Lokaljournalismus als Chance

von | 15. März 2012

Immer mehr Menschen beziehen ihre Informationen aus dem Internet. Die Auflagen von Tageszeitungen sinken stetig. Ist lokaler Inhalt eine Chance wettbewerbsfähig zu bleiben? Die von der „IVW“ veröffentlichten Verkaufszahlen der […]

Regionaler Journalismus der Zukunft funktioniert gedruckt und digital.

Regionaler Journalismus der Zukunft funktioniert gedruckt und digital.

Immer mehr Menschen beziehen ihre Informationen aus dem Internet. Die Auflagen von Tageszeitungen sinken stetig. Ist lokaler Inhalt eine Chance wettbewerbsfähig zu bleiben?

Die von der „IVW“ veröffentlichten Verkaufszahlen der deutschen Printmedien aus dem vierten Quartal 2011 bestätigen den langjährigen Trend: die Auflagen der Tageszeitungen sinken stetig um durchschnittlich drei Prozent. Ein Großteil der Zeitungsleser ist älter als 50 Jahre und die jüngere Generation bezieht die meisten ihrer Informationen über das Internet.

Noch vor 20 Jahren sind die Menschen mit ihrem Heimatblatt aufgewachsen, fühlten sich ihm verbunden und lasen täglich, um informiert zu sein. Die Tageszeitung war das schnellste, nichtflüchtige Medium und gehörte in jeden Haushalt. Heute ist die Situation komplett anders. Die Generation der Digital Natives wächst mit dem Internet auf, der Computerunterricht beginnt schon in der Grundschule und dass Zehnjährige schon ein eigenes Handy besitzen, ist keine Seltenheit mehr. Informationen aus aller Welt sind via Internet zu jeder Zeit und nahezu an jedem Ort abrufbar. Hat die traditionsreiche regionale Tageszeitung so überhaupt noch eine Chance gegen diese kostenlose, globalisierte Konkurrenz?

Schwächere Konkurrenz bei lokaler Berichterstattung

Schon lange werden Nachrichten nicht mehr nur über Printmedien verbreitet. Gerade bei nationalen und internationalen Themen ist der Wettbewerb sehr groß. Hier haben sich, neben den überregionalen Tageszeitungen, das Fernsehen und große Internetplattformen wie „Spiegel Online“ etabliert. Auch in der lokalen Berichterstattung sind Hörfunk, Fernsehen und Anzeigenblätter eine Konkurrenz für die Zeitung. „Ihren größten Vorteil spielen sie durch die Tatsache aus, dass sie kostenlos sind“, sagt Jochen Kampmann, Leseranwalt der „Rhein-Zeitung“. So müssen Verlagshäuser immer mehr auf Qualität und Umfang des Lokalteiles achten.

Die Chancen gegen diese kostenlosen Konkurrenten sind gut, denn regionale Fernsehsender werden nur wenig angeschaut, das Radio ist lediglich Begleitmedium und Anzeigenblätter haben keinen umfangreichen und aktuellen redaktionellen Teil. Außerdem fehlen ihnen die nötigen Mittel, um mit der Tageszeitung zu konkurrieren, denn lokale Inhalte sind teuer. „Wir sind oft Themensetzer, haben exklusive Informationen und einen sehr guten Ruf als Heimatzeitung. Die Menschen schätzen unsere Seriosität und vertrauen uns“, sagt etwa Thomas Pult, stellvertretender Chefredakteur der „Ostsee-Zeitung“, gegenüber medienMITTWEIDA. Auch Kampmann bestätigt diese Einschätzung: „Wenn Leser die Zeitung als ‚ihre‘ Zeitung begreifen, die für sie da ist, haben wir einen unschlagbaren Vorteil.“

„Freie Presse“ sucht Nähe zum Leser

Die „Freie Presse“ arbeitet seit einigen Jahren verstärkt an dieser Nähe zum Leser und hat eine Veränderung der Redaktionsstruktur hinter sich. War die Zeitung vor einiger Zeit noch nicht gerade für starke Lokalberichterstattung bekannt, werden nun in den 19 Lokalredaktionen wieder mehr Redakteure direkt vor Ort eingesetzt. Torsten Kleditzsch, Chefredakteur der „Freien Presse“, ist von dieser Strategie überzeugt: „Lokaler Content ist das entscheidende Kaufkriterium.“ Deswegen wird auch auf der Titelseite und im Mantelteil großer Wert auf Berichterstattung aus der Region gelegt.

