Tablet statt Hörsaal

von | 24. April 2013

„Massive Open Online Course“ – kurz „MOOC“ – ist ein Trend aus den USA. Eine Vielzahl von Teilnehmern absolvieren dort kostenlose, frei zugängliche Universitäts-Onlinekurse. Auch in Deutschland setzen mittlerweile viele Einrichtungen auf […]

„Massive Open Online Course“ bietet Studenten die Möglichkeit, die Vorlesung auch außerhalb des Hörsaals zu verfolgen.

„Massive Open Online Course“ bietet Studenten die Möglichkeit, die Vorlesung auch außerhalb des Hörsaals zu verfolgen.

„Massive Open Online Course“ – kurz „MOOC“ – ist ein Trend aus den USA. Eine Vielzahl von Teilnehmern absolvieren dort kostenlose, frei zugängliche Universitäts-Onlinekurse. Auch in Deutschland setzen mittlerweile viele Einrichtungen auf diese Art von Vorlesungen und Seminaren.

Ein großer Saal mit vielen gespannten Zuhörern – auf diese Art und Weise finden Vorträge, Seminare und Lesungen für gewöhnlich statt. Doch immer mehr Menschen verfolgen Lehrveranstaltungen via Laptop, Tablet oder PC vom Ort ihrer Wahl. Im Gegensatz zu der klassischen Wissensvermittlung und Aufnahme des neu Gelernten direkt in der Universität oder der Hochschule. Bei „Massive Open Online Courses“ handelt es sich um rein webbasierte Kurse, die frei und ortsunabhängig zugänglich sind und auf verschiedene Onlinetools zurückgreifen.

Die Anfänge der „Massive Open Online Courses“

Als erster „MOOC“ gilt der von den kanadischen E-Learning-Experten Stephen Downes und George Siemens 2008 durchgeführte offene Online-Kurs „Connectivism and Connective Knowledge“. Die Teilnehmenden legten selbst ihre Lernziele fest und steuerten eigenen Inhalte per Blog, RSS und weiteren Formaten bei.

Ende 2011 wurden erstmals drei Informatik-Kurse der Stanford-Universität als offene Online-Kurse angeboten, die so konzipiert waren, dass sie aus einem Wechsel von kurzen Video-Sequenzen und anschließenden Multiple-Choice-Fragen bestanden. Bereits an diesen ersten Kursen nahmen weltweit 90.000 Personen teil. Folgekurse erreichten bis zu 160.000 Personen.

Differenzierung der „MOOC’s“

Grundsätzlich wird zwischen zwei verschiedenen Formen unterschieden: Die erste Variante sind „Extension MOOC’s“ (xMOOC),  welche klare Lernziele haben. Die Veranstalter stellen meist wöchentliche Inputs in Form von Vorträgen, Vorlesungen oder Videos durch einen Hochschullehrenden bereit. Dazu werden Aufgaben zur Bearbeitung gestellt.

Die zweite Form hingegen bilden „Connectivism MOOC’s“ (cMOOC). Sie sind seminarähnlich und auf die Anforderungen des digitalen Zeitalters ausgelegt. Teilnehmer und Veranstalter kommunizieren hier über Laptop, Tablet, Soziale Netzwerke, Blogs und weitere Tools. Der Schwerpunkt liegt also auf der aktiven Beteiligung der Kursteilnehmer. Das bedeutet, es wird zwar thematischen Schwerpunkten mithilfe eines Curriculums gefolgt, Lernziele und Struktur sind aber offener gestaltet.

„Udacity“ – E-Learning Plattform auf Erfolgskurs

Als weitreichend bekanntes Portal gilt „Udacity“, eine private Online-Akademie mit dem Funktionsprinzip eines „xMOOC’s“. Gegründet wurde die Akademie unter anderem von Sebastian Thrun. Der deutschstämmige Experte für künstliche Intelligenz gab für das 2012 gestartete Projekt seine Stelle als Professor in Stanford auf. Heute arbeitet er bei „Udacity“ als Research Professor.

Die Video-Sessions werden jeweils von Professor Thrun oder Gastdozenten renommierter US-Universitäten abgehalten. Das Angebot ist kostenlos, die Zertifikate ebenfalls. Schwerpunktmäßig drehen sich die Kurse um Informatik und Programmierung.

Da alle Materialien sofort zur Verfügung stehen, ist die Zeiteinteilung frei. Am Ende kann eine Prüfung absolviert werden – und das beliebig oft. Bereits 23.000 Teilnehmer haben Kurse bei „Udacity“ erfolgreich absolviert.

