Erik Leichter – Wie das Slammen glücklich macht

von | 6. Juli 2016

Es war nicht alles schlecht in Zwickau. Immerhin kam ihm hier eine seiner besten Ideen. Bislang! Erik Leichter, Poetry Slammer, über das Texten, die Welt und sich selbst.

Erik Leichter's schönstes Selfi

Erik Leichter ist ein rothaariger, selbstironischer und 26-jähriger Lockenschopf. Er ist ein waschechter Zwickauer und studiert Psychologie an der TU Chemnitz.

Poetry Slam ist seine große Leidenschaft.

Beim ersten Warm Up am 07. April 2016 des Campusfestivals begeisterte er uns mit seinem Talent. Was er selbst dabei besonders eindrücklich fand, war so krass geschminkt zu werden: „Als ich den Raum zur Maske betrat, entfuhr es der Maskenbildnerin: ‚Das wird eine Herausforderung.‘ Rothaarige sind also anscheinend schwer zu schminken.“

Wenn man ihn auf seine Jugend in Zwickau anspricht, antwortet er schmunzelnd: „Schwierig. Ich versuche meine Jugend zu vergessen – größtenteils zumindest.“ Allerdings hat das alte Kasiometa mit den Bandwettbewerben seine Jugend in Zwickau durchaus bereichert und ihn zum Slam inspiriert.

Hier hat der damals 19-jährige mit vier Freunden auch seinen ersten eigenen Poetry Slam  erfolgreich durchgeführt. Es kamen 80 wildfremde Menschen zum Zuschauen, mit denen keiner von den Slamern gerechnet hätte. Erik Leichter ist mit seinem Einstieg in die Poetry-Slam-Szene in Sachsen einzigartig. Er fing an, einen Poetry – Slam zu organisieren, ohne vorher in der Szene Fuß gefasst zu haben – dass war bislang immer umgekehrt.

Ansonsten ist Erik ein ganz normaler Typ mit Standardhobbies: Freunde treffen, joggen und lesen. Nebenbei arbeitet er ehrenamtlich in einer Kulturkneipe in Chemnitz.

Wie würdest du dich selbst beschreiben?

Oh Gott, was ist das? Wie würde ich mich selbst beschreiben? Hmm. Keine Ahnung, reden wir jetzt von Speeddating selber beschreiben oder reden wir jetzt von Bewerbungsgespräch selbst beschreiben? Man kann sich doch gar nicht richtig selbst erkennen oder?! Ich glaube, ich bin recht analytisch, natürlich kreativ irgendwie. Ich mag es gerne über Sachen nachzudenken. Sonst bin ich glaub ich recht loyal zu meinen Freunden. Bisschen zynisch vielleicht. Vielseitig interessiert – jetzt klingt es wirklich nach Speeddating.

Wie bist du auf Poetry Slam gekommen?

Eines Tages kam ich von einer Party nach Hause und habe den Fernseher eingeschaltet. Da lief zufällig der WDR-Poetry-Slam, den ich total grandios fand. Dann habe ich mir gedacht: bei den Bandwettbewerben kriegen die ganzen Jungs die Mädels, weil sie Musikinstrumente spielen können. Ich habe halt nur geschrieben. Das kannst du niemanden zeigen, was man so als 18, 19-jähriger denkt. Und dann kam mir die Idee, eine Art Bandwettbewerb für Literatur ins Leben zu rufen. So ist Poetry Slam ein bisschen wie Rock ‘n‘ Roll mit Literatur.

Siehst du dich Rentnern gegenüber benachteiligt? 

Sie sind die größere Masse, aber sie nutzen es nicht wirklich. Der Ursprung des Textes war die Feststellung, dass irgendwie alle Rentner beige tragen. Und meine Frage war: „Wann passiert das? Wann bekomme ich mein Paket in dem meine Klamotten dann nur noch beige sind?“ Vielleicht kommt ja dieser Punkt, wo du vom Familienministerium einen Karton zugeschickt bekommst, voll mit beigen Klamotten und dann wird gesagt: so jetzt bist du Rentner und jetzt hast du dich gefälligst beige zu kleiden! In Chemnitz ist es wirklich so, dass Rentner die bedeutende Masse sind. Und so ist der Text entstanden, der während des Schreibens dann etwas eskaliert ist […] (schmunzeln). Ich habe nichts gegen Rentner. Ich denke, das geht auch im Vorwort des Textes hervor. Einige meiner engsten Familienmitglieder sind alt, es ist ok.

Wie stößt du auf deine Themen? Beschreib doch mal die Situation in der du textest!

Die Idee kann überall kommen. Wenn ich was erlebe oder mit jemandem rede. Irgendwann setzte ich mich dann hin und schreibe alles auf. Meistens fließt es dann auch beim Aufschreiben aus den Fingern – wenn die Idee gut ist. Allerding schreibe ich die Texte mindestens fünfmal im Kopf vor. Die sind also schon zum Großteil gesponnen und ich muss sie nur noch runterschreiben.

Ich habe es auch schon geschafft, Texte auf dem Weg zum Auftritt fertig zu schreiben. Das war zum Beispiel mit dem Text des liebeskranken Irren so. Den hab‘ ich noch schnell im Zug fertig geschrieben, bevor ich in Dresden bei „Geschichte(n) über dem Gartenzaun“ aufgetreten bin.

