Minutiöse Verfolgung per Gesetz

von | 5. April 2012

Die EU drängt auf eine schnelle Einigung bei der Vorratsdatenspeicherung: Bis zum 19. April muss die Politik zwischen Unschuldsvermutung und vermeintlicher Sicherheit entscheiden.

Die EU hat Deutschland am 22. März ein Ultimatum gestellt, binnen vier Wochen sei ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vorzulegen. Doch während die Zeit immer mehr drängt, scheint eine Einigung nicht in Sicht. Sollte die deutsche Politik nicht rechtzeitig zu einem Ergebnis kommen, werde die EU-Kommission Klage beim Europäischen Gerichtshof einreichen. Das drohte EU-Innenkommissarin Cecili Malmström in ihrem Mahnschreiben an.

Doch bei dem Thema sind sich nicht nur die Bundesrepublik und die EU uneins. Auch die Parteien können sich nach Jahren der Diskussion auf keinen Konsens einigen. „Vor allem das Missbrauchspotenzial ist groß, bei Kriminellen wie auch staatlichen Behörden. Eine hundert-prozentige Datensicherheit gibt es nicht”, kritisiert zum Beispiel Malte Spitz von „Bündnis 90/Die Grünen“.  Der Politiker klagte bereits 2009 seine Vorratsdaten bei der „Deutschen Telekom“ ein und stellte diese „Zeit online“ zur Verfügung. Damit konnte die Handynutzung von Spitz minutiös nachverfolgt werden. Seiner Meinung nach untergrabe die Vorratsdatenspeicherung das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Staat. Ein Telefonat mit einem Pfarrer, Rechtsanwalt oder Seelsorger sei so beispielsweise kein geschützter Raum mehr.

Aus Unschuldsvermutung wird Schuldverdacht

Nach EU-Richtlinie sollen die Daten zur Bekämpfung von Kriminalität und Terror sechs Monate gespeichert werden. Der Rechtsstaat könne es sich im Rahmen der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung nicht erlauben, kommunikative und technische Entwicklungen zu ignorieren, plädiert Andrea Astrid Voßhoff. Sie ist rechtspolitische Sprecherin der „CDU/CSU“-Fraktion im Deutschen Bundestag. „Die Vorratsdatenspeicherung ist für eine effektive Verfolgung schwerer Straftaten und eine funktionierende Gefahrenabwehr unabdingbar.” Darunter fällt, wer mit wem, wann, wie lange, wo und womit, via Telefon, SMS, E-Mail oder Internet Kontakt hatte. Auf diese Informationen können Polizei und Staatsanwaltschaft im Verdachtsfall zugreifen – ein Gerichtsbeschluss vorausgesetzt.

„Die Vorratsdatenspeicherung bedeutet eine Umkehr des Verhältnisses zwischen Bürger und Staat. Der Staat spricht den Menschen ab, unbeobachtet miteinander zu kommunizieren“, erklärt Andreas Schneider, Sprecher des sächsischen Datenschutzbeauftragten. Es bestehe die Gefahr, dass aus der Unschuldsvermutung ein Schuldverdacht wird. Dieser Kritik widerspricht Juristin und Bundestags-Mitglied Voßhoff deutlich. Zwar werde ohne konkreten Anlass bei allen Nutzern Daten gespeichert. „Damit sind aber weder Schuldzuweisungen verbunden noch werden die Bürgerinnen und Bürger unter einen Generalverdacht gestellt”, argumentiert Voßhoff.

Speicherung verbieten statt vorschreiben

„Durch die ungebremste Aufzeichnung der digitalen Spuren wird das Mobiltelefon mehr und mehr zu einer Ortungswanze“, warnt Frank Rieger vom „Chaos Computer Club“ in einer Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht.  Zur Vermeidung von Datendiebstahl gebe es nur eine Möglichkeit: „Die Erhebung und Speicherung muss gesetzlich verboten statt vorgeschrieben werden.”

Ursprüngliches Gesetz wurde abgewiesen

Das erste Gesetz, das der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung entsprach, wurde 2008 von der großen Koalition verabschiedet. Zwei Jahre später erklärte dann das Bundesverfassungsgericht den Erlass als nichtig. Es verstoße gegen das im Grundgesetz stehende Fernmeldegeheimnis, so die Richter. Alle bis dahin gesammelten Vorratsdaten mussten daraufhin unverzüglich gelöscht werden. Das Bundesverfassungsgericht erklärte aber auch, dass die Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar sei. Dafür sei aber eine bessere Ausarbeitung des Gesetzes notwendig.

<h3>Christian Kandels</h3>

Christian Kandels