Design für Jedermann

von | 25. Mai 2010

In Berlin trafen sich am Wochenende angesagte Designer und Agenturen auf der Typographie- und Designmesse TYPO. Das Motto: "Passion". Was einigen Designern Leiden schafft? Die Angst vor semiprofessionellen "Hobby-Designern".

Der Schriftarten- und DesignrieseFontShop lud zur Konferenz für kreative Köpfe nach Berlin ein. Die Design-Elite aus der ganzen Welt versprach trotz hoher Eintrittspreise einen Einblick in ihre inspirierende Arbeit. Hunderte Besucher folgten begeistert den Themen, die sich hauptsächlich auf neue Medien und Fragestellungen rund um das Web 2.0 bezogen. Doch schon von Beginn an wurde eindeutig klar, dass sich das Internet längst vollständig in den Studios etabliert hat. Lediglich in dessen neueren Umsetzungen herrschen noch verschiedene Ansätze bei den Experten.

Berliner Blogger macht mit Social Media auf sich aufmerksam

So setzt der Berliner Blogger und Designer Malte Christensen auf ein konzentriertes Erzeugen von Zufällen. Damit erreichte er gerade durch Bloggen und Versenden von Nachrichten über Twitter, Facebook und Co. vielfache Aufmerksamkeit. Für Medienstudenten ist diese Herangehensweise von hoher Relevanz, denn Christensen bekam dutzende lukrative Aufträge aus unterschiedlichen Kanälen, von denen er früher noch nie gehört hatte. Sein Rat: „Berührungs-Zufälle“ erzeugen zahlt sich immer aus.

Design-McKinsey für Handys

Ähnlich radikal geht der britische Designer Jan Chipchase seine Projekte an. Chipchase, momentan „global-obdachlos“, weil auf vier Kontinenten gleichzeitig lebend, reist mit seinen Designerteams durch die entlegensten Orte der Welt um ein Thema auf den einfachsten Nenner zu bringen. Egal ob „Flaschen-Tankstelle“ in Vietnam oder Handyladestationen in Kenia – Chipchase zeigte mehrfach die analytische Essenz eines Designers.

So verstand sein Auftraggeber Nokia durch seine Reisen in China die Produktpiraterie von Mobilfunkgeräten überhaupt erst vollständig. Ein bisher ungeahnter Aspekt war, dass die Kopien, trotz schlechter Funktionsweise, reißenden Absatz fanden, da sie äußerlich perfekte Kopien des Originals sind und als Statussymbol für den Käufer dienen. Dass diese Studien sich auch auszahlen, wird durch seinen aktuellen Arbeitgeber ersichtlich: Das deutsch-globale Designerunternehmen FrogDesign lässt sich Analysearbeiten gerne mit mehreren hunderttausend Dollar vergüten.

Die Internetwährung: Geld und Aufmerksamkeit

Der Schweizer Gestaltungs- und Webunternehmer Oliver Reichenstein wies dem Internet, ähnlich wie der Blogger Malte Christensen, erst einmal eine Währung zu: Geld und Aufmerksamkeit. Geld führt zwar eher zur finanziellen Zufriedenheit, Aufmerksamkeit schafft aber auf Dauer engere Kundenbeziehungen und Vertrauen.

Er ging sogar soweit, seine eigene Firmenwebsite als WordPress-Thema zu verkaufen. Reichenstein verdient theoretisch sein Geld während er schläft – 40.000 Euro betrug der Verkauf innerhalb eines halben Jahres – ein Bombengeschäft bei vergleichsweise sehr niedriger Betreuungszeit.

Wiederentdeckte Ästhetik – Glitzer-Animationen und Regenbogenintergründe

Noch verrückter analysierte Dargan Epenschied das Internet. Seiner Ansicht nach besteht das WWW zu 50 Prozent aus dunkler Materie, zu welcher er die glitzernden, geradezu wahnsinninnig-animierten Internetseiten mit 90er-Jahre-Look zählt. Weil keiner auf diese mit großem Ernst betriebenen Amateurseiten verlinkt, werfen Suchmaschinen keine Treffer aus. Dennoch zeigen besonders diese Seiten größtmögliche Personalisierung im Internet. Denn kalte Formularmasken wie Facebook und studiVZ, so Epenschied, beschränken die persönliche Ausdrucksweise des Users.

Der Interaktions-Papst und die Angst vor den Design-Amateuren

Joachim Sauter, besser bekannt durch seine interaktiven Werbeprojektionen für Firmen in der VW-Autostadt oder dem BMW-Museum in München, faszinierte mit Touchscreens auf Tischen, Wänden und Gehwegen. Ob Theater oder Auto, wer in Deutschland mit interaktiven Videopräsentationen seine Kunden entzücken möchte, kommt an der Agentur Art + Com nicht vorbei. Neuste Kreation: eine maschinell-betriebene 3D-Installation. Die Berliner Agentur entwickelte diese für den bayrischen Automobilhersteller BMW, der kurzerhand seine gesamte Webkampagne für das neue Modell seiner 5er-Modellserie darauf aufbaute.

Doch auch die Sorge um die eigene Arbeitskraft macht sich unter den Designern breit. Dank immer einfacher zu bedienender Grafikprogramme und Entwicklerwerkzeugen, sowie scheinbar unbegrenzte, kostenlose Wissensquellen im Internet, sehen viele professionelle Designer ihre Existenz und Exklusivität bedroht. Wie man trotzdem elitär-begehrt bleibt, zeigten zahlreiche Beispiel auf der gelungenen Messe.

<h3>Bernhard Schmidt</h3>

Bernhard Schmidt