Streaming-Plattformen

Ein Star geht auf

von | 6. Februar 2021

Wie das familienfreundliche Disney+ jetzt auch FSK18-Inhalte zeigen wird.

In diesem Monat will die Walt Disney Company neben Disney+ ihr bisheriges Streamingangebot auf dem deutschen Video-on-Demand-Markt ausbauen. Unter dem Namen „Star“ sollen Inhalte des US-amerikanischen Anbieters Hulu nach Deutschland kommen und als Erweiterung für all die Angebote dienen, die aus dem familienfreundlichen Konzept von Disney+ entfallen.

Hulu ist ein US-amerikanischer Streamingdienst, der Filme und Serien sowie Live- und On-Demand-TV anbietet. Außerdem werden Live-Nachrichten, Unterhaltungs- und Sportangebote von acht Anbietern bereitgestellt, darunter 21st Century Fox, NBC Universal und CBS. Gegründet wurde Hulu im Jahr 2007 als Joint Venture zwischen der Comcast-Tochter NBCUniversal und der News Corporation, dem Vorgänger von 21st Century Fox. Ein Joint Venture ist dabei ein Zusammenschluss von Unternehmen, um gemeinsam ein Projekt durchzuführen. Später beteiligten sich auch die Walt Disney Company und Providence Equity Partners mit TimeWarner, seit 2018 WarnerMedia genannt.

Zum heutigen Zeitpunkt besitzen jedoch lediglich die Walt Disney Company und Comcast den Streaming-Dienst Hulu. 2019 hat Walt Disney große Anteile von 21st Century Fox aufgekauft und besitzt nun mit mehr als 60 Prozent die Mehrheit der Anteile an Hulu. Zum selben Zeitpunkt hat Time Warner seine neun Prozent an Hulu für 1,43 Milliarden Dollar zurück verkauft und ist damit ausgestiegen. Da Walt Disney die Hauptanteile besitzt, steht ihnen auch das höhere Bestimmungsrecht zu.

Von der Mediathek zum Video-on-Demand-Anbieter

Nach der Gründung führte Hulu eine sogenannte Beta Phase für eingeladene Nutzer durch, wobei das zukünftige Angebot geprüft und auf Fehler getestet wurde. 2008 wurde der Streaming-Dienst schließlich veröffentlicht. Zu den Inhalten zählten Fernsehinhalte von amerikanischen Fernsehsendern wie CBS, NBC oder Fox. Ein Tag nach der Ausstrahlung im Fernsehen standen diese auf Hulu zur Verfügung. Bis 2010 wurde dieses Angebot werbefinanziert und damit kostenfrei für den Nutzer bereitgestellt. Ab 2010 bot Hulu sein erstes Abonnement an, Hulu Plus, gefolgt von einem werbefreien Angebot im Jahr 2015. Zwei Jahre später führte das Unternehmen Live-TV ein und war damit der erste Streamingdienst, der Live-TV und Video-on-Demand, kurz VoD, in einem Angebot bereitstellte. Nach der Übernahme der Hauptanteile durch die Walt Disney Company hat diese Mitte 2020 verkündet, mit Hulu expandieren zu wollen. Diese Ankündigung bestätigte sich allerdings nicht, da Disney mit dem Kauf von 21st Century Fox auch den indischen Streamingdienst „Star India“ erwarb. Statt mit einem weiteren Anbieter den europäischen Markt zu betreten, wird es neben Marvel und Co. eine sechste Kachel namens „Star“ geben. Ab dem 23. Februar sollen Hulus Produktionen und viele Inhalte von 20th Century Studio in Deutschland verfügbar werden. Es wird ein Kombinationspaket mit Disney+ entstehen und eine Preissteigerung auf 8,99 € vorgenommen.

