Kommentar: Boulevard mit Tiefgang

von | 16. Mai 2012

Die Diskussion über den Wert journalistischer Recherche hält nach dem Eklat beim „Henri-Nannen-Preis“ an. Die Kritik an der „Bild“ ist ungerechtfertigt, meint Richard Hardege.

Die Vergabe des „Henri-Nannen-Preises“ vor wenigen Tagen endete im Streit. Die Redakteure der konservativen „Süddeutschen Zeitung“ lehnten ihre Ehrung für den „Besten investigativen Journalismus“ ab. Die Begründung: Sie wollten nicht in einem Zug mit den Boulevard-Kollegen von „Bild“ genannt werden. Diese Reaktion der „Süddeutschen“ ist aber nicht feierlich oder besonders mutig, sie ist anmaßend und unangebracht.

„SZ“ erhebt sich in ungerechtfertigte Höhen

Ursache für den Verzicht auf den hoch angesehenen Preis war, dass die Redakteure der „Süddeutschen Zeitung“ eine Imageaufwertung des Springer-Blattes erkannt haben wollen. Dadurch heben sie sich aber auf ein Niveau, dem sie selbst nicht gerecht werden. Stattdessen prügeln – oder treffender, argumentieren – die Redakteure auf „Bild“ ein und missachten gerade deren wichtigen Beitrag in der „Causa Wulff“. Dass die angebliche Qualitätstageszeitung aus Bayern dabei hinter den Kulissen auch wie jede andere Tageszeitung funktioniert, verleugnen die Redakteure bewusst. Für sie ist Boulevard schlecht – die eigenen anspruchsvoll bis unverständlich formulierten Texte sind gut. In den Gedanken der nur beinahe ausgezeichneten Journalisten funktioniert das ganz leicht. Aber ist es nicht gerade dieses schwarz-weiß-Denken, dass sie bei ihren Boulevard-Kollegen gern auch mal kritisieren?

Journalistische Leistung und Mut der „Bild“ verdienen Respekt

Nicht vergessen: Die „Bild“-Zeitung hat mit eigener Recherche die Enthüllungen über Ex-Bundespräsident Christian Wulff angestoßen – entgegen dessen Drohungen. Dazu gehört Mut und das verkennen die Preisträger der selbst ernannten Qualitätszeitung. Auch eine Boulevardzeitung kann journalistische Leistungen vollbringen.

Aber wie sollte sich die „SZ“ auch darauf einlassen, wenn die eigenen Redakteure die auflagenstärkste Tageszeitung Deutschlands nicht wahrnehmen wollen? So gab zum Beispiel der „SZ“-Mann Hans Leyendecker selbst zu, dass der Boulevard-Titel nicht in sein Weltbild passe. Bei einem möglichen, eigenen Vorteil dürfen diese hohen Grundsätze dann aber wohl doch glatt vergessen werden. Die Hinweise der „Bild“-Redakteure über die Mailbox-Drohungen des ehemaligen Staatschefs haben die „Süddeutschen“ ja auch dankend angenommen und veröffentlicht. Eine eigene Recherche blieb danach aus. Stattdessen ruhte sich die Redaktion auf den Erfolgen anderer Medien aus. Eklig, jetzt die Arbeit der „Bild“-Zeitung zu kritisieren.

 „Bild“-Zeitung hat Preis verdient

Voraussetzung für die Vergabe des „Henri-Nannen-Preises“ ist eine herausragende Leistung für die Gesellschaft und genau die hat die „Bild“-Recherche erreicht: Das heile Bild vom Staatsoberhaupt fing in hoher Geschwindigkeit an, auseinander zu brechen. Die Redakteure der „Süddeutschen Zeitung“ haben mitgemacht, auch sie hielten sich mit Schmähungen gegen das ehemalige Staatsoberhaupt nicht zurück. Jetzt die „Bild“-Zeitung zu verurteilen und ihre Art der Recherche zu kritisieren, ist wieder nur eines: Es ist kindisch und zeugt bestimmt nicht von journalistischer Qualität.

<h3>Richard Hardege</h3>

Richard Hardege