können. Für die Zukunft visiert Thalia einen Umsatzanteil bei „Non-Book-Artikeln“ in Höhe von stattlichen 30 Prozent an.

Auch die Mitglieder von „Buy Local“, einem Zusammenschluss kleinerer unabhängiger Buchhändler zur Stärkung des stationären Einzelhandels, führen in unterschiedlichem Umfang „Non-Book-Sortimente“. „Diese Produkte müssen aber zu unserem Kernangebot – den Büchern – passen“, erklärt Michael Riethmüller, Vorstandsvorsitzender des Vereins. Dazu würden beispielsweise Kalender, Postkarten und witzige Accessoires zählen. Er stellt jedoch klar: „Entscheidend ist, dass wir weiterhin mit unserem eigentlichen Anliegen – den Büchern – wahrgenommen werden.“

„Non-Book-Artikel“ als Umsatzausgleich

Der Fokus auf Musik, Bastelbedarf und Co. gründet dabei im Umsatzrückgang des stationären Buchverkaufs, im Wesentlichen als Folge der Abwanderung von Buchkäufern zu Online-Plattformen. „Der ‚Non-Book-Bereich‘ ist daher ebenso wie beispielsweise die Integration eines Cafés eine Option, neue Kundenkreise anzusprechen – und damit auch neue Leser zu erreichen, die vielleicht gerade die Vielfalt eines Angebots schätzen“, erläutert Claudia Paul, Pressesprecherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in Frankfurt.

Dabei sollte dieses Segment gut konzeptioniert werden, meint Ralf Schiering, Berater für Buchhandel und Verlage: „Ein wertiges ‚Non-Book-Sortiment‘ macht durchaus Sinn, solange es mit Herzblut angegangen und nicht nur nebenbei betrieben wird.“ Als eigene Warengruppe und Kernsortiment könne es einen wichtigen Beitrag leisten, die Buchhandlung als Lieferant für Geschenke zu positionieren.

Mit gutem Service punkten

Um sich allerdings langfristig gegen den Wettbewerb im Internet behaupten zu können, braucht es mehr als Kerzen, Schlüsselanhänger und DVDs. Buchhändler sollten mehr denn je ihre Kernkompetenzen in den Vordergrund stellen, ist sich Claudia Paul vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels sicher: „Die persönliche Beratung der Kunden beherrschen sie besser als jeder Webshop.“

Diesen Aspekt betont auch Michael Riethmüller von „Buy Local“: „In den inhabergeführten Buchhandlungen können Sie sich auf ausreichend Personal mit hoher Beratungskompetenz verlassen.“ Laut Paul sorgen aber auch besondere Veranstaltungen und Formate, wie etwa Lesungen, Vorträge oder ganze Erlebniswelten dafür, dass sich Buchhändler weiterentwickeln.

Der stationäre Buchhandel muss ins Web

Klar sei allerdings auch: „Die Online-Präsenz wird zunehmend wichtiger, das sollten Buchhandlungen keinesfalls ignorieren“, so Paul weiter. Ziel sei die Rundum-Betreuung des Lesers, vor Ort und im Netz. Nach Meinung des Beraters Schiering muss es von Buchhändlern daher ein klares „Ja“ zu Web-Shop und E-Readern geben: „Beides sind Transportmedien für Inhalte. Diese werden in und von Buchhandlungen in jeder Darreichungsform erwartet.“

Der Web-Shop würde darüber hinaus noch weitaus mehr leisten: „Er ist das Kernstück, um in die digitalen Welten der Kunden zu kommen, flankiert von Facebook, Twitter und Co.“, verdeutlicht Schiering. Das zukünftige Alleinstellungsmerkmal des stationären Buchhandels gegenüber dem Internethandel? „Gute Erreichbarkeit auf allen Kanälen, regelmäßige Kommunikation über digitale Netze und die ansprechende Buchhandlung um die Ecke, mit Menschen, die sich für den Kunden und seine Wünsche interessieren“, resümiert Schiering.

Abgeschreckt von der Gemischtwaren-Atmosphäre des großen Buch-Filialisten stehe ich nun einige Straßen weiter in den beschaulichen Räumen eines kleinen Buchladens. Und in der Tat: Die ältere Dame gibt mir das Gefühl, jedes einzelne Buch selbst gelesen zu haben. Zu jeder von ihr aufgeführten Publikation hat sie eine treffende Beschreibung samt witziger Anekdote parat. So schreite ich kurz darauf zufrieden mit meiner Wahl zur Kasse, ehe mir einfällt: Eine Kleinigkeit bräuchte ich da schon noch dazu, als „Geschenk-Abrundung“ sozusagen. Mein Blick schweift durch den Raum, neben ein paar Kalendern, Postern und Kärtchen nichts als Bücher. Etwas Süßes wäre jetzt perfekt. Zum Beispiel Schokolade – mit lustig bedruckten Motiven.

Text: Fabian Warzecha. Bild: Nicole Schaum, Bearbeitung: Nathalie Gersch.

<h3>Fabian Warzecha</h3>

Fabian Warzecha