Karrieresprungbrett Trash-TV

von | 8. Juli 2011

Bei "RTL" gibt es auch im Nachmittagsprogramm richtige Schauspieler. Rollen für einen erfolgreichen Berufseinstieg zu bekommen, ist schwer und so versuchen professionelle Nachwuchsmimen im Trash-TV Erfahrungen vor der Kamera zu sammeln. Ob das karrieretechnisch hilfreich ist, ist umstritten.

Scripted Dokus machen Spaß. Nicht unbedingt den Bildungsfernsehfans, dafür aber den Menschen, die mit gestellter Wirklichkeit ihr Geld verdienen. Einige Formate wurden nach Polen oder Griechenland exportiert und auch in Deutschland scheinen immer mehr der umstrittenen Sendungen ins Programm zu kommen. Deshalb sind Trash-TV-Dompteure immer freundlich, beim Dreh und auch wenn sie am Telefon nach dem Gehalt der Darsteller gefragt werden. Nur ist das Gespräch dann schnell vorbei: Schließlich verdiene zwar jeder unterschiedlich, aber genug. Danke der Nachfrage.

Kleindarstellerkonditionen auch bei professionellen Schauspielern

Ganz anders beurteilt Carolin Albrecht ihre Gage. „Es ist auf jeden Fall Ausbeutung“, sagt die 23-Jährige, die kurz vor ihrem Schauspiel-Diplom steht und eifrig Erfahrungen vor der Kamera sammelt. Wie einige ihrer Kommilitonen und Kollegen hat sie bei sogenannten Pseudo-Dokus mitgewirkt.

Kerstin Erle ist Arbeitsvermittlerin für Fernsehschauspieler bei der Arbeitsagentur in Köln. „Natürlich gibt es für den Erfolg und für die Gagen von Künstlern keine Regeln“, sagt sie, Voraussetzung sei aber gutes Material. „Auch wenn man Erfahrungen sammelt, ist das in aller Regel nichts, was als Demomaterial bei einer Bewerbung genutzt werden kann.“

Ein junger Schauspieler sollte immer darauf achten, dass er im professionellen Umfeld arbeitet, mit professionellen Schauspielern, mit professionellen Regisseuren. „Nie mit Laien“, rät Volkmar Kampmann, der für die Arbeitsagentur Künstler für die Bühne vermittelt. Auch er würde seine Kunden im Normalfall nicht an eine Pseudo-Doku weiterleiten. „Das sind keine Schauspielaufgaben, das sind Komparsenaufgaben. Das sollte man dringend vermeiden.“ Mitunter bezahlen die Produktionsfirmen bei Nachmittags-Dokus pro Drehtag nur 100 Euro für eine Hauptrolle und 30 Euro für eine Nebenrolle.

Ungeschminkte Fließbandarbeit

Dabei kann der Drehtag lang werden. Zeit eine eventuell misslungene Szene zu wiederholen bleibt dennoch kaum. Schnell muss es gehen. „Das ist wie Fließbandarbeit“, scherzt Nachwuchsschauspielerin Carolin Albrecht, die für einen „Betrugsfälle“-Dreh extra von Berlin nach Köln gefahren ist. Fünf Tage vorher wurde sie angerufen, nachdem sie ein dreiviertel Jahr auf eine Rückmeldung gewartet hatte. Schminke brauchte sie keine, ihr Kostüm war ihre Privatklamotte und schon war sie die verzweifelte Mutter, die mehrere Millionen bei RTL gesehen haben. Die angenehme Atmosphäre hat Albrecht geschätzt, sie würde es wieder machen. „Lieber so Erfahrungen sammeln als gar nicht.“ Mit ihren 23 Jahren hat sie vor kurzem wieder die resignierte Mutter gemimt, diesmal bei „K11“.

Beruf für Verrückte

Sicherheit vor der Kamera ist in diesem Beruf elementar. „In Schauspielschulen wird viel zu wenig auf Film und Fernsehen Rücksicht genommen“, kritisiert Schauspieltrainerin Christine Kostropetsch. „Das Wichtige ist, dass man Erfahrungen für den Film sammelt, das ist eine ganz andere Spielweise.“ Deshalb sei ein Trash-TV-Auftritt nicht schädlich, wer sich nicht weiterbildet, habe eben kaum Chancen am Markt. Zwar sei Schauspieler ein Beruf für Verrückte, Nachwuchskünstler sieht Kostropetsch trotzdem lieber in der Komparserie als im Nachmittags-TV.

Vom Schauspielen allein können aber die wenigsten leben: Etwa 200 Absolventen verlassen die 14 staatlichen Schauspielschulen im Jahr – auf Theaterbühnen werden in dem Zeitraum circa 60 Stellen für den Nachwuchs frei. Auch der Arbeitsmarkt „Fernsehen“ ist klein, genaue Zahlen gibt es nicht. Nachwuchsschauspielerin Carolin Albrecht stört das nicht, die ehrgeizige Wahl-Berlinerin ist überzeugt, dass sie es schaffen wird. „Mein Wunsch wäre ja dann, das deutsche Fernsehprogramm zu retten. Nachmittagsfernsehen hält so keiner aus.“

<h3>Marcel Fröbe</h3>

Marcel Fröbe