Mit der „Crowd“ zum eigenen journalistischen Projekt

von | 5. April 2013

Das Webportal „Krautreporter“ ermöglicht deutschsprachigen Journalisten die Finanzierung ihrer eigenen Projekte. Zwei junge Reporter erklären, wann sich Crowdfunding für ambitionierte Journalisten lohnen kann und wieso sich dieser Mut in jedem […]

Viele Menschen unterstützen eine Idee: Mit „Krautreporter“ können Journalisten ihre Projekte jetzt verlagsunabhängig finanzieren lassen.

Viele Menschen unterstützen eine Idee: Mit „Krautreporter“ können Journalisten ihre Projekte jetzt verlagsunabhängig finanzieren lassen.

Das Webportal „Krautreporter“ ermöglicht deutschsprachigen Journalisten die Finanzierung ihrer eigenen Projekte. Zwei junge Reporter erklären, wann sich Crowdfunding für ambitionierte Journalisten lohnen kann und wieso sich dieser Mut in jedem Fall auszahlt.

Pauline Tillmann klingt wütend und verständnislos zugleich, wenn sie über die aktuellen Lebensumstände vieler Menschen in Tibet berichtet: „Ich finde es unfassbar, dass sich Menschen aus Protest gegen die Politik Chinas anzünden und so verzweifelt sind, dass sie ihr Leben riskieren, um darauf aufmerksam zu machen.“

Die junge Journalistin ist neben ihrer Arbeit für diverse ARD-Anstalten zurzeit als freie Korrespondentin in St. Petersburg tätig. In ihrem Crowdfunding-Projekt „Der flammende Tibeter“ möchte sie mit Hilfe der Plattform „Krautreporter“ genau diese anhaltende Problematik in der tibetischen Bevölkerung auch den Menschen in Deutschland näher bringen. Ihr Ziel: für eine Hörfunk-Reportage trifft sie sich mit den Mönchen, die ihre Selbstentzündung überlebt haben. Geplante Recherchekosten: 3.500 Euro – Flug, Unterkunft, Übersetzer inklusive.

Die Besatzer aus China kontrollieren die Region streng, sodass Meinungsfreiheit und freie Religionsausübung für die Tibeter quasi unmöglich sind. „Deutsche Korrespondenten in Peking können in der Regel nicht nach Tibet fahren, weil sie damit ihre Akkreditierung riskieren und es einfach zu gefährlich ist“, berichtet Tillmann. Aufgrund der angespannten politischen Lage in China agieren einige deutsche Medien sehr vorsichtig, insbesondere in der Berichterstattung über die gesellschaftlichen Verhältnisse in Tibet.

Die Lösung für unbequeme Projekte

„Krautreporter“ ist eine der jüngsten Crowdfunding-Plattformen im deutschsprachigen Raum. Seit Anfang des Jahres bietet das Webportal Journalisten und Medienmachern aller Art eine Möglichkeit zur Finanzierung ihrer eigenen Projekte. Grund zum Handeln gibt der Umstand, dass aufwendige Recherchen und die Umsetzung spezieller Themen von vielen Verlagen und Medienunternehmen inzwischen kaum noch Unterstützung erhalten. „Als Journalist kann man heute froh sein, wenn man mal ein Bahnticket nach Hamburg finanziert bekommt“, erklärt der Plattformgründer und Geschäftsführer Sebastian Esser.

Spenden für den unabhängigen Journalismus

Die Funktionsweise der Plattform entspricht dabei dem bekannten Crowdfunding-Prinzip: Der Reporter legt für sein Vorhaben eine Geldsumme fest, die innerhalb einer zeitlichen Frist von Unterstützern der Seite gespendet werden soll. Ist die „Crowd“ von dem Projekt überzeugt, kann diese sich an der Finanzierung beteiligen. „Bei ‚Krautreporter‘ ist der Leser die Redaktion beziehungsweise der Verlag“, erklärt Esser. Je nach Höhe ihrer Spende erhalten Unterstützer vom Journalisten dann eine Prämie, wie etwa exklusive Einblicke in die Projektarbeit oder namentliche Erwähnung im Endwerk.

Datenjournalismus trifft auf Reportage

Ein bereits erfolgreich finanziertes Crowdfunding-Projekt ist „Kopf oder Zahl“ von „paroli“, einem unabhängigen österreichischen Online-Magazin von Journalisten, Medien- und Filmemachern. Bei dem Vorhaben sollen persönliche Geschichten von jungen Menschen aus Europa („Kopf“) zusammen mit prägnanten Erhebungen und Statistiken („Zahl“) untermauert und gemeinsam dargestellt werden. Ergebnis des Projekts wird eine interaktive Europakarte sein, auf der die Geschichten und zugehörigen Daten in Form einer Webdoku visualisiert werden.

„Die Webdoku ist aus meiner Sicht keine gewöhnliche Homepage. Es darf nicht bloß ein Sammelsurium an Informationen sein, sondern es soll einen Spannungsbogen geben. Wie tief und weit man sich dort hineinbewegt, ist wieder eine Sache des Users“, erzählt Journalist und Künstler Lukas David Wagner, der die gestalterische Umsetzung des Multimedia-Projekts verantwortet.

„Krautreporting“ braucht mehr als nur spendable Freunde

Was die Herkunft der Spenden betrifft, haben Wagner und die Hörfunk-Reporterin Tillmann recht ähnliche Erfahrungen gemacht. „Das Wichtigste beim Crowdfunding ist tatsächlich Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Die hast du natürlich am ehesten bei den Leuten, die dich schon kennen“, erklärt Tillmann. Jeweils ca. 30 bis 40 Prozent der Spenden für die Projekte auf „Krautreporter“ stammen von Familienangehörigen und Freunden.

Pauline Tillmann rät jungen Medienmachern, den Mut zu haben, auch Fehler zu machen. Scheitern bedeute nicht, dass alles umsonst war, sondern dass grundsätzlich viel mehr Mut zum Scheitern gefasst werden sollte: „Einfach machen, wenn man von einem Thema total überzeugt ist. Es geht darum, Erfahrungen zu sammeln, denn der Weg ist das Ziel.“

Text: Annika Hauke. Bild: Quelle: Krautreporter. Bearbeitung: Susann Kreßner

<h3>Annika Hauke</h3>

Annika Hauke

Chefredakteurin