Vom Professor zum Star

Jörn Loviscach, Professor für Ingenieurmathematik und technische Informatik, unterrichtet für „Udacity“. Nach seinem Wechsel von der Hochschule Bremen an die Fachhochschule Bielefeld gab es in seiner Mathematik-Veranstaltung einige Nachholer aus höheren Semestern. Deshalb hat er begonnen, seine Vorlesungen mitzuschneiden und online zu stellen. „Das hat dann Kreise gezogen“, berichtet Loviscach. Über sechs Millionen Mal wurden seine knapp 2.000 Mathematik- und Informatiklektionen auf Youtube angeklickt.

Auch an der Fakultät Medien der Hochschule Mittweida werden Studierenden Online-Seminare zum Nacharbeiten angeboten. Mit seiner Lehrverpflichtung zum Schwerpunktthema HTML und CSS begann Professor Peter Will, Videoaufzeichnungen seiner Lehrveranstaltung zur Verfügung zu stellen. „Das elektronische Angebot erreicht alle, Novizen und Halbprofis, jederzeit an jedem Ort“, erklärt der Professor seine Methodik.

Einmal angefangen, baute er das Projekt immer weiter aus, indem er auch Unterlagen, Skripte und Aufgabenstellungen für weitere Module ins Netz stellte. „Meinen Studenten ist damit die Möglichkeit gegeben, bei Verständnisproblemen zu Programmieraufgaben – die nie auszuschließen sind – notwendige Informationen auch außerhalb regulärer Lehrveranstaltungstermine einzuholen“, fasst der Professor zusammen.

Alternative Plattformen nach amerikanischem Vorbild

Orientiert habe er sich dabei vorwiegend an den Online-Seminaren US-amerikanischer Universitäten, wie sie z.B. in Apple iTunes‘ Lernplattform „U“ angeboten werden. Im weiteren Verlauf fasste Professor Will seine gesamte Vorlesung zum Themenkomplex der Programmiersprache Java in einem elektronischen Buch zusammen, angelehnt an Apples E-Publishing-Format „iBook“, in Kooperation mit dem Institut für Qualitätsmanagement, Studienmodelle und Mediengestützte Lehre an der Hochschule Mittweida. Innerhalb eines halben Jahres wurden über 1.600 Downloads aus insgesamt 10 Ländern getätigt, berichtet Will. „Das zeigt, dass man mit diesem Angebot an Studenten oder potentielle Interessenten, ebenso wie mit der Bereitstellung von Online-Seminaren, sehr effektiv und effizient auch international wirksam werden kann.“

Teilnehmen, um etwas zu lernen

Professor Jörn Loviscach empfiehlt Kollegen an deutschen Hochschulen, seinem Beispiel zu folgen. Dank der Videos wäre es möglich, mit den Studierenden Aufgaben zu bearbeiten, statt reine Vorlesungen zu halten. Loviscach schätzt beim „MOOC“-Modell vor allem die gestalterische Freiheit: „Ich kann den Kurs so gestalten, wie ich ihn für inhaltlich und didaktisch sinnvoll halte – ohne an Modulbeschreibungen, Akkreditierungsvorgaben oder andere Beschränkungen zu denken.“ Leider nutzten nur wenige „MOOC’s“ diese Chance, fügt der Professor hinzu.

Zudem gäbe es für diese Kurse keine Credits und keine rechtsgültige Note. „Wer hier teilnimmt, nimmt teil, um etwas zu lernen“, verdeutlicht Loviscach. Nicht außer Acht gelassen werden sollte auch der Aspekt, dass „MOOC’s“ häufig eine hohe Abbrecherquote aufweisen. „Aber so ein Angebot, das kein Geld kostet und keinen Umzug in eine fremde Stadt verlangt, ist naturgemäß auch viel lockerer“, erklärt der Professor.

„MOOC’s“ sind keine Bildungsretter

Von einem globalen Siegeszug ist laut Loviscach noch keine Rede. „‚xMOOC’s‘ profitieren in den USA vor allem medial von der absurd hohen Verschuldung, die ein Studium dort oft verlangt“, erklärt er abschließend. Dass die Hochschulbildung in den USA wie auch diesseits des Atlantiks aber tiefer liegende Probleme habe, sehe man schon allein an den seit Jahrzehnten sinkenden Bildungsergebnissen. Der Bedarf einer grundlegenden Auffrischung der traditionellen Hochschulbildung in Richtung E-Learning stünde somit außer Frage.

Text: Sarah Hähle. Bild: André Krautschick. Bearbeitung: Susann Kressner.

<h3>Sarah Hähle</h3>

Sarah Hähle