Einfach mal offline gehen

von | 4. September 2018

Nicht durchgängig und überall vernetzt sein, sondern der Onlinewelt den Rücken kehren - das ist Social Media Detox.

Digitales Fasten

Einfach mal offline gehen

von | 4. September 2018

Sendepause für Social Media. Foto: Lisa Müller

„Noch 148.713 Mails checken…“ – diese Zeile sang schon Tim Benzko in seinem Song „Nur noch kurz die Welt retten“. Wir leben im digitalen Zeitalter, einer komplexen und vernetzten Welt – täglich umgeben von einer Omnipräsenz des Elektrosmogs. Wer sich davon ein Stück weit lösen und nicht ständig erreichbar sein will, für den ist Social Media Detox eine Option.

Das Smartphone ist für viele immer mit dabei, denn laut einer Statista-Übersicht wird das Endgerät von 57 Millionen Deutschen genutzt. Am Morgen fungiert es als Wecker, über den Tag empfangen wir darüber die News aus aller Welt und tauschen uns in sozialen Netzwerken aus: Wir posten, liken, kommentieren – sind überall erreichbar.
Wann hast du das letzte Mal einen Tag ohne Facebook, Twitter, Instagramund Co. verbracht?

Social Media Detox – Was ist das eigentlich?

Der englische Begriff „Detox“ bedeutet Entgiftung und taucht häufig im Zusammenhang mit Ernährungsthemen auf. Der Körper soll durch den bewussten Verzicht bestimmter Nahrungsmittel entschlackt und von Schadstoffen befreit werden. Gleichzeitig sollen gezielt eingesetzte, gesunde Lebensmittel einen reinigenden Effekt hervorrufen.

Auf das Prinzip des Verzichts setzt auch das digitale Pendant. Für einen bestimmten Zeitraum geht es darum, sich bewusst ständiger Erreichbarkeit und ununterbrochener Vernetzung zu entziehen, also der Online-Welt den Rücken zu kehren und wortwörtlich abzuschalten. Ein Social Media Detox zielt somit darauf, ohne soziale Netzwerke auszukommen: Digital abstinent zu sein. Das heißt im Klartext: Keine Likes auf Facebookverteilen, sich nicht durch die neusten Bilder auf Instagramscrollen und auch kein Chatten bei WhatsApp. Laut einer Bitkom-Umfrage haben 44 Prozent der befragten Deutschen den bewussten Verzicht auf digitale Medien schon einmal ausprobiert.

Kein Trend ohne Gegentrend

Viele Trends kommen aus den USA, im digitalen Bereich besonders aus dem Silicon Valley.
Einige große Technikkonzerne wie Apple oder Facebookhaben dort ihren Standort. Neben den neusten Apps und Technologien der Onlinewelt, stammt der Trend des Digitalen Fastens ausgerechnet aus der Hauptstadt der Computerindustrie. Diese Tatsache mag im ersten Moment ironisch und kontrovers klingen, leuchtet aber anschließend ein. Durch die rasante Entwicklung neuer digitaler Tools entsteht ein Wettrennen um jeden Download und jeden Klick im Kampf um hohe Nutzungszahlen – auch bei den sozialen Plattformen. Der ehemalige Präsident von Facebook, Sean Parker, gibt zu: „Die Motivation bei der Entwicklung der frühen Applikationen – und Facebook war die Erste – war: Wie können wir so viel Zeit und Aufmerksamkeit der Nutzer wie möglich bekommen.“

An dem Ort, an dem digitale Geräte rund um die Uhr im Einsatz sind und das Internet als unabdingbare Voraussetzung gilt, mag es somit vielleicht einfach eine Frage der Zeit gewesen sein, bis sich eine Art Gegenbewegung entwickelt hat.

