Das vorgegaukelte Web-Format

von | 15. Juni 2012

Die neue „Tageswebschau“ soll netzaffine User über Internetthemen informieren. Die fehlende Kommentarfunktion verurteilt das Projekt zum Scheitern, meint Richard Hardege.

Eine junge und frische Sendung sollte es werden: Die neue „Tageswebschau“. In ihr finden drei Themen aus „dem Blickwinkel des Netzes“ Platz, die nicht in die „Tagesschau“ passen. Aber Netzthemen sind kein Fastfood: Die Redaktion schafft es viel zu selten, in den drei kurzen Beiträgen relevante Themen zu beleuchten, die netzaffine User auch wirklich interessieren. Mit Oberflächlichkeit lässt sich die Generation 2.0 zumindest nicht begeistern!

Guter Ansatz, schwache Umsetzung

Vorerst solle sich die „Tageswebschau“ in einer sechsmonatigen Testphase beweisen und stetig verbessern, ist das erklärte Ziel. Zum Verbessern, immerhin, haben die Macher noch diverse Möglichkeiten. Um nicht zu sagen: Die „kleine Schwester der Tagesschau“ hat eine komplette Überarbeitung des Konzepts nötig.

Das Netzformat hält schließlich nicht, was es verspricht: Der crossmediale Ansatz wurde nicht konsequent genug umgesetzt, es fehlt an Interaktionsmöglichkeiten. Weiterführende Diskussionen zu den Inhalten finden nicht statt – es ist noch nicht einmal möglich, die jeweiligen Sendungen zu kommentieren. Ein Webformat als Einbahnstraße konzeptioniert – ein fataler Fehler.

Ohne „Facebook“ und Co. keine Akzeptanz

Dabei sollte die „Tageswebschau“ eigentlich eine Art Forum für die Netzgemeinde darstellen. Dass pro Sendung etwa zwei „Twitter“-Einträge oder „Facebook“-Posts gezeigt werden, macht die fehlende Kommentarfunktion jedoch nicht wett. Sollte diese Strategie nicht überdacht werden, bleibt als Option wirklich nur die Einstellung des Experiments, das von den Nutzern quasi zurecht mit Desinteresse gestraft wird. Mit dem monotonen Vorsetzen beliebiger Clips kann auch die „ARD“ keine Marke in der Netzwelt etablieren. Ohne Interaktion ist die „Tageswebschau“ nur ein vorgegaukeltes Web-Format, so einfach ist das.

Dort, wo die Zielgruppe ist, ist die „Tageswebschau“ zumindest schon mal nicht. Eine „Facebook“-Präsenz sucht der User nämlich vergeblich – schon das ist ein Armutszeugnis für ein Format, dass sich „Crossmediales Projekt“ schimpft und Content für netzaffine User bieten will. Es gibt lediglich eine – natürlich nicht offizielle – Fanseite mit derzeit rund 75 „Likes“. Gute Indikatoren dafür, dass die „Tageswebschau“ selbst noch viel in Sachen „Web“ aufzuholen hat. Schließlich hatte die Idee Potenzial; doch einfach nur über das Web berichten, reicht nicht. So wirkt das Web-Experiment unglaubwürdig.

Sendung mit wenig Nährwert

Dabei kommt das am 4. Juni gestartete Format auf den ersten Blick eigentlich ganz nett daher. Die Grafiken, die dem besseren Verständnis dienen, wirken zwar für „Tagesschau“-Niveau frisch, sind aber eben wirklich nur schön anzusehen, nicht mehr. Und doch fragt sich der User am Ende der „Tageswebschau“, um was es eigentlich gerade ging oder wo genau der Mehrwert bei der Sendung liegt. Eine Frage, auf die er so schnell keine Antwort bekommen wird.

<h3>Richard Hardege</h3>

Richard Hardege