Neben der Quantität wird der gute Ruf einer Heimatzeitung genauso durch die Qualität beeinflusst. „Fehler, seien es auch nur falsch geschriebene Namen oder Straßen, sind im Lokalteil besonders peinlich, weil fast jeder diese Fehler erkennt – und möglicherweise Rückschlüsse zieht, ob andere Angaben ebenso lückenhaft sind,“ so Kampmann. Sind die Berichte schlecht recherchiert, kann Lokaljournalismus daher anstatt zur Chance auch zum Problem einer Zeitung werden. Besondere Sorgfalt ist daher genauso unerlässlich wie eine schnelle Korrektur von Fehlern in der nächsten Ausgabe. Für die schnelle und transparente Richtigstellung hat die „Freie Presse“ etwa die Rubrik „falsch und richtig“ eingeführt.

Das Internet – Mehr Chance als Konkurrenz?

Trotz vielfach hoher journalistischer Qualität wird es dennoch immer schwerer den Leser zu erreichen. Zur ausgiebigen Lektüre einer Tageszeitung fehlt nicht nur jungen Leuten oftmals die Zeit. Zudem informieren sich viele Konsumenten über mobile Endgeräte im Internet. Es ist daher unerlässlich für Medienunternehmen, dass eigene Angebot möglichst crossmedial aufzustellen, um die Menschen zu erreichen. Dies beginnt bei einem übersichtlichen Internetauftritt und reicht bis zur gekonnten Social-Media-Präsenz. Die schnelle Nachrichtenaufnahme via Internet und die ausführliche Berichterstattung in der Zeitung sollten sich hier ergänzen. Die „Ostsee-Zeitung“ verbindet verstärkt Umfragen und Leseraktionen mit ihrem Online-Auftritt. So werden die Leser beispielsweise aufgefordert, ihr schönstes Urlaubsfoto einzusenden, die Besten werden dann abgedruckt.. Dies fördert vor allem die Bindung zum Leser, der aktiv die eigene Zeitung mitgestalten kann. Durch die Erfahrungen motiviert, will die „Ostsee Zeitung“ in den nächsten Monaten ihre Online-Aktivitäten weiter ausbauen.

Wie viele Tageszeitungen versucht auch die „Freie Presse“, sich mit dem Internet einen neuen Vertriebsweg für Inhalte aufzubauen. Chefredakteur Torsten Kleditzsch schränkt die Bemühungen allerdings ein: „Das Internet wird uns nicht retten. Die gedruckte Tageszeitung bleibt weiterhin unser Kerngeschäft.“ Das kostenpflichtige Angebot von E-Papern und Smartphone-Apps stellt trotzdem eine – wenn auch zunächst noch kleine – Einnahmequelle dar. Für Kleditzsch besteht die Gefahr für die Print-Häuser nicht im Internet an sich, sondern in der Kostenlosmentalität, die sich dort entwickelt hat. Den teuer recherchierten Inhalt der Zeitung im Internet zu verschenken, kommt für ihn im Gegensatz zu den großen Verlagen in den Neunzigern nicht in Frage. Die regionalen Texte sind bei der „Freien Presse“ von einer Bezahlschranke geschützt.

Text: Elisabeth Stiehler, Bild: Lisa Limbach, Bearbeitung: Robert Burghoff

<h3>Elisabeth Stiehler</h3>

Elisabeth Stiehler