Sensationell falsch – dem Hoax auf der Spur

von | 12. Mai 2015

Katzen mit Quadratschädel zu verkaufen? iPhone in der Mikrowelle laden? Alle nordkoreanischen Studenten müssen die Frisur ihres Führers Kim Jong-un tragen? Hunderte Falschmeldungen wie diese kursieren im Netz. Aber sind solche […]

Katzen mit Quadratschädel zu verkaufen? iPhone in der Mikrowelle laden? Alle nordkoreanischen Studenten müssen die Frisur ihres Führers Kim Jong-un tragen? Hunderte Falschmeldungen wie diese kursieren im Netz.

Aber sind solche Stories wirklich glaubhaft? Warum werden manche zur Sensation? Und wie verbreiten sie sich überhaupt?

“Menschen, Tiere, Sensationen: Wir teilen gerne Aufreger” – so der Teaser zum Panel “Hoax-Kampagnen: Opium fürs Empörungsvolk” auf der diesjährigen re:publica in Berlin. Auf sehr unterhaltsame Weise stellten die Referenten Christian Schiffer und Deef Pirmasens sogenannte Hoax-Kampagnen vor.

Hoax – was ist das überhaupt?

Der Begriff “Hoax” wird übersetzt als Scherz, Jux, Schwindel oder Ente. In der Werbebranche ist ein Hoax eine gezielte Falschmeldung, falsche Information oder Botschaft, die aber für wahr gehalten und somit an Freunde, Verwandte und Familie weiterverbreitet wird. Eine Story müsse „teilenswert und glaubhaft“ sein, um Erfolg zu haben, so die Referenten. Über Facebook, Twitter und Whatsapp werden diese Nachrichten dann unter die Leute gebracht und entwickeln sich zum Selbstläufer.

So wird eine Lügengeschichte zum Erfolg

Ein Hoax sollte eine gute, emotionale Story erzählen, geschickt platziert und von einem glaubwürdigen Absender getragen werden. Besonders wichtig sei der sogenannte “Social-Media-Buzz”, so die Referenten: Die Medien müssen “aufspringen” und berichten. Auch im Bereich Marketing und PR werden solche Kampagnen inszeniert. Dabei wird unterschieden zwischen Zufalls-, politisch motivierten, Spaß- oder „False Flag“-Hoaxes.

Erste Regel: Aufsehen erregen

Im Juli 2014 verbreitete sich die Nachricht, dass in Kleidungsstücken der irischen Billig-Modekette Primark Hilferufe von chinesischen Zwangsarbeitern eingenäht seien. Der Fall schien glaubhaft. Immerhin verkauft das Unternehmen Kleidung für Spottpreise und lässt wie seine Konkurrenten Kik und H&M in Billiglohn-Ländern produzieren. Die Medien stürzten sich also auf das Thema, doch dann stellte sich heraus: Nur ein politisch motivierter Hoax! Bei den angeblichen Briefen soll es sich um Fälschungen handeln, so sueddeutsche.de.

Ein besonders absurdes Werbebeispiel der Kategorie „Spaß-Hoax“ ist die Mikrowellen-Kampagne um’s iPhone. Auf Twitter kursierte im letzten Jahr eine Werbung im Apple-Design, die ein verstecktes Tool bei iOS8 anpreist: Damit könne das iPhone besonders schnell in “70 Sekunden bei 800 Watt” und drahtlos in der Mikrowelle geladen werden.

Die User reagierten mit vielen amüsierten Kommentaren und doch verbreitete sich die Story schnell.

https://twitter.com/neIIaf/status/512627909023248384

Auch auf YouTube sind einige Hoaxes zu finden. Besonders beliebt bei den Usern sind Tiervideos. Eine PR-Agentur knüpfte dort an und inszenierte einen regelrechten Hype um die Katze Tara aus Kalifornien. Diese hatte angeblich einen kleinen Jungen vor dem Nachbarhund gerettet und wurde so zur Heldin. Das Video “My Cat Saved My Son” wurde über 24 Millionen Mal angeklickt. Tausende teilten die Story über soziale Netzwerke. Es folgten unter anderem eine Internetseite sowie Auftritte der Katze in US-amerikanischen Talkshows. Schließlich durfte Tara sogar ein Baseballspiel der „Bakersfield Blaze“ eröffnen. Auch deutsche Medien wie SPIEGEL ONLINE berichteten über diese unglaubliche Erfolgsgeschichte. Doch dann kam raus: Alles nur ein „PR-Stunt“. Nach Recherchen der deutschen Journalistin Gabriele Hooffacker nutzte die PR-Agentur die große Aufmerksamkeit, um die umstrittene Gasfördertechnik Fracking zu bewerben, so fuldaerzeitung.de. Die Macher wurden ertappt, denn im neu erstellten YouTube-Channel wurden andere Fracking-Videos geliked.

Sind Hoaxes legitim?

Auch die E-Mails-Postfächer sind von Hoax-Kampagnen betroffen, oftmals sind es Spendenaufrufe, Geldgeschenke oder Warnungen vor „gefährlichen Viren“. Sätze wie „Wir schenken Ihnen Geld“ oder „Mit Ihrer Spende ermöglichen Sie einem kleinen Mädchen eine lebensrettende Krebs-Operation“ sollten äußerst mysteriös erscheinen. „Charity-Hoaxes“ sind ein absolutes „No-Go“. Im November 2014 wurden WhatsApp-User aufgefordert, ein bestimmtes Kerzenbild als Profilbild zu verwenden, um Solidarität für krebskranke Kinder zu zeigen. Allerdings war das Bild urheberrechtlich geschützt und führte zu Abmahnungen.

Ein Hoax kann dann legitim sein, wenn er keinen Schaden verursacht und dies nicht zur „Vermüllung des Internets“ führt. Je mehr Fake-Content kursiert, umso unglaubwürdiger wird das Internet auch als Informationsmedium.

Hoax – ja oder nein?

Eine Kampagne oder Meldung erscheint absurd? Dann gilt es, zunächst die Quellen zu prüfen. Erst danach sollte eine Weiterverbreitung erfolgen. Übrigens: Die TU Berlin pflegt eine Liste mit bereits bekannten Hoax-Kampagnen.

Ob inszeniert oder zufällig, letztendlich haben die Leser die Aufgabe, solche schrägen Geschichten in Frage zu stellen. Insbesondere Themen, die zur Sensationslust beitragen oder für Empörung sorgen, finden heute besondere Aufmerksamkeit und sollten auf Glaubwürdigkeit geprüft werden.

Text: Christine Wolf, Louisa Bandura. Beitragsbild: Christine Wolf.

<h3>Christine Wolf</h3>

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