„In Würde und Freiheit leben“

von | 1. November 2011

Lina Ben Mhenni bezeichnet ihren Blog "A Tunisian Girl" als ihre Liebesgeschichte. Im Interview spricht sie übers Bloggen, die Cyberpolizei und ihre Motivation weiterzumachen.

Die 27-jährige Lina Ben Mhenni ist Dozentin an der Universität in Tunis. Seit vier Jahren betreibt Sie den Blog „A Tunesian Girl“, der in diesem Jahr Sieger des siebten internationalen Blog-Awards der „Deutschen Welle“ wurde. Lina Ben Mhenni bloggt in französisch, englisch und arabisch über Menschenrechte, Redefreiheit und die persönliche Freiheit der Menschen. Etwa dreimal pro Woche bloggt sie, was in Tunesien passiert. Dadurch erhalten viele Tunesier Informationen, die sie sonst nirgends in ihrem Land bekommen.

Frau Ben Mhenni, Ihr Blog wurde dieses Jahr Sieger von „The BOBs“ der „Deutschen Welle“. Worum geht es in Ihrem Projekt?

Ich würde meinen Blog nicht als Projekt bezeichnen. Es ist einfach ein Blog, den ich als Passion oder Hobby begann. Ich habe im Jahr 2007 mit dem Bloggen angefangen, um mich und meine Meinung auszudrücken. Mich motivieren die Liebe zu meinem Land und die Liebe zur Freiheit. Die Menschen besuchen meinen Blog um zu sehen, was im Land passiert. Sie vertrauen mir und versuchen Neuigkeiten über Menschenrechte zu finden.

Gab es zu Beginn Schwierigkeiten?

Eigentlich hatte ich keine Schwierigkeiten. Ich habe einfach spontan mit dem Bloggen angefangen. Die Schwierigkeiten kamen später, als die Cyberpolizei an meinen Blog kam und mich zensierte, verfolgte und belästigte. Die Cyberpolizei hat meine ‚Facebook‘-Profile und meine Seiten blockiert. Sie zensierten meinen Blog mehr als sechsmal. Einige meiner privaten E-Mails sind merkwürdigerweise einfach so verschwunden. Ich habe geschrieben, was ich wollte, aber die Tunesier hatten keinen Zugang mehr zu meiner Arbeit. Nur diejenigen, die spezielle Programme benutzt haben, um die Sperrung zu umgehen, konnten meine Blogeinträge lesen.

Warum wurde Ihr Blog gesperrt?

Naja, ich habe über all die ‚Tabu-Themen‘ geredet. Ich bin ein Verfechter der Menschenrechte. Aber hauptsächlich kämpfe ich für die Redefreiheit, die Rechte der Frauen und gegen die Zensur. Ich habe auch versucht Studenten zu helfen, die wegen ihrer politischen Aktivitäten festgenommen wurden. Ich schreibe über Dinge, die passieren. Ich organisiere Online-Kampagnen selbst und an anderen nehme ich teil. Manchmal arbeite ich aber auch im Hintergrund. Wie zum Beispiel am 22. Mai, als ich versucht habe, mit einer Gruppe von Bloggern und Cyberaktivisten eine Demonstration gegen die Zensur zu organisieren. Eigentlich kämpfe ich generell für den Frieden.

Warum ist das Internet so ein geeignetes Medium für Ihr Anliegen?

Das Internet war einmal der einzige Platz, an dem wir uns in Tunesien ausdrücken konnten. Die meisten der anderen Medien in Tunesien wurden von der Regierung manipuliert. Dazu kommt, dass das Internet schnell und einfach zu nutzen ist. Ich verdiene aber kein Geld mit meinem Blog. Ich bin sogar dagegen, Geld mit einem Blog zu verdienen. Bloggen ist für mich wie eine Liebesgeschichte. Ich nutze meinen Blog um Menschen zu helfen. Ich kann kein Geld damit verdienen, indem ich über das Leid anderer Menschen schreibe.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Hoffentlich beginnen wir damit eine wahre Demokratie aufzubauen. Dabei müssen wir aber auch realistisch sein, wir können die Demokratie nicht in einer kurzen Zeit erneuern. Wir brauchen Zeit. Ich möchte ein Tunesien, in dem jeder Tunesier in Würde und Frieden leben kann.

Text & Interview: Josefine Elze.

<h3>Josefine Elze</h3>

Josefine Elze