Hochschulapps – Die mobile Hilfe im Hörsaal

von | 17. Dezember 2013

Der Hörsaal ist bis auf den letzten Platz mit Studenten gefüllt. Was der Professor zu erklären versucht, klingt wie Chinesisch in meinen Ohren. Jetzt vor Allen eine Frage stellen? Ich […]

Der Hörsaal ist bis auf den letzten Platz mit Studenten gefüllt. Was der Professor zu erklären versucht, klingt wie Chinesisch in meinen Ohren. Jetzt vor Allen eine Frage stellen? Ich überlege kurz und entscheide mich dagegen. Allein bin ich mit meinem Problem sicherlich nicht, jemand anderes wird sich bestimmt melden. Doch sollte es nicht möglich sein, seine Fragen anonym zu stellen?

Studenten der Bergakademie in Freiberg können aufatmen. Sie haben bereits die Chance, ihren Dozenten und Professoren Fragen zu stellen, ohne dafür vor dem kompletten Hörsaal sprechen zu müssen. Möglich macht dies eine Applikation für Smartphones und Tablets. Neben dem Mensaplan kann auf den Stundenplan und den Onlinekatalog der Hochschul-Bibliothek zugegriffen werden. Seit diesem Jahr enthält die App noch eine ganz besondere Funktion: Mit „MyTU“ können die Studenten dem Dozenten in Echtzeit anzeigen, ob er die Lehrinhalte verständlich und mit geeigneter Geschwindigkeit vermittelt, sowie Fragen stellen, falls etwas unklar ist. Oft wird die klassische Frontalvorlesung totgesagt. „Mit ‚myTU‘ wollen wir die berechtigte Kritik an der klassischen Vorlesung aufnehmen und sie mit Mitteln der mobilen Kommunikation – anonym – interaktiver gestalten“, so Professor Konrad Froitzheim vom Institut für Informatik an der TU Freiberg.

Einer der Mitentwickler ist Frank Gommlich, Doktorand am Institut für Informatik an der TU in Freiberg. Mit ihm sprach ich über die Funktionsweise von ‚myTU‘. Neben der bereits erwähnten Frage- und Stoppfunktion, soll der Dozent die Möglichkeit haben, Echtzeitumfragen während der Vorlesung durchführen zu können. Ähnlich wie bei „Wer wird Millionär?“ kann dann jeder App-Nutzer seine Antwort abgeben. Mit Genehmigung der App als ein Forschungsprojekt des Freistaates Sachsen soll die App so generalisiert werden, dass sie auch von anderen Hochschulen in Sachsen genutzt werden kann. Ende nächsten Jahres soll es dann so weit sein.

Sebastian Winter ist Student an der TU in Freiberg. Er hält das neue Feature der App in größeren Gruppen für sehr sinnvoll. „Es scheint für die Erstsemestler sehr nützlich zu sein, da sich viele erst an die große Gemeinschaft und Vorlesungen gewöhnen müssen. Viele trauen sich vielleicht nicht, vor so einem großen Publikum Fragen zu stellen.“ Allerdings sieht er die Gefahr, dass manche Studenten sich einen Spaß daraus machen könnten, den Stopp-Button wieder und wieder zu drücken. Im schlimmsten Fall wird der Dozent dadurch ausgebremst und der Stoff somit nur oberflächlich behandelt. Sebastian selber hat die neue Funktion der App noch nicht verwendet, da seine Veranstaltungen in kleinen Hörsälen und Gruppen stattfinden, wo man ohne Probleme nachfragen kann.

Wünschenswerte Funktionen?

In großen Hörsälen wiederum kann der Student einfacher auf sich aufmerksam machen und der Kontakt mit den Dozenten wird erleichtert. Die Studenten werden auf diese Weise stärker in die Vorlesung integriert. Wäre es nicht sinnvoll, solche Funktionen auch an anderen Hochschulen einzuführen?

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Die Hochschule Mittweida besitzt seit Dezember 2012 die Hochschulapp „HSMWmobil“. MyTU aus Freiberg wurde bereits eineinhalb Jahre eher, im Frühjahr 2011 veröffentlicht. Studenten der Hochschule Mittweida und der Bergakademie Freiberg gehören zwar beide dem Studentenwerk Freiberg an, eine Kooperation bei der Entwicklung der Hochschulapplikationen gibt es aber nicht.

