„Gegen den Perfektionismus“

von | 29. April 2010

Bunte Plastikkameras und verschwommene Bilder: Was sich nach den ersten Fotoversuchen eines Kleinkinds anhört ist mittlerweile eine globale Bewegung geworden.

Anfang der 90er Jahre veranstalteten Studenten in Wien einige Ausstellungen mit bunten, verschwommenen und ungewöhnlichen Fotos. Diese „Schnappschüsse“ wurden mit billigen, alten Plastikkameras aus Russland fotografiert – unter anderem mit der LOMO-LC-A, daher der Name. Aus der Verbindung von Hunderten der farbenfroh leuchtenden Aufnahmen entstanden sogenannte Lomowalls. Wände voller Bilder, die nicht nur Künstler begeisterten, sondern auch bei etlichen Betrachtern die Lust am Fotografieren weckten.

Der Trend zum Fehlerhaften

Der Siegeszug der ausdrucksstarken Bilder war nicht mehr aufzuhalten. Kameras mit mehreren Objektiven, Fischaugenlinsen und bunte Blitze haben eine weltweite Fangemeinde gefunden. Lomografische Botschaften verbreiten in 35 Ländern das „Lebensgefühl Lomo“: Die Freiheit zu fotografieren, ohne Schärfe oder Motiv penibel auswählen zu müssen, „weil es eine Bewegung gegen den Perfektionismus war.“ So beschreibt Uli Reichert den Ausgangspunkt seiner Begeisterung. Der 47-jährige ehemalige Landschaftsgärtner, der schon einige Preise für seine Bilder gewann, ist der Beweis dafür, dass Lomo eben nicht nur ein jugendkulturelles Phänomen ist.

Gemeinsam fotografieren

Besonders durch das große Gemeinschaftsgefühl findet die Bewegung viele neue Anhänger. Verena Höpflinger, Künstlerin aus München, lomographiert international: „Es ist sehr, sehr spannend zu sehen, wenn zwei verschiedene Personen mit total unterschiedlichen Blickwinkeln auf einen Film fotografieren. Am besten noch aus verschiedenen Ländern. Gerade im Moment double ich Bilder mit einer aus Singapur, und ich kann die Ergebnisse kaum abwarten. Doublen werde ich weiterhin immer machen – das ist aufregend.“

Noch hat die recht junge Bewegung mit einigen Vorurteilen zu kämpfen: „Lomographie kennen nicht so viele Leute wie die alltägliche Fotografie, und viele belächeln es, wenn man mit einer ‚Plastikkamera‘ vor fragwürdigen Objekten rumhüpft, sind aber dafür dann umso mehr erstaunt und begeistert von den Ergebnissen. Analoge Fotografie ist generell für viele einfach ‚out‘. ‚Das macht doch niemand mehr‘, werde ich oft kommentiert, wenn ich mit einer meiner Kameras draußen bin – leider denken viele so“, sagt Höpflinger.

Davon lassen sich die meisten Lomographen aber nicht abschrecken und Verena Höpflinger fasst in drei Worten ein Phänomen zusammen, mit dem sich in ganzen wissenschaftlichen Aufsätzen beschäftigen: „Überall – Immer – Spaß“

<h3>Tom Rosenkranz</h3>

Tom Rosenkranz