Ich habe vier bis fünf Notizbücher für verschiedenste Arten und Sachen. Manchmal schreibe ich nur so meine Gedanken auf, eine Art Tagebuchschreiben und manchmal verfasse ich dort gleich ganze Textteile.

Hauptthemen sind auf jeden Fall Heimat – meine Herkunft Zwickau und Chemnitz (aus Zwickau oder aus Chemnitz zu kommen) oder auch die Liebe, ansonsten einfach Alltagsbeobachtungen, die ich ins lächerliche führe.

Wann entscheidest du, welche Texte du vorträgst?

Meistens am gleichen Tag meines Auftrittes. Ich stecke immer fünf bis sechs meiner 20 besten Texte in die Tasche und dann entscheide ich spontan – je nach zeitlicher Vorgabe und Stimmung des Publikums.

Bist du Pessimist oder Optimist?

Schwierig. Ich nehme auch im wahren Leben viele Dinge ironisch. Ich finde auch, man kann sich über alles lustig machen, weshalb ich wohl auch oft anecke. Ich glaube, dass sich viele Dinge  im Leben ergeben werden und dass das Leben immer weiter geht bis es aufhört. Das könnte man eigentlich fast Optimismus nennen, weil es für mich irgendwie immer weiter geht. Aber ob das gut ist, dass es immer weiter geht, bis es aufhört? Das ist jetzt die pessimistische Frage. Eine pessimistische Frage ist vielleicht auch: Was kann man vom Leben erwarten? Aber ich glaube, darauf habe ich noch keine Antwort gefunden. Wenn ich das ehrlich beantworten soll, gibt es da für mich keine klare Antwort, weil ich in diesem Sinne keine Grundeinstellung zum Leben für mich festgemacht habe. Ich habe jetzt nicht gesagt: „Erik, du bist jetzt ein zynischer Pessimist. Das ganze Leben ist scheiße.“ Und das glaube ich auch nicht. Ich bin auch niemand, der Menschen mit seinen Texten belehren will. Wahrscheinlich bekommt man es selber manchmal nicht mit, aber in vielen Texten steht für mich eine Frage, die ich mir selber nicht beantworten kann.

Zum Beispiel bei dem Text „Wenn das keine Liebe ist“. In diesem frage ich mich auch: Was ist Liebe? Und was macht die moderne Zeit daraus? Wenn wir tintern können, wo bleibt die Liebe? Oder gibt es das überhaupt?

Bist du ein liebeskranker Irrer und wenn nicht warum? 

Ich würde mich nicht als liebeskranken Irren bezeichnen. Aber sobald man Gefühle entwickelt, fängt man automatisch an sich durch das Facebookprofil desjenigen zu scrollen und sich Bilder anzuschauen. Irgendwann kam der Moment, als ich gedacht habe: „Gott Erik, was machst du hier eigentlich? Was ist das? Das ist ja total strange.“ Aus diesem Gefühl – was mach ich hier eigentlich? – ist der Text entstanden. Ich bin nur so liebeskrank wie alle, wenn wir verliebt sind.

Und ist verliebt sein oder Liebe nicht immer ein bisschen Wahnsinn? Auf diese Frage habe ich immer noch keine gute Antwort gefunden. Aber ich glaube nicht, dass ich irre bin. Also ich habe noch keine Beschwerden bekommen, sagen wir es so.

2015 hast du ein Auslandssemester in Finnland gemacht. Was war die krasseste Erfahrung die du dort machen durftest?

Es war einfach alles zusammen sehr verrückt. Aber ich glaube, die krasseste Geschichte war, dass ich an einem Januartag mit einem Iren und einem Finnen in der Innenstadt von Helsinki aus der Sauna raus und einmal um den Block gerannt bin. Der Ire hat dabei die Nationalhymne gesungen. Der Block war tatsächlich größer als ich gedacht habe.

 

Hinweise und Tipps für unsere Studenten?

Mit Erasmus bleibt man häufig in seiner „Erasmus-Blase“ stecken. Diese ist zwar sehr schön, da man Menschen aus vielen verschiedenen Kulturen kennenlernt. Wenn man aber in dem Land selber auch gute Freunde hat, dann hat man die Möglichkeit sie in diesem Land auch immer wieder besuchen zu können, dass vergessen Viele. Ich bin auf jeden Fall glücklich jetzt sehr viele, sehr gute finnische Freunde zu haben, die ich sehr gerne besuche.

Ansonsten sollte man sich nicht zu sehr stressen lassen. Es ergibt sich eigentlich immer alles.

Welche „Slamer-Weißheit“ würdest du unseren Studenten mit auf den Weg geben?

Ich habe irgendwann mal gelesen, dass du immer die Sachen machen sollst, die dir peinlich sind. Denn dass sie dir peinlich sind bedeutet, dass sie dir wichtig sind und dass du sie deshalb mal ausprobieren solltest!

Falls du auch schon mal verzweifelt an einem Bewerbungsschreiben gesessen und dich gefragt hast: „Was kann ich eigentlich?“ Dann ist dieses Video zur Lachmuskelstärkung genau richtig für dich!

<h3>Anja Posselt</h3>

Anja Posselt

Medienmanagementstudentin im 4. Semester