Seit 2011 produziert das Unternehmen sogenannte Hulu-Originals. Die erste Eigenproduktion war die TV-Serie „A day in the life“ und wurde im September 2011 veröffentlicht. Darauf folgten teilweise sehr erfolgreiche Eigenproduktionen, wie zum Beispiel die Serie „The Handmaid’s Tale“ oder „The Act“. Eine der jüngsten Produktionen ist „Little Fires Everywhere“, die, gemeinsam mit den vorher genannten Serien, in Deutschland exklusiv auf Amazon Prime Video zur Verfügung steht. Da diese Lizenzen an Amazon Prime vergeben sind, könne man davon ausgehen, dass die Inhalte bis zum Ablauf der Lizenz nicht auf Star oder Disney+ verfügbar seien. Das könne sich erst in den folgen Monaten oder Jahren ändern, so Ren Kühn von SerienFlash. Anders sieht es bei Netflix aus. Mit der Veröffentlichung von Star werden manche Serien und Filme dort nicht mehr zu finden sein.

Diese Netflix-Inhalte werden bald bei Star laufen
Serien Filme
  • 24
  • Akte X – Die unheimlichen
  • American Dad
  • Atlanta
  • Black-ish
  • Desperate Housewives
  • Family Guy
  • Fälle des FBI
  • Glee
  • How I Met Your Mother
  • Lost
  • Prison Break
  • Scrubs – Die Anfänger
  • The Walking Dead
  • Borat
  • Die Royal Tenenbaums
  • Deadpool
  • Der Teufel trägt Prada
  • Grand Budapest Hotel
  • Logan – The Wolverine
  • Moulin Rouge
  • Planet der Affen-Reihe
  • Stirb Langsam-Reihe

Im Schatten von Netflix

Netflix ist seit seiner Veröffentlichung im April 1998 mit einem Bezahlsystem versehen und stieg 2007 in das VoD-Geschäft ein. Seit 2015 produziert auch Netflix eigene Serien und Filme. Die Nutzerzahlen sind in den letzten zehn Jahren gestiegen. Mittlerweile sollen weltweit über 200 Millionen zahlende Mitglieder die Plattform abonniert haben. Seit 2014 ist Netflix in Deutschland und großen Teilen Europas verfügbar. Da auch Hulu sich über die Jahre verändern müsse, habe sich der Dienst immer weiter an seinen Konkurrenten angeglichen, so SerienFlash. Der Streaming-Dienst ist seit 2016, ebenso wie Netflix, ausschließlich über ein Abonnement erwerbbar und nicht mehr kostenfrei zugänglich. Dabei kann der potenzielle Nutzer zwischen zwei Abo-Modellen entscheiden. Das günstigere Modell wird für 5,99 Dollar angeboten und ermöglicht Zugang zu allen Serien. Für 44,99 Dollar pro Monat bekommt man zusätzlich zu den bereits vorhandenen Inhalten auch Live-TV angeboten. Der Nutzer kann so ohne Kabelanbindung das aktuelle Fernsehprogramm schauen. In beiden Modellen lassen sich zusätzlich einzelne Kanäle hinzubuchen. Die Option des Live-TV ist Hulus Alleinstellungsmerkmal auf dem amerikanischen Markt, hätte allerdings eine Expansion erschweren können, da die Live-TV-Inhalte auf das amerikanische Fernsehen beschränkt sein könnten. Trotz des exklusiven Angebots liegt Hulu mit den Nutzerzahlen in den USA 2018 weit hinter Netflix. 55 Millionen Nutzer abonnieren in den USA Hulu. Das ist gerade mal ein Drittel der Nutzerzahlen, die Netflix erreicht.

