Hier spielt alles – außer Musik

von | 23. März 2011

Musik im deutschen Fernsehen ist nicht mehr das, was es mal war. Das Niveau und die Kreativität sind zusammen mit den Musikvideos aus dem Programm verschwunden. Dafür kam nervige Klingeltonwerbung. Nach Jahren auf tiefstem qualitativem Niveau plant Viva nun einen Imagewechsel. Es kann ja eigentlich nur besser werden.

Es war das Jahr 2001. Auch damals kamen Schüler und Teenager am frühen Nachmittag nach Hause und schalteten das TV-Gerät ein. Sie wechselten auf einen Sender namens Viva oder MTV und ließen sich von der Musik berieseln. Musik? Ja, es gab Zeiten, da lief diese noch auf Musiksendern. Moderatoren wie Mola Adebisi, Stefan Raab und Enie van de Meiklokjes führten durch musikbezogene Talk-, Comedy- und Chartshows. Das waren noch Zeiten.

Im Qualitätstal

Zehn Jahre sind nun seit diesen Tagen einer unbeschwerten, musikalisch untermalten Jugend vergangen. Das Programm von Viva und MTV hat sich seitdem stark verändert. Leider. Heute laufen auf den einschlägigen Unterhaltungssendern kaum noch Musikvideos. Jahrelang wurden die andauernden Mobilfunk-Abo-Werbungen von sinnfreien Dating-Shows, Sitcoms und Trickfilmen unterbrochen. Zusätzlich nervten Moderatoren wie Gülcan Kamps, Collien Fernandes sowie Joko und Klaas mit Sendungen, die meist überhaupt keine Verbindung zu musikalischen Themen aufwiesen. Ab und zu wurde auch mal ein Lied aus den Charts gespielt. Viele Stunden kostbarer Sendezeit wurde in diesen Jahren mit dem Abfall der TV-Produktion gefüllt. Ob und wie stark sich stundenlanges Klingeltongepiepse auf die Intelligenz der Jugendlichen ausgewirkt hat, wird wohl nie untersucht werden, zum Glück.

Neu, anders, Viva?

Nun tritt Viva seit dem 1. Januar 2011 im neuen Gewand auf. Schnittiges, neues Logo, eine überarbeitete Sendephilosophie mit noch mehr Programminhalten ohne Musik und zum Glück alles – wie vorgestern bekannt wurde – ohne Gülcan. Nach dem Rückzug von Schwestersender MTV – beide gehören der VIACOM-Gruppe – in den Pay-TV-Sektor, konnten einige sehenswerte Formate übernommen werden. Besonders US-amerikanische Shows und Comicserien laufen nun als Wiederholung im deutschen Free-TV bei VIVA. Ein Blick in die aktuellen Sendungen zeigt aber, dass der Musikanteil durch die Senderumgestaltung leider nicht gestiegen ist – ein sehr zu bedauerndes Versäumnis.

Wenn sich VIVA immer noch Musiksender nennen würde – wie damals zur Gründung in den neunziger Jahren – dann wäre dies eine pure Frechheit. Mit Veränderung der Programmstruktur änderte sich aber auch die Selbstdefinition. Der Berliner Sender sieht sich selbst als „Jugend- und Musiksender für Pop und Fun“ – also ein Kinderkanal für Teenager. Diese Definition passt soweit ganz gut. Nur junge und leere Köpfe sind dazu in der Lage, die bunte Flut an flachen Inhalten des deutschen Fun-Fernsehens zu verarbeiten. Sollte also ein älterer Musikliebhaber ab einem Alter von ungefähr 20 Jahren mal den Fernseher einschalten, um sich an damals zu erinnern, dann sollte er private Musiksender meiden. Ein Griff zur guten alten Compact Disc birgt da mehr Aussicht auf audiophile Genussmomente und sichert die Erinnerung an eine vergessene Zeit.

Morgen beschäftigt sich medienMITTWEIDA übrigens mit einer interaktiven Alternative zum herkömmlichen Musikfernsehen.

<h3>Martin Kisza</h3>

Martin Kisza