Ende der „Generation Praktikum“

von | 9. Dezember 2011

Noch immer nutzen einige Medienunternehmen Praktikanten als billige Arbeitskräfte oder zahlen keine Vergütung. Viele Unternehmer beginnen aber, umzudenken.

„Die Situation der Praktikanten hat sich meiner Meinung nach zum Positiven hin entwickelt“, erklärt Prof. Dr. Tamara Huhle. Als Geschäftsleitung der Stuttgarter „media GmbH“ verfügt sie inzwischen über 20 Jahre Erfahrung in der Medienbranche und beschäftigt selbst durchschnittlich ein bis zwei Praktikanten in ihrem Unternehmen. Eine angemessene Vergütung ist für Tamara Huhle selbstverständlich: „Alle unsere Praktikanten erhalten Praktikumsentgelt, das ist unser Prinzip. Nur wer etwas zahlt, kann auch Leistung erwarten.“ In der Ausbildung ist ihre Firma auch aktiv. Von den 150 Partnerunternehmen, in die sie Praktikumsstellen vermittelt, würden beinahe alle diese Einstellung teilen – bis auf die TV-Unternehmen.

Der Einstieg vieler Studenten ist aber ein anderer: Viele absolvieren Praktika bei dem nächstgelegenen Regionalfernsehsender. Obwohl sie dort einen wichtigen Beitrag zum Sendebetrieb leisten, erfolgt oftmals keine Vergütung der Arbeit. „Angemessen ist das auf keinen Fall. Zumal der Sender ohne Praktikanten erhebliche Mühe hätte, sein Programm zu füllen“, findet Medienstudent Jakob Ihde. Zwei Monate verbrachte er in der vorlesungsfreien Zeit als Redaktionspraktikant beim „Dresden Fernsehen“. „Die Praktikanten leisten dort schon einen wichtigen Beitrag und holen nicht nur Kaffee. Das ist sehr gut, weil man wirklich viel lernt und auch was Sinnvolles macht, aber dann sollte das auch vergütet werden“, sagt Ihde. Für René Falkner, den Geschäftsführer von „Dresden Fernsehen“, ist allerdings die Dauer des Praktikums entscheidend: „Unter drei Monaten ist es bei uns nicht üblich, das Praktikum zu vergüten, da die Heranführung an das Medium auch viel Arbeitszeit beansprucht. Viele Studenten haben sechs bis acht Wochen Zeit. Das ist sehr kurz“, erklärt er.

 Zufriedene Mitarbeiter als Erfolgsgrundlage

Dass im Privat-TV nicht nur unbezahlte Praktika möglich sind, zeigt beispielsweise die Berliner Produktionsfirma „tln tv“. Das junge Unternehmen hat sich auf Docutainment und Realityformate spezialisiert. „Bei ‚tln tv‘ wird grundsätzlich jedes Praktikum vergütet. Zusätzlich gibt es Boni für einzelne Tätigkeiten wie zum Beispiel eine erfolgreiche Castvermittlung“, erläutert Geschäftsführer Oliver Peege. Die Vorteile der Vergütung sind für ihn offensichtlich: „Zufriedene Mitarbeiter und ein gutes Betriebsklima sind der Grundstein für ein kreatives und zugleich produktives Arbeiten. Mit der Vergütung können wir den Praktikanten zumindest eine Sorge nehmen und die Berufseinsteiger haben den Kopf frei, um sich voll und ganz auf ihre Tätigkeit zu konzentrieren.“

„Ein Praktikum ist eine vernünftige Tätigkeit und sollte vergütet werden“, meint auch Professor Peter Gottschalk. Als Programmverantwortlicher der Dokumentarfilmredaktion bei „Arte“ betreut er häufig Praktikanten. „Jeder der durchschnittlich zehn bis 15 Praktikanten erhält eine Vergütung und einen Mentor als Ansprechpartner zugeteilt“, erzählt er. „Sie bringen junge, frische Gedanken mit und diese Anregungen werden auch benötigt“, fügt er an. Zwar seien ihm in seinem direktem Arbeitsumfeld keine Unternehmen bekannt, die unbezahlt Praktikanten beschäftigen. Die knappen Budgets der TV-Branche seien aber dafür verantwortlich, dass in einigen Produktionsfirmen die Praktika unbezahlt sind: „Die Produzenten arbeiten oft am finanziellen Minimum. Ich kann mir vorstellen, dass einige von ihnen die Praktikanten als billige Arbeitskräfte sehen.“ Deshalb sollten Studenten bei der Praktikumsstellenauswahl flexibel sein und sich nicht auf eine Firma festlegen, rät Professor Gottschalk.

 Fachkräftemangel als Chance

„Wenn man unbedingt zu einem namhaften Sender will, muss man die fehlende Vergütung wohl in Kauf nehmen“, sagt Tamara Huhle. Sie empfiehlt allerdings, nicht nur nach den großen Namen zu schauen: „Oftmals bringt ein Praktikum bei kleinen Produktionsfirmen mehr.“ Gerade bei den privaten TV-Sendern sieht sie die Gefahr, dass Studenten in einem „Kabelträger-Praktikum“ enden und als billige Arbeitskraft ausgebeutet werden. Die Vergütung sei aber nur die eine Seite: „Auf der anderen Seite macht ein Praktikant auch Arbeit und muss betreut werden.“ Angesichts des bestehenden Fachkräftemangels ist sie sich aber sicher, dass sich diese Investitionen lohnen. „Die seriöse Bezahlung von Praktikanten wird zunehmen“, sagt sie.

 „Schlüssel zum Erfolg“

Dennoch gibt es verschiedene Gründe für Medienbetriebe, keine Praktikumsvergütung zu zahlen. „Entweder kann es sich der Praktikumsanbieter leisten, keine Vergütung zu zahlen, da genügend Praktikumsinteressenten bereitstehen. Oder er kann aus eigenen finanziellen Zwängen keine Vergütung zahlen“, erläutert Matthias Weinhold von der Arbeitsagentur Chemnitz. Wie oft Praktika inzwischen generell vergütet werden, vermag er nicht genau zu sagen: „Hier gibt es unterschiedliche Erfahrungen und keine verlässlichen Statistiken. Nach dem Studium sollte ein Praktikum in jedem Fall vergütet werden.“ Insgesamt sieht der Berater für akademische Berufe die Praktika noch immer als Schlüssel zum erfolgreichen Berufseinstieg. „Ob man für eine gute Praktikumsstelle auf die Vergütung verzichtet, muss jeder für sich entscheiden. Dabei gilt es viele Rahmenbedingungen in Betracht zu ziehen“, sagt Weinhold. Ob ein unbezahltes Praktikum bei einem angesehenen Arbeitgeber abgelehnt wird, müsse, wie Weinhold erklärt, jeder selbst entscheiden: „Wenn es vertretbar ist und Ihnen echt weiterhilft – warum nicht?“

<h3>Ole Reiss</h3>

Ole Reiss