Die Zukunft des Kulturjournalisten

von | 13. März 2012

Das Feuilleton wird von vielen Lesern eher belächelt als beachtet. medienMITTWEIDA hat Redakteure nach den Chancen für Kulturthemen in Tageszeitungen und Onlinemedien gefragt. Das Image kultureller Themen in Tageszeitungen wird […]

Workshop in Zeitlupe

Früher richteten Kulturjournalisten von ihrer Schreibmaschine aus. Heute sind sie online Gleiche unter Gleichen.

Das Feuilleton wird von vielen Lesern eher belächelt als beachtet. medienMITTWEIDA hat Redakteure nach den Chancen für Kulturthemen in Tageszeitungen und Onlinemedien gefragt.

Das Image kultureller Themen in Tageszeitungen wird aktuell eher düster gezeichnet. Immer weniger Leser interessieren sich für die Themen, zu anspruchsvoll seien die Formulierungen. Dass die Zukunft der Feuilletons schlecht aussieht, können Journalisten und Wissenschaftler jedoch nicht bestätigen. Der Kultur- und Medienwissenschaftler Gunter Reus hat in seinen Untersuchungen vielmehr das genaue Gegenteil festgestellt. Die Anzahl der Feuilletonbeiträge in überregionalen und regionalen Zeitungen habe in den letzten 20 Jahren zugenommen. Der Umfang der Berichterstattung habe sich teilweise sogar verdoppelt. Reus weiß um die geringe Anzahl der Leser, die die Texte wahrnehmen, sieht darin aber kein Problem. In einem Artikel des Journalistik-Journals von 2010 beschreibt er den Feuilleton-Leser als Multiplikatoren, zudem seien kulturell interessierte Menschen oftmals treue Zeitungskunden.

Gegenwart und Zukunft des Feuilletons sind pluralistisch

Die Themenvielfalt des heutigen Feuilletons ist groß. Klassische Standbeine wie Literatur, Theater und Kunst werden ergänzt durch vielfältigste moderne Themen. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung” (FAZ) profiliert sich durch die Themen Debattenkultur und Naturwissenschaft, die „Süddeutsche Zeitung” hat mit den „Netz-Depeschen” eine wichtige Reihe zum Thema Netzkultur etabliert. Die Berliner „Taz” ist bekannt durch ihre medienkritischen Artikel und setzt zudem einen Schwerpunkt auf das Internet und dessen Kultur. Schon heute gibt es also das eine Feuilleton in vielen Zeitungen gar nicht mehr. Auf themenoffenen Kulturseiten gewichten die Redakteure verschiedenste Apekte und teilen sie in verschiedene Bereiche auf.

Erfolg durch Öffnung für andere Themen

Längst haben die Zeitungsmacher der Bundesrepublik erkannt, dass das Feuilleton sich verändern musste und muss, um ein wichtiger Meinungsführer zu bleiben. Fridtjof Küchemann von der „FAZ“ ist überzeugt, dass das Feuilleton nach wie vor eine der großen Säulen seines Mediums ist, weil es die kulturellen und intellektuellen Debatten auch für Themen der Wissenschaft, der Politik und der Wirtschaft geöffnet hat. Einen Unterschied bei der Schreibe für Internet- und Printangebote macht Küchemann nicht. Seine Zeitung unterscheide nicht nach den technischen Voraussetzungen des Lesers: „Wir denken, dass unsere Leser die Darstellungs- und Analysetiefe der ‚FAZ‘ auch im Netz von uns erwarten. Ob sie die Artikel am Computer, auf dem ‚iPad‘ oder vielleicht sogar ausgedruckt lesen wollen, entscheiden sie selbst.“

Auch auf lokaler Ebene halten die tagesaktuellen Printmedien an den Kulturthemen fest. Die Dresdner Zeitungen „Sächsische Zeitung” und „Dresdner Neueste Nachrichten” bieten ein breitgefächertes Themenspektrum zu Kulturthemen in Dresden. Boris Michael Gruhl, der für die „Dresdner Neueste Nachrichten” schreibt, schätzt an seiner Zeitung vor allem die Orientierung an jüngste Leser. Die Szeneseite „Jugendfrei” beispielsweise wird komplett von Nachwuchsredakteuren gestaltet, die noch nicht volljährig sind. Gruhl sieht sich, obwohl er schon viele Jahre Berufserfahrung hat, bei manchen Themen auf gleicher Höhe mit seinen jüngeren Kollegen. „Wenn es um experimentelles Tanztheater oder zeitgenössische Musikfestivals geht, haben jüngere Kollegen eher Vor- als Nachteile”, sagt er.

