Verunsicherer statt Essensretter?

von | 19. Juni 2012

Seit den Morgenstunden steht fest: „Hipp Instant-Früchtetee“ gewinnt den „Goldenen Windbeutel“ für die dreisteste Werbelüge des Jahres. Doch der „Foodwatch“-Preis ist umstritten.

Einen Monat lang konnten die Verbraucher im Internet abstimmen und aus fünf Produkten die „dreisteste Werbelüge des Jahres“ wählen – für den Erstplatzierten „Hipp Instant-Früchtetee“ eine fragwürdige Ehre.

Zuckertee für Babys

Der Negativpreis wird heute Vormittag persönlich am Unternehmenssitz des Babynahrungs-Herstellers verliehen. „Hipp“ hat schon angekündigt, die kritisierten Produkte bis Ende des Jahres durch neue ohne Zucker ersetzen zu wollen. Mit 34,1 Prozent und einem Vorsprung von fast sieben Prozent siegte das Babyprodukt aber klar gegenüber einer Hackfleischzubereitung, die mit Wasser und Getreide gestreckt wurde.

Hauptkritikpunkt an dem „Hipp“-Produkt ist die Bewerbung des Instant-Tees für Kleinkinder ab dem zwölften Monat. Experten empfehlen hingegen ausschließlich ungesüßte Getränke für diese Altersgruppe. Zuckergranulat mit Wasser aufgegossen: Eltern ein solches Produkt für Kleinkinder zu empfehlen ist unverantwortlich“, kritisierte Oliver Huizinga von „Foodwatch“.

Der „Goldene Windbeutel“ wird seit 2009 jährlich durch „Foodwatch“ verliehen, einer Organisation, die sich selbst als „Essensretter“ bezeichnet. „Wir möchten – anhand konkreter Beispiele – die ganz legale Täuschung aufdecken, der wir Verbraucher im Supermarkt oftmals ausgesetzt sind“, erklärt Pressesprecher Winkler. Die Beteiligung an der Wahl zum „Goldenen Windbeutel“ hat stetig zugenommen. Meldete „Foodwatch“ 2009 noch 35.000 Beteiligte, so waren es 2011 schon 117.688, dieses Jahr stimmten 129.229 Bürger für ihren „Favoriten“.

„Skandalisierung“ statt sachlicher Aufklärung

„Foodwatch“ leistet sich eine umfangreiche Pressearbeit zu den eigenen Aktionen und erreicht so eine gründliche Berichterstattung. „Verbrauchertäuschung und Etikettenschwindel sind mittlerweile häufig Themen in den Medien – hier hat sich einiges getan“, sagt „Foodwatch“-Sprecher Winkler. Auch die Art und Weise, wie Medien berichten, habe sich verbessert. Besonders positiv sei, dass sich viele Journalisten mittlerweile nicht mehr scheuen, konkrete Produktnamen zu nennen.

Doch schon 2010 kritisierte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner die Art und Weise, wie die Organisation auf die Missstände aufmerksam macht. Im Interview mit der „Wirtschaftswoche“ sagte sie zu der 2002 vom „Greenpeace“-Aktivisten Thilo Bode gegründeten Organisation: „Bode lebt von der Skandalisierung. Das ist sein Geschäftsmodell um möglichst viele Spendengelder und Mitglieder zu gewinnen.“

Der Lobby-Verband „Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V.“, kurz „BLL“, kritisiert ebenfalls die Preisverleihung des „Goldenen Windbeutel“ scharf. „Die Aktion von ‚Foodwatch‘ ist populistisch, verbal überzogen und inhaltlich nicht nachvollziehbar. Die Kampagne zielt einzig und allein auf eine größtmögliche Medienaufmerksamkeit ab“, erklärt Christoph Sokolowski die Position des Spitzenverbands der deutschen Lebensmittelindustrie – die natürlich maßgeblich von den Interessen der Hersteller geprägt ist. Laut Sokolowski verfolge „Foodwatch“ geschäftliche Ziele.

Mehr „Klarheit & Wahrheit“ für den Verbraucher

Dabei gibt es eine Alternative, sowohl zu „Foodwatch“, als auch zum „BLL“: Die Initiative „Wahrheit & Klarheit“, die  das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Oktober 2010 gründete. Ein Teil der Informations-Kampagne ist die Internetseite „lebensmittelklarheit.de“, die vom Bundesverband der Verbraucherzentralen betrieben wird. Egal ob die eingereichten Beschwerden auf dem Portal veröffentlicht werden, die Verbraucher erhalten bei Beschwerden eine Antwort von den Experten. In den Rubriken „Getäuscht?“, „Geändert“ und „Erlaubt!“ werden die Fälle aufgelistet, sachlich bewertet und die Reaktion des Herstellers vollständig veröffentlicht.

„Foodwatch“-Sprecher Winkler sieht den Launch von „lebensmittelklarheit.de“ dagegen als ein Eingeständnis der Politik und als Erfolgsindiz für „Foodwatch“. Erst Kampagnen wie der „Goldene Windbeutel“ hätten das Thema Etikettenschwindel in die Öffentlichkeit gebracht.

<h3>Elisabeth Stiehler</h3>

Elisabeth Stiehler