Disneys Marionetten

Disney hat bereits sehr großes Interesse an Hulu gezeigt. Ursprünglich wollte Disney auch die neun Prozent von TimeWarner aufkaufen. Dieser Deal kam allerdings nie zustande. Mit der Betriebskontrolle über das Unternehmen kann die Walt Disney Company ihr Streaming-Portfolio weiter ausbauen. Neben Disney+ und Hulu besitzt das Medienunternehmen auch die Sportstreaming-App ESPN+. In den Vereinigten Staaten wird bereits ein kombiniertes Abonnement aus den drei Angeboten vertrieben. Während auf Disney+ familienfreundliche Inhalte angeboten werden, bekommt die neue Sparte Star” eine erwachsene Ausrichtung. Einfach gesagt: Alles, was nicht in das familienfreundliche Konzept von Disney+ passt, läuft künftig auf Star. Das trifft vor allem auf die Filme und Serien zu, die unter 21st Century Fox gedreht wurden, da diese nach dem Aufkauf durch Disney auch deren Eigentum wurden. „Deadpool“, „The Kingsman“ und „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ sind nur einige Beispiele aus den Filmproduktionen unter dem Dach von 21st Century Fox. Die dafür zuständige Filmproduktionsgesellschaft, 20th Century Fox, ist ein Unternehmensbereich von 21st Century Fox, der bei der Übernahme durch die Walt Disney Company übertragen wurde. Disney baut mit diesen Inhalten seine Stellung im weltweiten VoD-Markt weiter aus. So schreibt das Unternehmen in seiner Zusammenfassung zum Investor Day 2020: „Disney+ with Star brings subscribers”, was übersetzt „Disney+ mit Star bringt Abonnenten” bedeutet. Unter diesem Punkt gehen sie darauf ein, dass alle Inhalte, die von Disney angehörigen Studios produziert wurden, bis innerhalb eines Jahres über Star veröffentlicht werden. Beim Start von Star sollen 276 neue Filme und 55 Serien erhältlich sein, darunter auch „Der Marsianer”, „Scrubs – Die Anfänger” oder „Family Guy”.

Übernahme von 21st Century Fox
Ursprünglich entstand 21st Century Fox durch die Aufspaltung der News Corporation. Im März 2019 löste sich das US-Amerikanische Medienunternehmen, nach dem Kauf großer Teile durch die Walt Disney Company, auf. Teile, die nicht von Disney gekauft wurden, firmten neu als Fox Corporation. 71 Milliarden US-Dollar (ca. 62,8 Milliarden Euro) soll die Übernahme gekostet haben. Damit wurden viele Unternehmensbereiche, unter anderem 20th Century Fox, mehrere Fernsehsender und viele weitere Beteiligungen, wie der Namensgeber Star India, von der Walt Disney Company aufgekauft. Die Filmproduktionsgesellschaft 20th Century Fox wurde unter der Leitung von Disney im Januar 2020 zu 20th Century Studios umbenannt.

Eine Kampfansage an Netflix?

Seit der Veröffentlichung von Disney+ im November 2019 sind die Nutzerzahlen stark angestiegen. In etwas mehr als einem Jahr soll der VoD-Anbieter bis Dezember 2020 somit weltweit über 86,8 Millionen Abonnenten generiert haben. Netflix schaffte es vergleichsweise innerhalb von mehr als einem Jahrzehnt auf 200 Millionen Nutzer. Während des virtuellen Investor Day 2020 am 10. Dezember 2020 erklärte Disney, dass Hulus Inhalte auch außerhalb von Amerika zugänglich gemacht werden sollen, um die Nutzerzahlen weiter zu steigern. Der Plan sei es, innerhalb von vier Jahren, weltweit 300 bis 350 Millionen Abonnenten mit all seinen Streaming-Angeboten zu generieren. Dazu werden auch einige Produktionen abgezogen, die bisher auf Netflix laufen. Laut dem Marketing-Magazin Galaxus soll Star ab dem 23. Februar 2021 in Deutschland verfügbar sein. Abonnenten von Disney+ werden das Angebot als sechste Kachel neben den bestehenden angezeigt bekommen. 

