Sinnlose Tabletsucht

von | 5. Januar 2012

Auch nach Weihnachten ist das Angebot auf dem immer noch kleinen Tablet-Markt zu groß. Der mediale Boom ist unbegründet, die Idee seit langem erfolglos, kommentiert Julius Guzy.

Die ersten Gefühle der Freude über die Weihnachtsgeschenke 2011 ist bereits vorüber. Die Tweets, Forenbeiträge und Anzeigen von Verkaufsangeboten und Umtauschmeldungen für Tablet-PCs häufen sich. Nach anfänglicher Euphorie stellt sich derzeit schnell heraus, das ein Tablet-PC nichts neues bietet, auch wenn das Produkt immer als wahre Innovation angepriesen wird.

Tablets dienen als Flaggschiff ihrer Hersteller, doch nicht nur die Anbieter wollen mit größerem Bildschirm aber fehlenden innovativen Konzepten mitverdienen: Lebensmittelkonzerne, Elektronikhersteller und Start-Ups drängen auf einen Markt, der vernachlässigbar klein ist. Gerade mal zwei Prozent der Deutschen gehen mit einem Tablet ins Internet. Mit der vorherrschenden Ideenlosigkeit aber kommt die App-Branche über das Stadium der ersten Faszination nicht hinaus.

Technik setzte sich schon in Neunzigern nicht durch

Die Tablets an sich sind ohnehin nichts neues: Erste Versuche, solche Computer zu etablieren, sind schon in den Neunziger Jahren gescheitert. „Stets versucht, stets gescheitert. Egal. Versuchs noch einmal. Scheitere erneut. Scheitere besser“, schrieb schon Samuel Beckett in seinem Theaterstück „Warten auf Godot“. Obwohl er die Ankunft von tragbaren, berührungsempfindlichen Computern noch nicht vorhersehen konnte, das Tablet-Prinzip hat er damit schon zusammengefasst.

Der Durchbruch kam mit „Apple“ dann ganz überraschend. Seitdem werden dem Elektronik-Giganten auch fehlende Features wie zum Beispiel die USB-Unterstützung verziehen. Wenn es darum geht, die neuesten Produkte zu kaufen, legt die IT-Generation trotzdem einen regelrechten Kadavergehorsam an den Tag. Das ist falsch, denn hätten die Menschen die Courage zu warten und nicht gleich nach jedem „Apple“-Produkt zu gieren, müsste der Hersteller notgedrungen auch bei seiner USB- und Flash-Verweigerung Eingeständnisse machen.

Mut zur Lücke

Fast wöchentlich erscheinen Meldungen über neue Tablets in den unterschiedlichsten Preisklassen. Die Hersteller sind sich also einig, dass die Lücke zwischen Mobiltelefon und Computer geschlossen werden muss. Ans Ohr halten lässt sich ein Gerät mit rund 20 Zentimeter Bildschirm-Diagonale kaum und eine Tastatur bietet nur ein Gerät. Das Totschlagargument der marketingschlauen Hersteller: Mit Tablets lässt sich unglaublich schnell und effektiv arbeiten. Selbst der beste Vibrationsmotor bietet aber keinen Ersatz für das taktile Erlebnis der Tastatur.

Tablets sind kein vollwertiges Arbeitsgerät. Auch das Privatleben kann es nur in den wenigsten Situationen bereichern: Ein gemütlicher Videoabend mit Freunden vor dem neuen Tablet? Der Kuschelfaktor dürfte durchaus hoch ausfallen, das Ansehen als Gastgeber weniger. Wobei das zweistündige Halten eines guten halben Kilos schon ein gutes Training für die Unterarme sein dürfte.

Tablets sind nur ein Spielzeug

Abgesehen davon ist auch nicht alles schlecht. Das Mobile-Game „Angry Birds“ spielt sich zum Beispiel auf einem Tablet einfach besser als auf einem Mobiltelefon. Vielleicht ist das ja auch der wahre Nutzen eines Tablets. Ein großes Spielzeug für Kinder jeden Alters – diesen Anschein erwecken auch zahlreiche Videos, die im Internet kursieren.

Irgendwann werden aber auch Tablets wieder verschwinden. Ähnlich wie andere Lückentechnologien, etwa Trackbälle, elektronische Organizer oder Zip-Disketten. Der nächste Trend, „Ultrabook“, steht nämlich bereits in den Startlöchern. Wenn die Branche beim Ultrabook auch wirklich kreativer denkt und nicht nur lieblose Software nachschiebt, dann könnte zumindest das neueste Gadget auch auf den zweiten Blick überzeugen.

<h3>Julius Guzy</h3>

Julius Guzy