Software ersetzt Journalisten

von | 18. April 2012

Eine US-Firma bietet ein Programm, dass Redakteure für spezielle Themen ersetzen soll. Ein "Forbes"-Blog ist so bereits komplett computergeneriert. Ist der Journalismus in Gefahr?

Das IT-Unternehmen „Narrative Science“ aus Chicago hat eine Software entwickelt, die Informationen aus einer Datenbank in automatisierte Gebrauchstexte umwandelt. Journalisten würden dafür dann nicht mehr benötigt. Das Programm ist bereits in Nischenbereichen im Einsatz, so zum Beispiel bei Finanz-, Immobilien-, und Sportthemen. Neben einzelnen Artikeln eines amerikanischen Sport-TV-Netzwerks wird ein Blog des Businessmagazins „Forbes“ bereits ausschließlich mit Texten der „Narrative Science“-Software gefüllt. „Das kann viele Journalisten den Job kosten“, befürchtet der freie Redakteur Jürgen Kalwa. Er ist New York-Korrespondent für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, den „Deutschlandfunk“ und das „Deutschlandradio Kultur“ und beobachtet die Entwicklung schon seit anderthalb Jahren.

Journalisten-Existenz bedroht

Vor allem Nachrichtenagenturen könnten von solchen Programmen aber auch profitieren. „In Sekundenschnelle können Informationen an zahlungskräftige Abonnenten geliefert werden. Zudem besteht die Gefahr, dass sich dieses System ebenso schnell auf ihre Medienplattformen hochspielen und sich dort weiterverbreiten könnte“, schätzt Kalwa. Wie schon der Schriftsetzer durch die Technik ersetzt worden ist, sieht Journalist Kalwa hier eine Existenzbedrohung für seinen Beruf.

Software für den Daten-Alltag

„Narrative Science“ gibt an, die Autorenzunft mit dem Service nicht ersetzen zu wollen. Die Software solle lediglich bei statistisch- und faktenreichen Themen für mehr Durchblick sorgen. Dadurch könne mehr Zeit für journalistische Analyse und Bewertung geschaffen werden. Auch wenn die Software Arbeitsplätze kosten könnte – die Vorteile des Programms kann auch Kalwa nachvollziehen: „Es besteht vielleicht eine Chance, dass talentierte Kollegen sich wichtigeren Aufgaben widmen können, anstatt die Zahlen eines Spiels zusammenzuschreiben.“

Bemerkenswert ist nicht nur die Technik, sondern auch die Qualität der automatisch generierten Texte.  Der Unterschied zwischen einem persönlich geschriebenen Text und dem Software-Produkt ist teilweise kaum wahrnehmbar. „Das liegt unter anderem daran, dass beispielsweise im täglichen Sportjournalismus überwiegend mit Baukastenschema und wenigen Denkschablonen gearbeitet wird“, erklärt Kalwa. Das war auch einer Gruppe von Professoren und Studenten der „Northwestern University“ aufgefallen – und damit die Geburtsstunde des Roboterjournalismus. Erst mit dieser Erkenntnis wurde das Vorläufer-Programm „Stats Monkey“ entwickelt, das auch schon automatisch Texte schreiben konnte.

Emotionales Denken bleibt Schwachstelle

Es mache aber weiterhin einen Unterschied, ob ein Text von einem Menschen geschrieben sei oder nicht, so Kalwa. Einschätzung und Meinung könnten weiter nur studierte Journalisten geben. „Sportjournalismus wird in Deutschland zum Beispiel emotional wie eine Opernkritik gehandhabt, nämlich mit Sinn für Ästhetik und Kreativität“, sagt Kalwa. Das Einpflegen des Spielergebnisses in eine Datenmaske reiche nicht. „Die nüchternen Fakten eines Spielverlaufs können zur reinen Informationsaufnahme nützlich sein, jedoch kann nur ein Mensch über die Gefühle und Stimmung  auf dem Platz berichten“, sagt der Journalist. Für alle Einsatzzwecke eignet sich die seit zwei Jahren im Einsatz befindliche Software also – noch – nicht.

<h3>Anja Wanger</h3>

Anja Wanger