Morgens im Studio

Die Frühflieger von 99drei

von | 12. Mai 2018

Die morgendliche Radiosendung auf 99drei beginnt jeden Tag 6.00 Uhr. Das frühe Aufstehen ist dabei nicht die größte Herausforderung.

Mittweida, 5.30 Uhr: Draußen ist es noch immer dunkel. Hin und wieder wird das Geräusch des prasselnden Regens an den Fensterscheiben von vorbeifahrenden Autos übertönt. Auf den Straßen vor dem Zentrum für Medien und Soziale Arbeit ist es noch ebenso menschenleer wie im Gebäude selbst. Nur in der dritten Etage brennt Licht: Die Redaktion von 99dreiRadio Mittweida bereitet sich auf ihre erste Schicht vor.

„Stress macht man sich nur selbst“

Und natürlich streikt heute Morgen der erste Computer, an den er sich setzt. Aber bei Martin, der heute für den ersten Nachrichtenblock verantwortlich ist, kommt kein Stress auf. Schließlich gibt es genug Rechner, die um diese Zeit frei sind. „Stress bringt nichts, Stress macht man sich nur selbst“, erklärt er und Amelie stimmt zu. Sie moderiert an diesem Montagmorgen die Sendung „Frühflieger“. An das Aufstehen um 4.30 Uhr haben sich beide mittlerweile gewöhnt. Statt Kaffee gibt es Wasser. Es ist ein stilles, konzentriertes Arbeiten mit routinierten Abläufen und einem vorgegebenen Sendemuster. An der Tafel ist der aktuelle Dienstplan festgehalten. Jeden Tag wechselt die Besetzung der Morgensendung. Das Team ist oft nur ein Duo: Einer, der den Nachrichtenblock produziert und der andere, der sich um die Beiträge und Moderationen kümmert.

Da bei 99drei am Wochenende keine Nachrichten gesendet werden, ist die Nachrichtenlage üppig und die beiden können nebenbei noch Einiges vorproduzieren. So braucht Martin weniger als eine Stunde für die Produktion – ein weiterer Vorteil der Frühschicht. Während die dpa-Seite noch ein letztes Mal auf aktuelle Meldungen überprüft wird, geht es für Amelie schon ins Studio nebenan.

Keine Profis

Um 6.10 Uhr wird der „Aufsteh-Hit“ gespielt. Nun startet die eigentliche Morgensendung. Im Studio gibt es neben der typischen Radio-Ausstattung mit Mikrofonen, einem Mischpult und Monitoren gerade einmal Platz für vier Leute. Außerdem ist es in dem gedämmten Raum noch einmal hörbar ruhiger als draußen in der Redaktion. Es herrscht Konzentration. Songs werden angeteasert, Hintergrundmusik vorbereitet, Soundeffekte und Übergänge parallel zu den Moderationen abgespielt. Noch wichtiger als Multi-Tasking ist hier die Übung. Amelie moderiert seit einem halben Jahr den Frühflieger. Davor war sie schon bei der Abendsendung „Zeitreise“ und seit Anfang des Jahres ist sie die Programmchefin. Trotzdem schreibt sie sich Moderationen im Voraus auf: „Freies Sprechen ist nur was für Profis -und ich bin ja keiner.“ Das gilt für alle Moderatoren und Redakteure des UKW-Senders, der hauptsächlich von Studierenden der Hochschule Mittweida betrieben wird. Amelie selbst beschreibt das Arbeitsklima als einen respektvollen Umgang miteinander, ohne jeden Zwang. Für alle die noch ganz am Anfang stehen, aber interessiert an einer Karriere im Hörfunk sind, biete 99drei ideale Bedingungen: „Die Knöpfe sind die gleichen wie bei R.SA.“. Zudem gibt es in Deutschland nach wie vor keine Möglichkeit für ein „Radio-Studium“. Man kann ein Volontariat machen oder an Coachings teilnehmen, aber am besten und am kostengünstigsten ist es, eigene Radioproduktionen und Mitschnitte, sogenannte „Airchecks“, anzuhören und sich den Rest anzulesen. Durch den Praxisbezug sind die Studierenden ständig gefordert und wachsen auch mal über sich hinaus. Sowohl der Sprechrhythmus, als auch die Stimme werden trainiert. Interviews und telefonische Recherche gehören ebenso zur Routine der Radiomitarbeiter. Außerdem wird man schneller beim Filtern und Schreiben von Nachrichten. In der Regel stellt sich schnell heraus, welche Aufgaben zu einem passen.

Die Zukunft ist ungewiss

Obwohl die Arbeit größtenteils auf Eigeninitiative basiert, ist sie mit einigem Aufwand verbunden. Das schreckt viele Studierende erst einmal ab: „Dabei hat man doch überall Aufwand und die Arbeit verteilt sich auf viele“, sagt Amelie. In diesem Semester haben sich 26 Studierende für das Kompetenzcenter Radio entschieden. Das garantiert jedoch nicht, dass auch alle von ihnen in die Fußstapfen der jetzigen Redaktion, die unter anderem für den Frühflieger und die Nachrichten verantwortlich ist, treten wollen.

Martin (links) und Amelie (rechts) bei den Vorbereitungen.
Foto: Annika Le

Die meisten Redakteure studieren Medienmanagement. Viele Studierende anderer Fakultäten wissen gar nicht, dass sie im Radio mitwirken könnten. Der kleinste UKW-Sender Deutschlands bewirbt sich auf der eigenen Homepage als größte Musikredaktion Sachsens, denn „im Prinzip können alle in Mittweida mitmachen“, erklärt Amelie. Aktuell machen sie sowohl im Radio als auch im Print Werbung für den Sender, um gegen das Nachwuchsproblem anzukämpfen. Ob diese Maßnahmen ausreichen, wird sich erst im nächsten Jahr zeigen.

Kurz vor 8.00 Uhr: Inzwischen ist es hell draußen. Vom Studio aus hat man einen guten Blick auf die Bahnhofstraße, die langsam zum Leben erwacht. Sowohl die Nachrichten, als auch der Tagesüberlick und der „Mini-Service“, welcher dem Hörer Tipps für den Alltag gibt, sind vorbei. Noch einmal gibt es den neusten Stand beim Wetter. Amelie moderiert noch bis halb zehn, während sich Martin bereits zurücklehnen kann. Die Atmosphäre ist ruhig, fast schon gelassen. Wieder einmal geschafft. Während für die meisten Studierenden der Tag jetzt erst beginnt, nimmt Amelie die Kopfhörer ab und geht auf dem schnellsten Weg in die erste Vorlesung.

Text, Titelbild und Foto: Annika Le

<h3>Annika Lê</h3>

Annika Lê

studiert Medienmanagement mit der Vertiefung Media and Economics und ist seit Februar 2018 Redakteurin bei medienMITTWEIDA.