Meinungsfreiheit im Kommentarbereich

von | 4. Juli 2014

Ob enttäuschter Kunde oder eifersüchtige Konkurrenten, die Kommentarbereiche auf Internet-Kaufportalen wie Amazon ermöglichen es, Unternehmen und Personen Schaden zuzufügen. Doch wie weit geht das Recht auf Meinungsfreiheit beim Verfasser und wo […]

Ob enttäuschter Kunde oder eifersüchtige Konkurrenten, die Kommentarbereiche auf Internet-Kaufportalen wie Amazon ermöglichen es, Unternehmen und Personen Schaden zuzufügen. Doch wie weit geht das Recht auf Meinungsfreiheit beim Verfasser und wo beginnt eine Straftat?

Ein Klick genügt und ein abfällig verfasster Kommentar über ein enttäuschendes Produkt wird für Millionen andere Nutzer und potentielle Käufer sichtbar. Der Betreiber einer Seite mit Kommentar- und Rezensionsbereichen handelt bei kritischen und ungebührlichen Kommentaren schnell, indem er solche entfernen lässt. Viele Verfasser sehen sich dabei in ihren Grundrechten verletzt und berufen sich auf das „Grundrecht auf Meinungsfreiheit„. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist das Recht in Artikel 5 (Teile gekürzt) festgehalten: (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.“ (2) „Dieses Recht findet seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“ Wie diesen Passagen zu entnehmen ist, findet die Meinungsfreiheit im Jugendschutz und im Recht der persönlichen Ehre ihre Grenzen, die in Foren, Blogs, Chats sowie Kommentar- und Rezensionsbereichen nicht überschritten werden dürfen.

70.000 € Schadensersatz für eine negative Bewertung

„Händler verklagt Kunden wegen schlechter Bewertung“, so titelte ZEIT ONLINE am 25. April 2014 einen ihrer Artikel. Ausgangspunkt für den Rechtsstreit war die Bestellung eines Kunden von einem Fliegengitter bei einem Amazon Marketplace-Händler. Nach Problemen bei der Montage und einer telefonischen Beschwerde beim Händler erfolgte eine Bewertung bei Amazon:

„Die Lieferung erfolgte schnell. Das war das Positive. In der Anleitung steht ganz klar, man muss den Innenrahmen messen, das ist falsch. Damit wird das Ganze zu kurz! Die Ware selbst macht einen guten, stabilen Eindruck; der Verkäufer nie wieder!“

Daraufhin drohte der Händler dem Kunden mit einer Klage. Der Betreiber der Amazon Marketplace-Website sperrte das Konto des Händlers aufgrund dieser Drohung. Rund 70.000 € soll der Betroffene vom Kunden verlangt haben, mit der Begründung, dass ihm seit der Sperrung Gewinne von 39.000 € entgangen sind, 13.000 €, die auf dem Amazon-Konto festgesetzt waren und weitere Schäden in Höhe von 20.000 €. Derzeit läuft die Verhandlung noch.

Solche Schlagzeilen verunsichern den Verbraucher. Eine gerechtfertigte negative Bewertung könnte künftig ausfallen, wenn der Kläger von Amazon Marketplace den Fall gewinnen wird. Die Aussagekraft der Bewertungen wird verfallen. Christian Solmecke, Rechtsanwalt für Medienrecht und IT-Recht, prognostiziert gegenüber FOCUS Online nur geringe Erfolgschancen für die Klage des Amazon-Händlers:

„Grundsätzlich darf im Internet jeder jeden bewerten.“

„Eine sichere Einkaufsumgebung hat für Amazon oberste Priorität“

Amazon äußerte sich bisher noch nicht zu dem Vorfall, stattdessen schrieb ein Sprecher in einer E-Mail an FOCUS Online:

„Eine sichere Einkaufsumgebung hat für Amazon oberste Priorität und Amazon duldet keinerlei Verstöße gegen die Teilnahmebedingungen unserer Verkaufsplattform. Sofern wir Hinweise bekommen, dass sich Verkäufer nicht an die Teilnahmebedingungen halten, bzw. die Verkäuferleistung nicht den von Amazon vorgegebenen Standards oder den Teilnahmebedingungen entspricht, prüfen wir das umgehend und leiten ggf. entsprechende Maßnahmen ein.“

Die Rezensionsrichtlinien für die korrekte Verfassung von Kundenrezensionen sind sehr umfassend. Über ein Dutzend Regeln umfassen den Bereich von verbotenen und nicht vorgesehenen Inhalten bei der Erstellung einer Bewertung. Drei Punkte hingegen legen fest, welche Inhalte verwendet werden dürfen. „Würden Sie wieder bei diesem Verkäufer einkaufen?“ Diese Frage erscheint bei der Bewertung von Marketplace-Verkäufern und zählt zu den Inhalten, die in einer Bewertung erlaubt sind. Der Punkt „Obszönitäten oder gehässige Bemerkungen“ verstößt jedoch gegen die Rezensionsrichtlinien und kann zur Folge tragen, nicht veröffentlicht zu werden. „Dieser Händler nie wieder“ ist laut einer Aussage des Rechtsanwalts Solmecke gegenüber FOCUS Online noch akzeptabel. Die Tatsachenbehauptung vom Kunden, dass die Montageanleitung falsch sei, kann jedoch vor Gericht auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Im Fall einer bewussten Falschaussage hätte er die Persönlichkeitsrechte des Händlers verletzt. „Das lässt sich leicht überprüfen, dann muss der Kunde dem Unternehmen alle Schäden ersetzen“, urteilt Rechtsanwalt Solmecke. Sollte der Kunde mit seiner Aussage aber Recht behalten, wird die Anklage gegen ihn fallen gelassen.

In vielen Kommentaren wird mit „Obszönitäten oder gehässigen Bemerkungen“ trotzdem nicht gespart. Wie das Augsburger Landgericht in diesem Fall entscheiden wird, ist noch offen. Klar ist, dass Kunden bei ihren Bewertungen vorsichtig sein müssen. Kritisch verfasste Bewertungen beeinflussen die Kaufentscheidungen und können den Umsatz einer Firma mindern. „Kunden sollten nie übertreiben oder lästern, nicht beleidigen und keine Schmähkritik üben. Wenn Tatsachen behauptet werden, müssen sie wahr sein. Wer normal und nüchtern bewertet, muss sich keine Sorgen machen.“ So der Rat Christian Solmeckes gegenüber RP-Online. Alle Bewertungen müssen stets der Wahrheit entsprechen.

Text: Tom Sipply. Grafik: Sarah Krause.

<h3>Tom Sipply</h3>

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