Wahlkampf – Like it!

von | 30. Januar 2014

86 Tage dauerte die Regierungsbildung zu Schwarz-Rot nach den Bundestagswahlen im vergangenen Jahr. Spätestens am 17. Dezember war klar: es gibt in diesem Kabinett erstmals einen Minister für „digitale Infrastruktur“. […]

86 Tage dauerte die Regierungsbildung zu Schwarz-Rot nach den Bundestagswahlen im vergangenen Jahr. Spätestens am 17. Dezember war klar: es gibt in diesem Kabinett erstmals einen Minister für „digitale Infrastruktur“. Oder etwas platt formuliert: Deutschland hat seit 2013 einen Internetminister. Doch was sagt das über den der Regierungsbildung vorangegangenen Wahlkampf aus? Welche Rolle spielten da vor allem die sozialen Netzwerke?

„Eine große!“, war sich der Online-Branchenverband „BITKOM“ noch im Mai 2013 sicher und prophezeite: „Online-Kampagnen entscheiden die Bundestagswahl!“. Yussi Pick, Digitalstratege und Autor des Buchs „Das Echo-Prinzip. Wie Onlinekommunikation Politik verändert”, sieht das rückblickend allerdings völlig anders: „Zu sagen, ohne das Internet hätte man eine Wahl 2013 nicht gewinnen können, stimmt nicht.“ Die Beeinflussung des öffentlichen Diskurses finde zwar nicht mehr nur in Zeitungen, sondern zunehmend auch online statt, nur ist die Zielgruppe leider nicht immer genau dort. Das belegt auch eine Umfrage von „infratest dimap“ unter 1234 Wahlberechtigten, darunter auch 483 Nichtwähler oder Unentschlossene. Die Frage: Von welchem Politiker haben Sie Aktivitäten im Social Media wahrgenommen? Heraus kam: 61% der Befragten nutzen überhaupt keine sozialen Medien oder gar das Internet.

Erfolgsrezept „Kacheln“

Uwe Göpel, Teamleiter Online im Bereich Marketing und Interne Kommunikation in der CDU-Bundesgeschäftsstelle, versteht diese Sorgen. „Das Durchschnittsmitglied der CDU ist knapp 60, die muss man auch mitnehmen.“ meint er, und spricht von einem „Web 1.5“, da „die Parteibasis nun mal nicht zwischen 16 und 29 Jahren alt ist“. Er ist sich sicher: Das Netz hat die Wahl nicht entschieden, der Online-Wahlkampf entscheidet lediglich über die Modernität einer Kampagne oder Partei. Durch Social Media-Beiträge mit Bewegtbild versuchten er und sein Team, „kleine Leuchttürme“ zu setzen und den Schwerpunkt ein wenig in Richtung Internet zu verschieben. Die höchsten Reichweiten erzielten laut seiner Aussage sogenannte „Kacheln“, quadratische Bilder mit Text, und mit „/am“ gekennzeichnete, persönliche Beiträge von Angela Merkel. Die wiederum hält sich ansonsten aus den sozialen Netzwerken heraus.

Politiker 1.0

Kein Twitter-Account, keine Facebook-Seite, kein Xing-Profil: Symptomatisch für eine Generation Politiker, meint Prof. Dr. phil Otto Altendorfer, Studiendekan der Fakultät Medien an der Hochschule Mittweida: „Das Netz wird überschätzt. Das liegt auch daran, dass führende Politiker keine Ahnung davon haben. Spitzenpersonal hat, von Einzelpersonen abgesehen, kaum Zugang zu neuen Medien.“ Das ist für ihn einer der wichtigsten Gründe, warum das Internet im Wahlkampf noch immer eine untergeordnete Rolle spielt. „Das Spiel wird außerhalb der neuen Medien gewonnen.“ Gleichzeitig ist er sich sicher: „Ich glaube, dass die Trends im Netz nur marginal beobachtet wurden.“

