Ein Haustier für unterwegs

Tamagotchi

von | 7. Juni 2019

Ein kleines digitales Plastikei löste in den 90er Jahren einen Hype bei der jungen Generation aus.

Paula wünscht sich einen Hund, aber ihre Eltern sind dagegen. Zu viel Zeit und Geld kosten die Vierbeiner. Außerdem ist es nahezu unmöglich, in einer kleinen Stadtwohnung ein solches Haustier zu halten. Aber dann kommt die Erfindung, die ihren Traum wahr werden lässt: Paulas Eltern schenken ihr ein digitales Haustier – ein Tamagotchi, welches in den 90er Jahren weltweit einen Hype auslöste.

1996 wurde das Tamagotchi in Japan erfunden. Die Idee dazu kam von der Bandai-Angestellten Aki Maita. Laut Computerbild wurde das digitale Spielzeug innerhalb weniger Monate in mehr als 24 Ländern verkauft und kam ein Jahr nach Verkaufsstart auch nach Deutschland. Weltweit wurden über 80 Millionen Stück verkauft. Grund für diesen Erfolg war, dass den Kindern, die sich ein Haustier wünschten, damit eine digitale Alternative geboten wurde. Sie konnten das Tamagotchi pflegen, wie man es auch bei einem echten Tier tat – und es dazu überallhin mitnehmen. Je nachdem, wie gut sich die Besitzer um ihre kleinen Gefährten kümmerten, entwickelten sich die Tamagotchis weiter und nahmen verschiedene Gestalten an. Wurden sie jedoch für längere Zeit aus den Augen gelassen, starben die kleinen Haustiere und man musste ein neues großziehen. Die Bedienung verlief über drei Knöpfe, durch die man es füttern, seine Häufchen beseitigen, Krankheiten heilen und mit ihm spielen konnte.

Der Hype um das Spielzeugei hielt jedoch nicht lange an – die Ursachen dafür seien laut Spiegel Online unklar. Es wird vermutet, dass die Besitzer den immer wiederkehrenden Tod ihrer Haustiere – oft auch durch eigenes Verschulden – nicht verkraften können. Das Tamagotchi geriet in Vergessenheit, bis 2004 eine Neuauflage herausgebracht wurde. Es ähnelte dem ursprünglichen Produkt, hinzu kam jedoch eine Infrarot-Schnittstelle, mit der man zwei Tamagotchis verbinden und sie eine Familie gründen lassen konnte. Sie feierten Hochzeit, der Bildschirm wurde kurzzeitig schwarz und dann tauchte neben dem ursprünglichen virtuellen Haustier ein Baby auf. Diese Neuentwicklung war nicht die einzige seit der ersten Erfindung des Tamagotchi. 2007 erschien Tamagotchi: Party-On für Wii und im Oktober 2017 kam eine kleinere Version des Plastikeis in limitierter Auflage in den Handel. Im März 2018 wurde die App My Tamagotchi Forever für Android und iOS veröffentlicht. Sie ist kostenlos erhältlich und versetzt das Tamagotchi in eine Welt voller Artgenossen, während es vorher nur einen kleinen Bildschirm zur Verfügung hatte. Aber die Weiterentwicklung der ursprünglichen Version von 1996 war damit noch nicht abgeschlossen. Im Januar 2019 erschien in Japan das Evoli-Tamagotchi. Statt des bekannten digitalen Gefährten erscheint nun ein Evoli-Pokémon auf dem Bildschirm des Plastikeis. Evoli verwandelt sich in der Pokémon-Welt in eine von 8 verschiedenen Weiterentwicklungen. Das kann es auch als Tamagotchi, wenn es gut gepflegt wird. Ob die Neuauflage jedoch auch nach Deutschland kommt, ist noch nicht bekannt.

Für die Kinder der 1990er Jahre war das Tamagotchi eine tolle Alternative. „Ein Haustier für die Hosentasche war toll. Vor allem, wenn man kein echtes haben durfte“, erinnert sich Isabell Schlatz aus Deutschland gegenüber Spiegel Online. Einige Psychologen in Japan waren allerdings gegen das digitale Haustier. Es führe zur sozialen Isolierung und zur Verrohung, da der Tod dargestellt werde. Auch in Deutschland traf das Spiel auf die Skepsis der Eltern, Fachleute und Pädagogen. Spiegel Online zufolge behaupte der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V., Tamagotchis führen „zum viel zu frühen Abschied von Hoffnungen, Träumen, Mythen, Sagen und Legenden“ und die Besitzer seien der „beherrschenden Präsenz“ ihrer virtuellen Begleiter ausgesetzt.

Heutzutage gibt es viele Apps, die dem Tamagotchi ähneln, wie beispielsweise Pou oder Mein kleines Haustier. Somit hat der Kult der 90er Jahre vermutlich heute noch Einfluss auf die Spieleindustrie, auch wenn das Spielzeugei selbst kaum noch in der Hand eines Kindes zu finden ist. Kinder lieben es, sich um ein Tier oder Wesen zu kümmern und es aufzuziehen. Solange das so bleibt, wird das Prinzip des Tamagotchi bei der Entwicklung von Spielen und Apps wohl immer präsent sein.

Text und Foto: Lisa Kwahs

<h3>Lisa Kwahs</h3>

Lisa Kwahs

ist 21 Jahre alt und kommt aus Chemnitz. Sie studiert Medienmanagement im 5. Semester und ist Teil des Technik-Teams von medienMITTWEIDA.