Beide Apps haben einen integrierten Mensaplan und Studenplan, zusätzlich zu diesen Funktionen hat HSMWmobil allerdings noch eine integrierte Notenanzeige. Die TU Freiberg hat sich davon bisher distanziert, da es hier datenschutzrechtliche Bedenken gibt. Mittweidaer Studenten müssen sich darum keine Sorgen machen, auch wenn ihnen die Noten angezeigt werden: „Unsere App macht nichts anderes als die Notenanzeige im Intranet“, sagt Saskia Bretschneider, Projektleiterin von HSMWmobil. Der Zugriff auf die Noten erfolgt nur nach erfolgreicher Authentifizierung. Die Datenquelle ist also die gleiche, den Studenten wird jedoch eine weitere Zugriffsmöglichkeit geboten.

Mit der HSMWmobil-App können die Studenten jedoch nicht wie ihre Freiberger Kollegen auf den Onlinekatalog der Bibliothek zugreifen, dafür aber haben sie die Möglichkeit, direkt auf die Projekte der Fakultät Medien zu gelangen: Nutzer von HSMWmobil können über ihr Smartphone in Echtzeit das Programm von „99drei Radio Mittweida“ hören oder die Website von medienMITTWEIDA besuchen.

HSMWmobil genauer im Blick

Ich habe mich gefragt, ob auch wir Mittweidaer Sudenten bald die Möglichkeit haben werden, die Vorlesung anonym zu steuern. Im Gespräch mit Saskia Bretschneider erfuhr ich mehr: Auch unsere App soll weitere Funktionen, wie beispielsweise einen Veranstaltungskalender und eine Benachrichtigungsfunktion bekommen, mit der kurze Mitteilungen auf das Endgerät gesendet werden. „Diese können entweder individuell erstellt, zum Beispiel bei einem Veranstaltungshinweis, oder automatisiert erzeugt und versendet werden, wie es sich für Stundenplanänderungen anbieten würde“, so Bretschneider. Eine Frage- und Stoppfunktion, wie es sie an der Bergakademie in Freiberg gibt, ist allerdings nicht geplant. „Wir haben in Mittweida kleine Unterrichtsgruppen, unsere Professoren beantworten gern jede Frage und kennen ihre Studenten meist persönlich. Wir sind stolz auf diese individuelle Betreuung“, erzählt die Projektleiterin.

Zum Betrachten ist Flash erforderlich.

Eine Nachfrage der Funktion aus Freiberg ist jedoch gegeben: „Der Unterricht wird durch diese Funktion nicht unterbrochen“, so Lydia Nordengrün, Medienstudentin: „Der Dozent kann entscheiden, auf welche Fragen er näher eingeht und diese besser in seinen Vorlesungsfluss einbetten.“ Studentin Sarah Albrecht ist gegen die Einführung dieser Funktion. Ihrer Meinung nach sollte man als Student doch durchaus in der Lage sein, sich zu melden und seine Frage dem Dozenten persönlich zu stellen. Einige Dozenten der TU Freiberg sehen dies ähnlich: „Jeder Studierende kann sich in meiner Vorlesung melden, um Fragen zu stellen oder mich zu bitten, langsamer vorzutragen“, so Professor Helmut Albrecht von der Fakultät für Technologiegeschichte und Industriearchäologie. Die Stopp- und Fragefunktion wird also nicht von allen Dozenten angenommen.

Studieren 2.0

Nicht nur die Hochschule Mittweida und die Bergakademie Freiberg haben sich Gedanken über eine Hochschulapp gemacht. Häufig sind es Studenten, die auf die Idee kommen, eine App zu programmieren, um damit das Unileben zu erleichtern. Die meisten offiziellen Hochschulapps beinhalten dabei einen Campus- und Mensaplan. Mehr Funktionen bietet unter anderem die Fachhochschule Kiel – Nutzer dieser App können auf die Bus- und Fährfahrpläne zugreifen. Einige wenige, wie beispielsweise die App der Universität Mannheim, verfügen sogar noch über einen Veranstaltungskalender. Die Frage- und Stoppfunktion gibt es momentan aber nur in Freiberg.

myTU und HSMWmobil gibt es für die Betriebssysteme iOS und Android. Für HSMWmobil gibt es zusätzlich eine Version für Windows 8, diese befindet sich aber noch im Zulassungstest bei Microsoft. Die App wird entwickelt von einem motivierten Team, bei dem jeder mitmachen darf, der sich mit Entwicklung von Apps auskennt und Lust hat, das Team zu unterstützen. Denn letztendlich sind die Apps nur so gut, wie die Ideen, die von den Machern kommen. Ich bin gespannt, welche neuen Funktionen uns in den den nächsten Monaten überraschen werden.

Text: Lydia Ullrich. Video: Lydia Ullrich/Max Koch. Grafik: Hanna Frantz.

<h3>Lydia Ullrich</h3>

Lydia Ullrich

Redakteur