#tvduell als Rohrkrepierer

Dabei gab es vor allem seitens des ZDF diverse Versuche, einen Diskurs über soziale Netzwerke, vor allem Twitter, zu führen, und ihn in Sendungen zu integrieren. Über 173.000 Tweets wurden beispielsweise mit dem Hashtag #tvduell während der gleichnamigen Sendung abgesetzt. Torsten Müller, Mitgründer des Twitter-Analysedienstes „tame.it“, bezifferte die Zahl der TV-Duell-Twitterer mit 36.000. Das wären dann 0,058 Prozent der Wahlberechtigten. Nur: kann man da von einer Diskussion sprechen? In fast jedem Erstligastadion sind mehr aktive Fans, die sich an Diskussionen beteiligen.

Die stumme Netzgemeinde

Das machte auch den Job von Michael Umlandt, Social Media-Manager beim ZDF, nicht leichter. Weder die Gesamtheit der Tweets mit einem Hashtag, noch deren Entwicklung ergaben wirklich klare Tendenzen. „Das hat es schwierig gemacht, etwas Gutes anzubieten. Wenn in der Diskussion nichts passiert, kann man nichts Spannendes machen.“ Dabei wurde nicht mal viel gemotzt: „Es gab keine Erwähnung, dass es schlecht ist, keine Kritik an der Sendung an sich – es war einfach nichts los“, resümiert Umlandt. Dabei zerreißt sich die Netzgemeinde ja sonst auch zahlreich das Maul über alles und jeden – besonders gern über das Fernseh-Programm: egal, ob es darum geht, die Moderation bei „Wetten, dass“ niederzureden oder den Gewinner beim Supertalent abwechselnd zu lieben und zu verfluchen. Aber sobald es um Politik geht, wird das Social Web blockiert. Keine Retweets, keine Likes, keine Kommentare. Als würde Wahlkampf online gar nicht stattfinden.

Schlandkette, Merkelraute und Peers Finger

Ausnahmen gibt es aber trotzdem. Merkels Kommentar zum Internet als Neuland und die „Schlandkette“, die sie zum TV-Duell trug, schafften es, die Aufmerksamkeit der Community zu erregen, auch über die berühmte „Merkelraute” gibt es unzählige tumblr-Beiträge. Ebenso kennt jeder Steinbrücks Stellung zur Legalisierung von Hashtags und auch sein Mittlefinger hat mit @peersfinger einen eigenen Twitter-Account bekommen. Diese Phänomene haben aber alle eines gemeinsam: Sie sind völlig inhaltslos. Und auch wenn sie den Parteien und ihren Kandidaten sicher weder geholfen noch geschadet haben – initiiert wurden sie von anderen. Ist es einfach uncool, sich offen zu einer Partei und ihren Inhalten zu bekennen und im Internet für sie zu werben? Der Blogger und Autor Sascha Lobo sieht das nicht so. Stefan Trabant, Geschäftsführer der Agentur „Super an der Spree”, hingegen schon eher: Für ihn waren die wenigen Erfolge, die mit online-Kampagnen erzielt wurden, eher Glückstreffer. So zum Beispiel auch der “Geh wählen”-Werbespot der „IG Metall”. Trabant ist sich sicher, dass der vor allem deshalb so großen Erfolg hatte, weil nicht direkt eine bestimmte Partei dahinter stand.

Social Media: eine super Idee?

Interessant daran: Trabants Agentur Super an der Spree betreute die SPD im Wahlkampf. Auf der Internetseite findet man folgende Aussage der Agentur: „Einen ’super‘ Clip schickt man gerne an 324 Freunde weiter, einen ‚guten‘ nur an 2-3. Eine ’super‘ Idee bringt Leute zum Handeln, eine ‚ganz gute‘ bewahrt sie gerade mal vorm Einschlafen.” Es bleibt jedem einzelnen selber überlassen zu beurteilen, wie super die Clips und Social Media-Strategien der SPD im Wahlkampf 2013 waren und ob man angesichts der doch eher mageren Reaktionen nicht doch von einem Einschlafen der Netzgemeinde sprechen kann.

