Petition gegen Zukunftsvision: Kommt jetzt das „Zwei-Klassen-Internet“?

von | 25. Juni 2013

Unterwegs ein paar Videos auf YouTube ansehen, Bilder per Whatsapp verschicken oder auf Facebook hochladen, ein paar Songs gestreamt und eine tolle neue App geladen – schon ist das mobile […]

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Ein Regenschirm, der die User vor dem Datenwust rettet? Die Telekom stellt dieses Foto für ihre Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung.

Unterwegs ein paar Videos auf YouTube ansehen, Bilder per Whatsapp verschicken oder auf Facebook hochladen, ein paar Songs gestreamt und eine tolle neue App geladen – schon ist das mobile Datenvolumen aufgebraucht. Und meistens ist dann noch viel zu viel vom Monat übrig. Die Telekom möchte dies auch für Festnetzanschlüsse zur Regel machen. Am 24. Juni ging ein Gesetzesentwurf gegen die Drossel-Pläne in den Petitionsausschuss des Bundestages.

Nach Verbrauch einer vertraglich festgeschriebenen Datenmenge, wird der mobile Internetzugang für’s Handy gedrosselt, so weit ist das gängige Praxis. Was bisher aber nur unterwegs für Frust und lange Ladezeiten gesorgt hat, droht nun auch dem heimischen DSL-Anschluss. Auch nach der ersten Anhörung im Petitionsausschuss des Bundestages am 24. Juni sind die Fronten zwischen der Telekom und den Netzaktivisten unverändert.

Mehr als 70.000 Bürger gegen Drosselkom

Im April diesen Jahres hat die Deutsche Telekom in einer Meldung ihr Vorhaben bekannt gegeben, ab 2016 die Bandbreite ihrer DSL-Anschlüsse nach überschreiten eines bestimmten Volumens auf 384 Kbit/s zu begrenzen. Selbst der Download eines üblich großen Fotos wie auf medienMITTWEIDA, würde dann eine halbe Sekunde und mehr dauern, bei mehr als zehn Fotos pro Seite würde es zu starken Verzögerungen beim Seitenaufbau kommen. Von Videos sei hier nicht einmal die Rede.

Die Resonanz auf die Vorstöße der Telekom war besonders auf Twitter riesig und neben viel harscher Kritik gab es beißenden Humor und viele ironische Kommentare. Der Begriff „Drosselkom“ ist auch außerhalb der Netzgemeinde bereits zum Synonym für die Konzernpläne geworden.

Hinzu kommt, dass durch die Möglichkeit für Unternehmen, ihre Dienste als kostenpflichtig einstufen zu lassen, viele Aktivisten die so genannte Netzneutralität in Gefahr sehen, ergo die Gleichbehandlung aller eintreffenden und herausgehenden Daten. Der Traffic dieser so genannten „Managed Services“ wird nicht im Inklusiv-Volumen des Kunden berücksichtigt. Einer der größten Kritiker dieser Pläne ist Johannes Scheller, Physikstudent an der Universität Tübingen und Netzaktivist, dessen Petition für Netzneutralität auf der Internetpräsenz des Bundestages innerhalb von drei Tagen das Quorum, also die notwendige Anzahl an Stimmen zum Einreichen in den Petitionsauschuss, erreichte.

Einen Grund, in dieser Angelegenheit politisch aktiv zu werden, sah Scheller darin, dass er das Internet, wie wir es kennen, in Gefahr sieht und die Schaffung eines Zwei-Klassen-Internets befürchtet. Vor allem aber nahm er die Reaktionen der Netzgemeinde als Anlass: „Zum Einen zeigte das, wie akut das Thema schon ist. Zum Anderen verdeutlichte es, wie viele Menschen sich dafür interessieren. Daher war das für mich der richtige Zeitpunkt für eine solche Aktion“, erklärt Schneller seine Motivation. Mit bislang über 70.000 Mitstreitern im Rücken, möchte der 20-Jährige nun Regierung und Opposition von der Wichtigkeit des Themas überzeugen. Denn dass der überwiegende Teil der Telekom-Kunden aus seinen Verträgen mit Volumentarif aussteigt und zur ungedrosselten Konkurrenz wechselt, sei seiner Meinung nach utopisch.

