Link-Haftung bis zum absurdesten Detail

von | 20. Juni 2012

Links werden nach neuer Hamburger Rechtsprechung ein unkalkulierbares Risiko. Anwälte sehen in dem Urteil einen Angriff auf verschiedene Grundrechte und kritischen Journalismus.

Die einfache Verlinkung eines „Youtube“-Videos kostete den Blogger und Anwalt Markus Kompa einige tausend Euro. Er hatte einen kritischen Bericht des ZDF-Magazins „Wiso“ in seinem Blog „Medienrecht.de“ gepostet. Inhalt des Beitrags war eine Krebsheilmethode – der betroffene Arzt sah allerdings seine Persönlichkeitsrechte verletzt und klagte gegen die Weiterverbreitung.

Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung

Kompa ging gegen die darauf eintreffende Abmahnung, eine einstweilige Verfügung und eine hohe Anwaltskostenrechnung vor – allerdings mit niederschmetterndem Ergebnis: Das Hamburger Landgericht entschied am 18. Mai, dass der Blogger den Arzt vorher hätte fragen müssen, ob dieser mit der Weiterverbreitung des Videos einverstanden sei. In einem halben Jahr wird der Fall beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden.

Das Gericht wird abzuwägen haben, ob das Setzen von Links eine Meinungsäußerung darstellt oder eine Tatsachenbehauptung, weiß der Anwalt für Telekommunikations- und Internetrecht Alexander Zieschang. „Sofern sich die nächsten Instanzen dazu durchringen, die Linksetzung als zulässige Meinungsäußerung zu bewerten, müsste dies meines Erachtens dazu führen, dass die Abmahnung als unberechtigt bewertet wurde“, prognostiziert er.

Grundrechte durch Urteil in Gefahr

Der betroffene Anwalt und Blogger Kompa ist gegenüber medienMITTWEIDA noch immer schockiert: „Die hanseatische Deutung des Medienrechts nutzt in erster Linie zynischen Konzernen, korrupten Politikern und Scharlatanen, die berechtigte Kritik durch Anwaltstricks unterdrücken wollen.“ Das sei aber kein Zufall. „Das Landgericht Hamburg hat eine gewisse Tradition darin, die Meinungsfreiheit pauschal hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zurücktreten zu lassen“, klagt Kompa.

„Die Ausübung der Grundrechte auf Meinungs-, Presse-, Film- und Wissenschaftsfreiheit sind betroffen, sowie indirekt das Recht, sich aus öffentlichen Quellen zu unterrichten“, kritisiert der Blogger. Sein Kollege Zieschang aus Dresden bestätigt: „Durch eine solche Handhabung des Gesetzes ist die Freiheit des Internets massiv bedroht.“

„Als hätte man selbst produziert“

Markus Kompa sieht sich in seiner Funktion als Journalist eingeschränkt: „Das Landgericht Hamburg hat den Weg dafür frei gemacht, dass man für ein verlinktes Video bis ins absurdeste Detail haftet, als hätte man es selbst produziert.“ Damit könne im Bereich des kritischen Journalismus nichts mehr verlinkt werden. „Die Folge ist Selbstzensur“, beklagt Blogger und Anwalt Kompa.

Neue juristische Angriffsmöglichkeiten

Das Setzen eines Links werde durch das Hamburger Landgericht, so Kompa, ein unkalkulierbares Risiko. Vor allem, weil medienrechtliche Verfahren wegen der hohen Streitwerte sehr kostspielig werden können.

Die Kosten für Kompas Rechtsstreit mit dem Krebsarzt belaufen sich mittlerweile auf über 20.000 Euro. Finanzieren kann er die Berufung nur durch Crowdfunding, insgesamt spendete die Blogosphäre in wenigen Tagen circa 40.000 Euro. „Ich arbeite aktuell an einer Stiftung, die Bloggern in vergleichbaren Fällen die Finanzierung der Ausübung von Meinungsfreiheit ermöglichen soll“, kündigt Kompa an.

Auch Zieschang fordert bei der gängigen Abmahnpraxis dringend Verbesserungsmaßnahmen. Die neue Gesetzesanwendung des Hamburger Landgerichts könne erneut ein Abmahngeschäft ins Rollen bringen. „Gesetzgeberisch gäbe es die Möglichkeit, die Abmahnkosten für die jeweils erste Abmahnung in einer Angelegenheit zu begrenzen – zum Beispiel auf 50 Euro oder weniger.“ Derzeit sei aber kein Interesse bei der Bundestagsmehrheit zu beobachten.

<h3>Anja Wanger</h3>

Anja Wanger