Mehr anspruchsvoller Journalismus im Netz

Neben den gestandenen Publikationen gibt es aber auch eine Vielzahl an teilweise hochkarätigen kulturjournalistischen Angeboten im Netz. Dr. Martin Morgenstern, Herausgeber des Portals musik-in-dresden.de, hat im Internet ein wichtiges publizistisches Angebot für ein Publikum geschaffen, das an klassischer Musik interessiert ist. Er empfiehlt auch angehenden Redakteuren eine klare Herangehensweise für den Start in den Kulturjournalismus: „Suche eine existierende Online-Redaktion, die an deinen Beiträgen Interesse haben könnte, und biete dem Redakteur an, über ein aktuelles Thema einen kostenlosen Probetext zu liefern.“

Der österreichische Blogger und Kulturmanager Christian Henner-Fehr kann die Chancen des Onlinejournalismus nach eigenen Erfahrungen nur bestätigen: „Ich habe am eigenen Leib erfahren, was für Möglichkeiten sich ergeben, wenn man über mehrere Jahre hinweg einen Blog betreibt und mit qualitativ hochwertigen Inhalten füllt.” Er selbst ist der Auffassung, dass „im Bereich Kunst und Kultur noch viel Platz für die Berichterstattung” ist. Henner-Fehr sieht vor allem auch das Lokale als wichtigen Schwerpunkt für das Schreiben über Kultur im Internet: „Je globaler das Netz wird, desto wichtiger sind die lokalen Bezugspunkte.”

Auch Fridtjof Küchemann von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ kann diese Herangehensweise für angehende Journalisten nur empfehlen: „Blogs sind eine tolle Möglichkeit, die eigenen Texte zu sammeln und zu präsentieren.“ Dadurch ist auch die Studienrichtung des jeweiligen Bewerbers nicht mehr vordergründig wichtig. Ob sein Abschluss in Medienwissenschaften, Germanistik oder Kulturwissenschaften erlangt wurde, sei am Ende weniger wichtig als die Fähigkeit des Bewerbers, Themen zu durchdringen und für seine Leser interessant zu machen.

Die Rolle des Kulturjournalisten ändert sich

Galt der Feuilletonist früher noch als Richter über das, was gute Kultur ausmachte, steht er heute vielmehr als Gleicher unter Gleichen da. Jeff Jarvis, Professor an der Graduate School of Journalism in New York, beschreibt den Journalisten der Zukunft in seinem Blog „Buzz Machine“ als Kurator. Aus der Vielfalt der Quellen muss er filtern und neu zusammenstellen. Er besucht das Kulturereignis selbst, erhält Informationen der Öffentlichkeitsarbeit der Institutionen und recherchiert in der Themen- und Meinungsvielfalt im Internet. So kann er sich als Leuchtturm im Informations-Overflow profilieren und Leser und User an sich binden.

Auch Christian Henner-Fehr sieht hier eine Chance für angehende Journalisten: „Wer sich hier etabliert, hat aber auch größere Chancen, sich zu profilieren und damit wesentlich weiter zu kommen als in der Redaktion einer Zeitung.” Der Feuilletonist oder Kulturjournalist ist also auch ein Manager – in der Darstellung und dem Verkaufen seiner eigenen Arbeit wie in der Auswahl als Kurator. Gleichzeitig sollte er auch seine Zielgruppe im Blick haben. „Beim Schreiben habe ich die Zielgruppe des jeweiligen Mediums im Kopf, beziehungsweise passe mich sehr genau den Vorgaben der Redaktion an”, erklärt Martin Morgenstern. Die ständige Auseinandersetzung mit Kultur, das regelmäßige Schreiben und die Offenheit für das Arbeiten auch außerhalb fester Redaktionen sind für angehende Feuilletonisten aber weiterhin Grundvoraussetzungen.

Text: Marcus Jänecke, Bild: sxc.hu, Fotograf: baikahl, Bearbeitung: Florian Pfennig

<h3>Marcus Jänecke</h3>

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