Der Zuschauer als Programmdirektor

von | 13. Juli 2012

Zu Olympia entdecken „ARD“ und „ZDF“ Livestreams im Internet für sich. Die Technik bringt noch Tücken mit sich - könnte aber den Altersdurchschnitt der Zuschauer deutlich senken.

Das „ZDF“ will zusammen mit der „ARD“ rechtzeitig für Olympia die Livestreams ausbauen.

Das „ZDF“ will zusammen mit der „ARD“ rechtzeitig für Olympia die Livestreams ausbauen.

Zu Olympia entdecken ARD und ZDF Livestreams im Internet für sich. Die Technik bringt noch Tücken mit sich – könnte aber den Altersdurchschnitt der Zuschauer deutlich senken.

Weder ARD noch ZDF bieten bislang ein 24-Stunden Livestream-Angebot. Die Gründe dafür sind einfach: Fehlende Bildrechte für die Übertragung im Internet, mangelnde redaktionelle Ressourcen. Hinzu kommt oftmals eine rechtliche Beschränkung des Sendegebietes auf Deutschland.

Dieser regionalen Grenze könnte mittels Geoblocking zwar Abhilfe geschaffen werden. Dabei wird der Standort des Users mittels IP-Adresse festgestellt und mit dem Sendegebiet abgeglichen. „Allerdings ist unser Anspruch schon der, die Reichweite des WorldWideWeb auch auszunutzen“, gibt Kersten König, Hauptredakteur Neue Medien des ZDF, zu bedenken.

Die Übertragung des Fernsehsignals über Internet ist nichts Neues. Laut eigenen Angaben streamt die ARD bereits jetzt rund 40 Prozent ihrer Sendungen. Zu den am 27. Juli beginnenden Olympischen Spielen 2012 in London soll der „neue“ Übertragungsweg nun deutlich ausgebaut werden.

Junge Zuschauer nicht zum Nulltarif

Den Programmstrategen der Öffentlich-rechtlichen ist klar, dass das Internet die Chance bietet, längst abgeschriebene Zielgruppen anzusprechen. „Dies gilt natürlich vor allem für Zuschauer zwischen 14 bis 29 Jahren, die sich von traditionellen Fernsehgewohnheiten längst verabschiedet haben“, sagt Kersten König vom ZDF. Er weiß, welche Anforderungen die junge Zielgruppe stellt: „Zunehmende Mobilität, Flexibilität in den Endgeräten und durch Video on Demand-Nutzung die Möglichkeit zum zeitsouveränen TV-Schauen.“

Perspektiven für diese junge Seherschaft will auch Dirk Panter, Mitglied des MDR-Rundfunkrates, im Internet erkannt haben. Er betont: Das Bundesverfassungsgericht habe den Öffentlich-rechtlichen auch einen Online-Auftrag zugeschrieben. An eine Kostenersparnis sei nicht zu denken. „Gute Netzpräsenz ist nicht zum Billigtarif zu haben“, argumentiert er. Der entsprechende Content müsse in jedem Fall zunächst einmal produziert werden.

Andreas Rindler, Programmdirektion der  ARD-Online-Redaktion, kündigt derweil an, dass das Angebot bis 2013 stetig ausgebaut werden soll: „Bis dahin können weitere Rechte eingeholt werden und die Lücken weiter reduziert und minimiert werden.“ Die olympische Euphorie bremst er allerdings: „Das Onlineangebot des Ersten ist als Programmergänzung gedacht und so auch gesetzlich definiert.“

Gute Erfahrungen im Sportbereich

Die vorhandene Technik war zuletzt schnell an Kapazitätsgrenzen gestoßen. „Bei gerade mal einigen hunderttausend zeitgleichen Zugriffen auf das Livestreamangebot war oft Schluss“, sagt Kersten König vom ZDF. Deshalb arbeiten ARD und ZDF bei den Olympischen Spielen nun zusammen: In beiden Mediatheken wird es das gleiche Angebot geben. Zwei Drittel der gestreamten Wettkämpfe sollen im Tageswechsel von den Korrespondenten der beiden Anstalten kommentiert werden. Das Bildmaterial kommt aus einer internationalen Regie.

Die Ankündigungen des Promotionvideos klingen zumindest schon mal verheißungsvoll: „Erstmals in bis zu sechs Livestreams neben dem Hauptprogramm die Entscheidungen aus London – insgesamt rund 900 Stunden Liveprogramm. Der Zuschauer wird zum Programmdirektor.“ Die öffentlich Rechtlichen ziehen alle Register: Der Stream soll angehalten und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden können. Zurückspulen soll ebenfalls möglich sein und auch Zusatzinfos können je nach Bedarf abgerufen werden. Ein elektronischer Programmführer soll dem User die heimischen „Produktion“ vereinfachen.

Vorbild: MDR

Der MDR konnte im Sportbereich bereits Erfahrungen mit einem reinen Streamingangebot sammeln. Die live im Internet übertragenen Fußballspiele, ein mitteldeutsches Topspiel wird pro Wochenende übertragen, werden später in der Fernsehsendung „Sport im Osten“ zusammen gefasst. Eine günstige Mehrfachverwertung, die durch redaktionelle Bearbeitung möglich wird. So entsteht ein programmatischer Mehrwert für den Nutzer – bis zu 60.000 Video-Abrufe pro Dritt- oder Zweitligaspiel können durchaus als Erfolg gelten.

Text: Tim Jungmittag. Bild: zdf.de, mdr.de, wikipedia.de, Bearbeitung: Nathalie Gersch.

<h3>Tim Jungmittag</h3>

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