Der dritte Weg

von | 29. Januar 2010

Menschliche Kommunikation hat sich in den vergangenen Jahrzehnten tiefgreifend verändert. Niemand zweifelt daran. Die Frage was diese Veränderung mit uns macht und was wir mit ihr machen, wird sehr unterschiedlich beantwortet.

Auf dem Weg zur Arbeit schon mal Mails checken, sich mit Freunden und Bekannten auf Facebook austauschen, 24 Stunden täglich, auch wegen Kleinigkeiten, erreichbar sein. Das ist Alltag, das alles machen wir freiwillig. Wir müssten nicht, wenn wir nicht wollten. Harmut Rosa, Jenaer Soziologieprofessor widersprach diesem Eindruck vor Kurzem in einem Interview mit der ZEIT: „Das große Missverständnis der Beschleunigungsgesellschaft ist es, zu meinen, wir könnten souverän über unsere Zeit bestimmen.“ Wir müssten ständig kommunizieren, schon aus Angst nicht mehr gehört zu werden.

Untergang des Abendlandes

Was diese ständige Kommunikation anrichtet, ist auch Thema des Buches „Payback“ von FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher. Er zeichnet aus erzwungener allgegenwärtiger Vernetzung, dem Mangel an Aufmerksamkeit und den kapitalistischen Dimensionen des Internets ein fast apokalyptisches Bild. Datenbanken von Unternehmen und Regierungsorganisationen erstellen ein Profil, mit dem Menschen nur noch mathematisch beurteilt werden. „Es sind Rechner, die nicht nur über unseren Weg zur Eisdiele per Navigationssystem urteilen und entscheiden […], sondern auch über Lebensläufe, Fähigkeiten, Potentiale.“ Laut Schirrmacher wird moderne Mediennutzung die Gehirne ihrer Nutzer so verändern, dass er ohne Unterstützung durch den Computer der Informationsflut hilflos ausgeliefert ist. Sein Ausweg aus der digitalen Abwärtsspirale ist ein institutioneller: Schule und Universität müssten einen anderen Umgang mit Informationen lehren.

Bessere Menschen

Schirrmachers Buch hat viel Kritik und Häme geerntet. Von Generationenkonflikt und reaktionärer Angstmache war da die Rede. Besonders scharf waren die Reaktionen von Seiten der Technologieutopisten. Das Internet bietet viele neue Möglichkeiten der Interaktion und der gesellschaftlichen Beteiligung. Diese Möglichkeiten sollen uns zu besseren, freieren Menschen machen, die nicht mehr von staatlichen oder marktwirtschaftlichen Strukturen abhängig sind: „Wir werden von den Datenmassen darauf zurückgeworfen, über das ‚Warum‘ jeglicher Interaktion nachzudenken, wirklich gerechte Formen der Partizipation und Kollaboration werden über Online-Tools möglich und entwickeln das gesellschaftliche Zusammenleben weiter.“

Konsumenten haben Einfluss

Wenn Beschleunigung also ein gesellschaftliches Phänomen ist, dem wir uns nicht individuell entziehen können, obwohl wir es vielleicht wollen, wie dann damit umgehen? Schon seit einigen Jahren macht, die Slow Food Bewegung von sich reden. Dahinter steckt die Idee, Biolebensmittel bewusst zuzubereiten und mit anderen zu teilen. Auch do it yourself, also selbst handwerklich etwas herzustellen oder die eigene Umwelt zu beeinflussen, hat im vergangenen Jahrzehnt großen Zuspruch erfahren. Die Gruppe der bewussten Konsumenten hat nun schließlich auch ein großes Thema unserer Zeit gefunden: den Medienkonsum.

Benedikt Köhler, Sabria David und Jörg Blumtritt haben die Slow Media Initiative gegründet, qualitativ hochwertig produzierte Medien zu unterstützen. In ihrem Manifest sprechen sie sich für selbstbestimmten und genussvollen Medienkonsum aus. Nicht die Geschwindigkeit eines Mediums soll den Ausschlag geben, sondern seine Qualität und Interaktion mit dem Nutzer. Wenn diese Gedanken sich zumindest bei einigen Internetusern durchsetzen, wird auch bald ein größeres Angebot von gut gemachten, langsamen Medienprodukten entstehen.

<h3>Antonia Ratajski</h3>

Antonia Ratajski