Teurer Netzausbau auf Kosten der Vielsurfer

Die Telekom wiederum verweist darauf, dass Wettbewerber bereits im Vorfeld volumengebundene Festnetztarife eingeführt hätten. Dies sei laut Philipp Blank, Sprecher der Deutschen Telekom AG im Bereich Regulierung, auch nicht weiter verwunderlich: „In sechs Jahren sind die Umsätze der Telekommunikationsbranche um neun Milliarden Euro auf 58 Milliarden Euro geschrumpft. Gleichzeitig stehen weitere Milliardeninvestitionen in neue Breitbandnetze an, weil der Internetverkehr explodiert“, beschreibt er die aktuelle Marktlage. Um dieser Entwicklung effektiv entgegen zu wirken, sei es laut Blank fair, diejenigen, die das Internet besonders intensiv nutzen, einen höheren Kostenanteil tragen zu lassen. Er betont außerdem, dass es nach wie vor Flatrates geben würde, diese dann aber etwas teurer sein würden.

Netzaktivist Scheller wiederum wünscht sich diesbezüglich mehr Initiative von Staat und Politikern. Der Ausbau des Breitbandnetzes sei ein ähnlich wichtiger Standortfaktor wie beispielsweise die Anbindung an Verkehrswege. Auch dieser werde selbstverständlich staatlich finanziert.

Sind manche Daten gleicher als andere?

Telekom-Regulierer Blank geht in seiner Argumentation sogar so weit, dass er behauptet, das Aufbrechen der Gleichbehandlung aller Daten im Netz leiste einen wesentlichen Beitrag zu faireren und besseren Diensten. So habe die Zusammenarbeit mit der Berliner Charité gezeigt, dass der priorisierte Versand von Patientendaten im Rahmen eines Managed Services, beispielsweise bei einem Schlaganfallopfer, Leben retten kann, da diese so wesentlich schneller zur Verfügung stehen würden. „Die richtige Behandlung kann damit schneller beginnen. Die strikte Gleichbehandlung von Daten kann dagegen dazu führen, dass das lustige YouTube-Video zuerst ankommt“, argumentiert Blank.

Digitale Ungewissheit

Wie sich die Drosselungspläne der Telekom bis zu ihrem angedachten Start im Jahr 2016 konkretisieren werden, steht noch offen. Der derzeit hohe öffentliche Druck und die unvorhersehbaren technologischen Entwicklungen lassen noch viel Raum für Änderungen. „Wir haben uns die Sorgen unserer Kunden sehr genau angehört und gehandelt: Ab 2016 werden wir die Surfgeschwindigkeit nach Aufbrauchen des Inklusivvolumens auf 2 Mbit pro Sekunde reduzieren, statt auf 384 Kbit“, so Telekomsprecher Blank. Ebenso wenig kann mit Gewissheit gesagt werden, welche Auswirkungen die Pläne des Bonner Unternehmens auf das Internet, wie wir es heute kennen, haben wird. Ist es möglich, dass sich das von der Telekom gezeichnete Bild bewahrheitet, in dem die Regulierung der Daten für ein effektives Internet als unabdingbar scheint? So könnte es wiederum, bei der zu erwartenden Steigerung im Datenverkehr, zu spürbaren Einschränkungen bei den alltäglichen Internetanwendungen wie Facebook, Twitter & Co. kommen. Auf der anderen Seite stehen die Befürchtungen von Scheller und anderen Aktivisten, dieses Vorgehen sorge dafür, dass einige Dienste sehr stark in ihrem Datentransfer herunterreguliert werden könnten. Eben die Firmen, die es sich nicht leisten können, die Kooperation mit der Telekom einzugehen, würden dann Gefahr laufen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

Text: Sarah Hähle. Bild: Deutsche Telekom. Bearbeitung: Susann Kreßner.

<h3>Sarah Hähle</h3>

Sarah Hähle