Hauptsache authentisch!

Doch nicht nur Spitzenpolitikern muss der Umgang mit dem Netz vermittelt werden. Während einige Abgeordnete fleißig twitternd mit der Netzgemeinde in Austausch treten, nutzen andere die unterschiedlichen Plattformen, trotz vorhandenem Account, kaum, gar nicht oder ungenügend. Statements posten reicht da nicht, zu einem Meinungsaustausch oder zu echter Kommunikation kommt es selten. Andere wiederum haben Angst vor einem Shitstorm – und halten sich deswegen gleich ganz zurück. CDU-Mann Göpel sieht es als seine „Aufgabe als Parteimensch, Leuten nahezubringen, dass sie soziale Medien nicht nutzen müssen, sondern sich damit wohlfühlen müssen” und meint damit auch, dass die momentane Generation Politiker eben niemals zu 100 Prozent authentisch und persönlich im Internet vertreten sein wird. Die laut Göpel zentrale Frage ist eindeutig: “Kann man das glaubhaft und authentisch machen?” Wunder sind da von niemandem zu erwarten, auch nicht von Angela Merkel. Die wiederum hat bisher keinen Ihrer Wahlkämpfe auf ihren persönlichen Geschichten aufgebaut. Warum sollte sie das 2013 ändern, ob nun mit Sozialen Netzwerken oder ohne?

Blog statt Block

Natürlich ist auch der Online-Wahlkampf eine Frage des Geldes. Viral wirksame Spots und inhaltlich gute Beiträge erstellt man nicht mal nebenbei und auch das Betreuen der unterschiedlichen Kommunikationskanäle erfordert Zeit und Personal. Personal, dass teilweise einfach nicht vorhanden ist, wie Uwe Göpel schildert. Digitalstratege Yussi Pick hingegen regt an, wie im Haustürwahlkampf auch hier auf freiwillige Helfer zurückzugreifen, wenn die Parteien schon nicht mehr Geld für diesen Bereich des Wahlkampfes ausgeben wollen. Außerdem macht er noch auf eine weitere Schwierigkeit aufmerksam: Es ist für Einzelpersonen durchaus nicht leicht, etwas so komplexes wie eine politische Partei nach außen zu vertreten. Rückhalt und Unterstützung aus der Partei sind dabei also dringend notwendig.

2017 bleibt alles anders…

Fragt man die Online-Wahlkampfmacher nach ihren Trends für 2017, bleiben sie zurückhaltend. Sowohl Trabant als auch Göpel gehen von wenigen Veränderungen aus. Professor Altendorfer hingegen mahnt an, lieber jetzt schon die Social Media-Weichen für den nächsten Online-Wahlkampf zu stellen, um dann schneller reagieren zu können. Und ZDF-Onliner Umlandt betont, wie wichtig es ist, die Leute zu erreichen – egal, wo diese sich nun aufhalten. Dass das zunehmend das Internet sein wird, ist kein Geheimnis, aber ob es schon 2017 wichtig sein wird, steht in den Sternen. Pessimistischer hingegen ist Yussi Pick: Er sieht eher eine Zeit des „social Biedermeier” auf uns zukommen. Durch geschlossene Gruppen, auch in Diensten wie „WhatsApp” wird es zunehmend schwieriger, zu den Leuten direkt vorzudringen. Vielleicht kommt es ja aber auch ganz anders, und die Wähler selber werden im Netz aktiv, unabhängig von Partei-PR und inhaltlich wertvoller als mit der „Schlandkette” – die Generation Wähler 2.0 eben.

Text: Stefanie Fichte, Theres Grieger. Grafik: Stefanie Hölzinger (Quelle: flickr.com, Bild: European People’s Party – EPP, Lizenz: CC BY)

<h3>Theres Grieger</h3>

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