So wird Star bei Disney+ eingebunden. Quelle: Disney

Allerdings soll mit dem neuen Angebot auch der Preis steigen: In Deutschland zahlen Nutzer von Disney+ in Zukunft 8,99 Euro pro Monat oder 89,99 Euro pro Jahr. Das gilt für alle Abonnements, die nach der Veröffentlichung von Star abgeschlossen werden. Für monatlich zahlende Nutzer, die bereits ein Disney+ Abonnement besitzen, soll der Preis für die kommenden sechs Monate nicht ansteigen. Hat man ein Jahres-Abo, könne in diesem Jahr eine Verlängerung des Abonnements zum gewohnten Preis möglich sein. Ab dem darauffolgenden Jahr würde der neue Preis von 89,99 Euro anfallen, so Kühn. Familienfreundlich soll Disney+ dennoch bleiben. Die Star-Kachel kann ausgeschaltet und mit einer PIN geschützt werden.

Zusammengenommen hat Disney mit all seinen Streaming-Angeboten weltweit 137 Abonnenten. Das berichtet auch der Finanzen Verlag. Des Weiteren verkündet das Magazin im Dezember 2020 den höchsten Stand der Disney Aktie seit Beginn. Grund dafür soll das schnelle Wachstum von Disney+ sein sowie die ambitionierten Ziele bis 2024. Sowohl Goldman Sachs-Analysten, als auch Anlieger seien positiv gestimmt. Nach Angaben der Zeitschrift erklärt John Hodulik vom dem Finanzdienstleistungsunternehmen UBS, Walt Disney sei am besten aufgestellt, um als traditionelles Medienunternehmen mit den Tech-Riesen weltweit zu konkurrieren.

Bye Bye, Netflix?

von Leon Heyde | 15. November 2019
Netflix, AppleTV+, Disney+: Wer erobert die Streaming-Spitze und wie wird der Markt reagieren? Ein Interview.

Text: Maria Marle, Titelbild: Josy Schreier

Kommentar des Autors

Teil einer größeren Strategie

Das scheint das Erfolgskonzept von Disney zu sein. Der Bekanntheitsgrad des Unternehmens spielt dem Mega-Konzern bereits mit Disney+ viele Nutzer ein. Auch mit Hulu scheint Disney große Pläne zu haben. Nun können dessen Inhalte über Star unter der eigenen Marke außerhalb der USA vertrieben werden. Die Strategie von Disney ist clever. Der VoD-Markt ist auf den ersten Blick ausgeschöpft und die Einführung eines neuen Players bringt viele Hürden mit sich. Da Star allerdings dem bestehenden Angebot Disney+ hinzugefügt wird, kann dessen Stellung am Markt ausgebaut und gefestigt werden. Es spricht außerdem einen größeren Nutzerkreis an, da auch Filme und Serien angeboten werden, die aus Disneys familienfreundlichem Konzept herausfallen, wie zum Beispiel “Family Guy”. Eine Preiserhöhung ist für die Bündelung der Programme durchaus gerechtfertigt. Doch Disney scheint diese strategisch zu nutzen. Durch die langfristige Ankündigung, dass man die Preise erhöhe, bekommt der potenzielle Nutzer das Gefühl, ein Angebot zu verpassen, falls er die Kaufentscheidung nicht trifft. Diese Strategie wird bestehende Kunden von Disney+ länger halten und neue anlocken. In Deutschland teilen sich bisher Netflix und Amazon den Markt relativ gleich untereinander auf. Doch Disney scheint mit seiner Strategie dieses Gleichgewicht ins Wanken bringen zu wollen. Wenn Familien-Inhalte das nicht schaffen, muss sich der Konzern eben breiter aufstellen. In Zukunft müssen deutsche Nutzer also vielleicht bald drei Abonnements gleichzeitig abschließen. Immerhin müssen sich alle Player mit exklusiven Inhalten beweisen.

<h3>Maria Marle</h3>

Maria Marle

ist 22 Jahre alt und studiert Medienmanagement im 5. Semester mit der Vertiefung Media and Economics an der Hochschule Mittweida, kommt aus Pirna, Leitung des Team Technik von medienMITTWEIDA