Kommentar: Pädagogische Kontaktsperre

von | 29. November 2013

In Rheinland-Pfalz ist der Kontakt zwischen Schülern und Lehrern via Facebook nun seit Anfang des Monats offiziell verboten. Schüler werden so in ihrer Kommunikation bevormundet, Pädagogen hingegen die Möglichkeit einfacher […]

In Rheinland-Pfalz ist der Kontakt zwischen Schülern und Lehrern via Facebook nun seit Anfang des Monats offiziell verboten. Schüler werden so in ihrer Kommunikation bevormundet, Pädagogen hingegen die Möglichkeit einfacher Absprachen genommen. Über ein Facebook-Tabu ohne gleichwertige Alternativen.

Fakt ist: Der Schutz von persönlichen Daten ist unerlässlich. So beklagen auch die Verantwortlichen des Kultusministeriums, dass der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schulen nicht mit dem Geschäftsmodell von Facebook vereinbar sei. Die kommerzielle Auswertung persönlicher Daten verstoße gegen die hierzulande gültigen Datenschutzstandards. Denn staatliche Stellen sollten nach Edgar Wagner, dem Datenschutzbeauftragten von Rheinland-Pfalz, keine Anreize dafür bieten, dass sich Jugendliche bei datenschutzwidrigen Netzwerken anmelden und das Geschäftsmodell von Facebook unkritisch übernehmen. Vollkommen nachvollziehbar.

Doch dass bereits vor Verbotsdurchführung eine ebenso gleichwertige Alternative für den einfachen Austausch im Netz stehen sollte, wurde natürlich nicht bedacht. Denn so wichtig die Datenschutz-Debatte auch sein mag: Die interaktive Kommunikation via Facebook ist bequem und erlaubt flexible Gesprächszeiten. Bei Unklarheiten ermöglicht der Austausch im sozialen Netzwerk unkompliziertes Nachfragen innerhalb der Chat-Funktion. Benachrichtigungen über Fehlzeiten oder Terminabsprachen sind seitens der Lehrkraft ergo schnellstmöglich erledigt.

Widerspruch in der Kommunikation

Das Kultusministerium von Baden-Württemberg rät dem Rheinland hingegen zum „konventionellen Schriftverkehr“. Heißt: E-Mail-Kommunikation auf verschlüsselter Basis. Als Beispiel hierfür bietet Rheinland-Pfalz die Lernplattform „Lernen online“ an. Das Ministerium setzt auf altertümliche Methoden ohne jeglichen Lerneffekt, da erst nach mehreren Klicks durch unzählige Menüs ein Informationsgewinn erreicht werden kann. Weil via Facebook innerhalb weniger Sekunden auf die selbe Information Zugriff möglich ist, wirkt die vorherige Alternative wie ein digitaler Rückschritt. Ohne Frage versprechen Passwörter und diverse Zugangsschlüssel eine enorme Sicherheit. Doch was, wenn trotz entsprechender Schutzeinrichtung die versprochene Sicherheit noch immer nicht geboten werden kann?

Das Paradebeispiel einer solch widersprüchlichen Haltung lässt sich auch bei Andreas Schneider, Datenschutzbeauftragter Sachsens, feststellen: Er setzt sich für das Facebook-Verbot zwischen Schülern und Lehrern auch in sächsischen Schulen ein, gibt aber selbst zu, dass die sächsische Staatsregierung sichere Lernplattformen noch schaffen muss. Ein besorgniserregender Widerspruch. Denn welches Kommunikationsmittel sollten Schüler anstelle von Facebook & Co. nutzen, wenn generell noch keine sicheren Alternativlösungen gefunden wurden? Genauso paradox ist es, dass rheinland-pfälzische Schüler mit Programm-Angeboten des Bildungsministeriums wie „Medienkompetenz macht Schule“ den Umgang mit „Social Networks“ gezielt kennenlernen sollen − diese dann für schulische Zwecke jedoch nicht nutzen dürfen.

Wie bereits erwähnt, sollten – laut dem Datenschutzbeauftragen Edgar Wagner aus Rheinland-Pfalz – Jugendliche das Facebook-Geschäftsmodell nicht gänzlich unkritisch aufnehmen. Fakt ist allerdings, dass trotz Verbot sehr wohl eine Auseinandersetzung mit dem Kommunikations-Modell Facebook stattfindet – und zwar im Unterricht! Die Generation „Digital Natives“ hat bereits eine Menge Vorerfahrungen im sozialen Netzwerk sammeln können und so dienen Unterrichtseinheiten lediglich als „Auffrischungskurse“ über lauernde Gefahren aus dem Netz. Deutlich wird also, wie vorschnell hier ohne vorherige Absicherung von Alternativen und gezielten Weiterbildungsmaßnahmen gehandelt wurde: Facebook wird zur schulischen Kommunikation verboten, ohne dass ein brauchbarer Ersatz existiert.

Facebook als Teillösung

Ein Kompromiss wäre, zumindest kurzen Informations-Austausch wie über schulische Termine innerhalb der Gruppenfunktion des Netzwerkes zuzulassen. Benotungen und andere private Regelungen könnten dann, bis eine sichere Alternative entwickelt wurde, im regulären Mailverkehr bekannt gegeben werden. Entsprechend lockere Regelungen für die virtuellen Kommunikation setzen Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen. Mit Erfolg. In Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein geben sich die Verantwortlichen jedoch noch immer wenig verständnisvoll: Auch hier sind schon ähnliche Strukturierungen und Verbote wie in Rheinland-Pfalz getroffen worden − möglichen Kompromissen, fehlenden Alternativen und vorbereitenden Schülerprogrammen zum Trotz. Wo ist der Dislike-Button, wenn man ihn braucht?

Text: Clemens Leisegang, Grafik: Lydia Ullrich

<h3>Clemens Leisegang</h3>

Clemens Leisegang

Redakteur