Mehr Energie durch weniger Netz

 Auch in Bezug auf die Umsetzungsmethoden einer digitalen Entgiftung ist Amerika Vorreiter.
Für diejenigen, die eine Auszeit von sozialen Netzwerken anstreben, gibt es sogenannte Digital-Detox-Camps. Dabei handelt es sich um eine Art Ferienlager, das darauf abzielt eine (neue) Balance zwischen realem und digitalem Leben zu schaffen. Inhalte sind beispielsweise Vorträge und Workshops zur Thematik sowie Analysen über das eigene Nutzungsverhalten von digitalen Medien. Außerdem sollen gemeinsame Aktivitäten wie Kochen, Yoga, Meditation und Wandern dabei helfen, die analoge Welt bewusst mit allen Sinnen wahrzunehmen. Entspannung und Stressabbau stehen im Vordergrund. Damit das Risiko eines Rückfalls gar nicht erst gegeben ist, verzichten die meisten Unterkünfte komplett auf digitale Geräte, auch Internetempfang sucht man vergeblich.

Diese besondere Art von Urlaub ist auch in Deutschland angekommen.
Einige Reiseunternehmen führen mittlerweile eine eigene Kategorie für Trips zur digitalen Auszeit. Inwiefern diese spezielle Urlaubsform erfolgreich ist, bleibt abzuwarten. Schließlich gaben bei einer aktuellen Übersicht von Statista 87 Prozent der befragten Deutschen an, im Urlaub nicht auf ihr Smartphone und die verbundenen Nutzungsmöglichkeiten verzichten zu wollen.

Digitale Helferlein – ein Widerspruch in sich?

Wer das digitale Entzugs-Phänomen für sich ausprobieren möchte, ohne seinen Urlaub dafür zu opfern, der kann auch auf andere Möglichkeiten zurückgreifen: Apps – klingt widersprüchlich, soll aber tatsächlich hilfreich sein. Mobile Anwendungsprogramme wie RealizD- Screen Time Tracker (für iOS und Android) messen das Nutzungsverhalten der verwendeten Applikationen auf dem Smartphone und geben eine Zusammenfassung über Häufigkeit der Benutzung und Verweildauer. Übersichtlich dargestellt in Statistiken, erhält man so einen konkreten Nachweis über den individuellen Internetkonsum. Darüber hinaus kann man auch ein tägliches Limit in Form eines Nutzungsalarms einstellen, wodurch die Verwendung des Smartphones eingeschränkt werden soll.
In erster Linie stellen solche Apps somit ein Mittel der Selbsterkenntnis dar. Daraufhin soll man dazu angeregt werden, seinen digitalen Konsum entsprechend anzupassen.

Alltagstipps für eine digitale Auszeit

Um die persönliche Nutzungsdauer von Social Media zu minimieren, gibt es weitere Tipps, die sich in den Alltag integrieren lassen und den ständigen Blick aufs Handy verhindern sollen:

  • Handy auf lautlos stellen und Push-Nachrichten deaktivieren.
    Damit soll verhindert werden, dass man durch ständiges Klingeln, Vibrieren oder durch das Aufleuchten des Displays automatisch sofort das Handy zückt und abgelenkt wird.
  • Bewusst Smartphone-freie Zeit einplanen und Räume festlegen,
    in denen das Handy tabu ist.
  • Smartphone auf Flugmodus stellen.
    Um zu checken was in der digitalen Welt so los ist, sind dann deutlich mehr Handgriffe nötig. Bei Vielen ist die Hemmschwelle zu hoch, man fühlt sich ertappt und das Handy verschwindet letztendlich doch wieder in der Tasche.

Bei wem das immer noch nicht reicht oder wer wirklich einen rigorosen Social Media Detox machen will, der kann die Apps auch einfach von seinem Smartphone deinstallieren oder das Handy komplett ausschalten.

Text und Titelbild: Lisa Müller

<h3>Lisa Müller</h3>

Lisa Müller

ist 22 Jahre alt und studiert an der Hochschule Mittweida Medienmanagement in der Vertiefung Journalismus. In diesem Semester leitet sie bei medienMITTWEIDA das Ressort Story.