Wissenschaftler kritisiert „WirtschaftsSchule“

von | 15. Dezember 2011

Die „WirtschaftsWoche“ enthält künftig vierteljährlich das Magazin „WirtschaftsSchule“. Einfache Texte und Grafiken sollen Schülern das Thema Wirtschaft verständlich erklären.

Das Schülermagazin „WirtschaftsSchule“ soll ab sofort vier Mal im Jahr Schüler an das Thema Wirtschaft heranführen. „‚WirtschaftsSchule‘ richtet sich in erster Linie an Schüler der Sekundarstufe 1 – unabhängig von der Schulform“, sagt Daniel Rettig, Redakteur des neuen Magazins. Die erste Ausgabe erschien am 5. Dezember 2011.

Reinhold Hedtke, Professor für Didaktik der Sozialwissenschaften und Wirtschaftssoziologie an der Universität Bielefeld, kritisiert die „WirtschaftsSchule“. Sie sei ein Instrument, welches auf eine neue Lesergeneration abziele, „um sie möglichst frühzeitig an sich zu binden“. Außerdem seien einige Informationen des Schülerhefts „falsch und irreführend“.

PR-Missbrauch an Schulen

„Handelsblatt macht Schule“ gehört wie die „WirtschaftsSchule“ zur „Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH“. Beide Magazine haben die gleiche Zielgruppe: Schüler. „Handelsblatt macht Schule“ stand schon Anfang 2011 in der Kritik. In Kooperation mit der „Deutschen Vermögensberatung“ stellte die Redaktion Lehrmaterialien zum Thema „Finanzielle Allgemeinbildung“ bereit. Dabei habe das Schülermagazin gezielt für den Vermögenspartner geworben, so das Medienmagazin „Zapp“.

Könnte die Sonderpublikation der „WirtschaftsWoche“ also einen ähnlichen Weg wie das Schülermagazin des „Handelsblatts“ einschlagen? Der ehemalige Kooperationspartner der Verlagsgruppe scheint mittlerweile das Interesse verloren zu haben.  Michael Koch vom Institut für Ökonomische Bildung, welches bereits mit „Handelsblatt macht Schule“ kooperierte, versicherte medienMITTWEIDA: „Es gibt zurzeit keinerlei Überlegungen hinsichtlich einer Kooperation.“

Auch der Redakteur Daniel Rettig weist mögliche Kritik zurück. Der Verlag habe die „WirtschaftsSchule“ eigenständig entwickelt. Auch die Produktion sei ohne die Kooperation mit einem Unternehmen erfolgt. Der Wissenschaftler Hedtke unterstellt der gesamten Verlagsgruppe jedoch die Absicht, sich einen Platz in den Schulen zu sichern. „Es geht darum, frühzeitig auf die Wertvorstellungen, Haltungen und Einstellungen von Schülerinnen einseitig Einfluss zu nehmen“, kritisiert der Professor. „Dieses Netzwerk führt einen Kampf um die Köpfe der Kinder.“

Auslegung an Schulen – zwischen Nutzen und Ausnutzung

Die von Hedtke kritisierte Absicht, sich einen Platz zu sichern, ist bisher jedoch noch nicht völlig umgesetzt worden. Das Magazin wird nicht an Schulen ausgelegt „Die ‚WirtschaftsSchule‘ wird auch in 2012 der „WirtschaftsWoche“ beiliegen“, erklärt Rettig. „Derzeit haben wir nicht vor, das Magazin beispielsweise als eigenes Heft am Kiosk zu verkaufen.“ Die Frage bezüglich der Auslegung an Schulen bleibt damit aber unbeantwortet. Der Verlag versicherte medienMITTWEIDA, dass Marketinginteressen nicht im Vordergrund stehen würden. Mit dem neuen Sonderheft wollen sie lediglich ihre „Familie“ erweitern.

Reinhold Hedtke lehnt das Auslegen der Zeitschrift ohnehin ab: „Grundsätzlich haben Werbung, Sponsoring und Public Relations in öffentlichen Schulen nichts, aber auch gar nichts zu suchen.“ Die Schulen sollten seiner Meinung nach ein sponsorenfreier Raum sein. „Der Verlag soll bitte bei seinen üblichen Vertriebswegen bleiben und sich mit seinen Waren aus der Schule fernhalten“, fordert der Wissenschaftler. Des Weiteren befürchtet er, dass das durchschnittliche Niveau des Wirtschaftsunterrichts sich verschlechtern könnte, wenn die Lehrer das Magazin als Unterrichtsmaterial verwenden.

Schulen mangelt es an wirtschaftlicher Thematik

Anlass für die Veröffentlichung der neuen Schülerzeitschrift sei das Ziel, Schüler für Wirtschaft zu begeistern, sagt Redakteur Rettig. Seiner Meinung nach lernen Schüler wirtschaftliche Zusammenhänge in der Schule nur unzureichend. Den Schülern soll das Thema Wirtschaft in der „WirtschaftsSchule“ kindgerecht vermittelt werden.

Das ausgegebene Ziel erreicht die erste Ausgabe des Magazins. Die Texte sind einfach und kindgerecht geschrieben. Außerdem nutzen die Macher zahlreiche Diagramme, Illustrationen und Fotos, um die komplexen Zusammenhänge bildlicher darzustellen. Das Problem des fehlenden Verständnisses liege nicht daran, dass die Schüler zu wenig Interesse an der Thematik zeigen, „sondern dass es bislang keine Zeitung oder Zeitschrift gibt, die Wirtschaft so vermittelt, dass sich auch Schüler dafür interessieren“, sagt Rettig.

Die „WirtschaftsSchule“ reiht sich in eine Vielzahl von Zeitschriften wie „Geolino“, „Geo Mini“, „Dein Spiegel“ oder „Zeit Leo“, deren Schwerpunkt die Wissensvermittlung für Kinder ist. Der Wirtschaftsprofessor Hedtke sieht die Medien jedoch eher als ein berichtendes Medium über Bildung. Das Fazit des Professors: „Pädagogen sind keine Journalisten, Journalisten sind keine Pädagogen. Aus Unterricht, Lehren und Lernen sollten sich die Medien ganz heraushalten.“

<h3>Selvim Anna Yüzgülen</h3>

Selvim Anna Yüzgülen