Warum die Bundeswehr „kulturell noch nicht ganz in der modernen Mediengesellschaft angekommen“ ist, erklärt PR-Berater Sascha Stoltenow im Interview. Denn für die Zukunft der deutschen Einheiten ist eine gute Kommunikation in Sachen Recruiting, Image und Politik von immenser Bedeutung.
Sascha Stoltenow zog es nach seinem Studium der Geschichts- und Sozialwissenschaften, sowie einem Auslandseinsatz in Jugoslawien bei der Bundeswehr, in die PR-Branche. Im Rahmen seiner Arbeit beschäftigt er sich vor allem mit Content-Strategien und deren Umsetzung für crossmediale Unternehmens- und Marketingkommunikation. Heute arbeitet Stoltenow als Kommunikationsberater in den Bereichen Unternehmenskommunikation und Corporate TV. Auf seinem privaten Weblog „bendler-blog“ betrachtet der ehemalige Soldat die Werbekampagnen der Bundeswehr eher kritisch.
Herr Stoltenow, Sie waren lange Zeit Soldat und studierten an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Geschichts- und Sozialwissenschaften. Der Sprung zur Medien- und PR-Branche scheint zunächst ungewöhnlich. Was hat Sie zu diesem Wechsel bewogen?
Neugier. Ich hatte mich als Zeitsoldat auf 12 Jahre verpflichtet, hatte aber schon immer eine Affinität zu Medien. Am Tag meiner Einberufung habe ich einen Freund kennengelernt, der kreativ sehr talentiert ist. Schon bevor wir richtige Fallschirmjäger waren, wollten wir Werber sein. Das war in den 1990ern ziemlich zeitgeistig. Werber waren schick.
In den letzten zwei Jahren meiner Dienstzeit ergab sich die Chance eines Wechsels zur Truppe für operative Information. Hier durfte ich die sogenannten Einsatzkameratrupps aufbauen. Dies ist – wenn man so will – die Kriegsberichterstattung in Uniform. In Verbindung mit einer Ausbildung zum PR-Berater bei „PR-Plus“ in Heidelberg war das eine gute Grundlage, um in die Kommunikationsberatung zu wechseln.
Gibt es aus Ihrer Sicht Parallelen zwischen Bundeswehr und der Medien-Branche?
Ich würde die Parallelen eher grundsätzlicher ziehen. Eine Organisation wie die Bundeswehr hat vergleichbare kommunikative Anforderungen und Aufgaben wie Unternehmen und zivile Organisationen. Darüber hinaus ist ein Teil der Bundeswehr selbst ein Medienunternehmen, dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter international tätig sind.
Leider sind die Ergebnisse dieser Arbeit, insbesondere in der Öffentlichkeitsarbeit, in Deutschland nicht wirklich optimal. Mein Eindruck ist: Die Bundeswehr ist kulturell noch nicht ganz in der modernen Mediengesellschaft angekommen und nutzt ihre Chancen noch nicht.
Auf ihrem Blog veröffentlichen Sie Anmerkungen zur sicherheitspolitischen Kommunikation. Gerne sind Sie dabei auch kritisch. Worin bestehen denn hier derzeit die Probleme?
Das Thema Sicherheitspolitik ist für die meisten Menschen abstrakt. Wenn Sie in der Fußgängerzone Menschen nach bekannten Popstars, Fußballern, Politikern oder TV-Moderatoren fragen, bekommen sie eine ganze Reihe von Namen. Fragen Sie aber mal nach einem deutschen Soldaten. Wir können uns grundsätzlich glücklich schätzen, dass die meisten Menschen vom Thema Krieg und Gewalt so weit entfernt sind, dass sie sich damit nicht befassen müssen.
Die Kehrseite ist, dass Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, welche zu diesem Zustand beitragen, nur selten in den Medien präsent sind. Nur bei außergewöhnlichen Ereignissen, wie etwa dem Bombardement in Kundus oder wenn deutsche Soldaten fallen, kocht das Thema hoch – und ebbt dann schnell wieder ab. Das führt dazu, dass wir in Deutschland über Soldatinnen und Soldaten sprechen anstatt mit ihnen. Es gibt niemanden, der dem Thema ein Gesicht und eine Stimme gibt.
Das öffentliche Bild der Bundeswehr wird also von nur einer Behörde, dem Verteidigungsministerium, entscheidend geprägt. Der Chef dieser Behörde ist wiederum ein Teil der Regierung und handelt, wie am Beispiel EuroHawk, nach politischer Logik. Im Denken des Apparats steht somit die Frage danach, wie man den Minister in Szene setzen kann, statt die Leistung der Truppe zu belichten.
Wie würden Sie diese Problematik denn im optimalen Fall gestalten bzw. lösen?
Optimal wäre es, wenn die Streitkräfte kommunikativ selbstständiger wären. Sie sollten eigene Budgets für ihre Kommunikation erhalten und diese auch entsprechend einsetzen können. Angesichts meiner Kampagnen bin ich mir aber nicht sicher, ob das die grundsätzlichen Probleme lösen kann.
Nehmen wir als Beispiel die Kampagne der Marine „Meer.Für.Dich“ aus dem Sommer, die Sie hart kritisierten. Was sind die Ursachen für das Scheitern solcher Kampagnen?
Im Kern muss jede Kommunikation der Bundeswehr zumindest implizit jedem Einzelnen die Frage beantworten: Warum soll ich bereit sein zu töten oder getötet zu werden? Denn das ist das Besondere an der Rolle des Soldaten. Die Marine beantwortet diese Frage mit Bananen, Benzin und Handy. Das ist so absurd, dass man vermuten könnte, die Mediensatiriker von „extra 3“ oder „ZAPP“ hätten sich das ausgedacht.
Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob die Kampagne gescheitert ist. Zumindest werden Sie keinen Beteiligten finden, der dies zugeben würde. Genau das aber markiert ein Problem. Trotz enormer personeller und materieller Ressourcen gibt es in den Führungspositionen kaum professionell ausgebildete und erfahrene Kommunikations-ManagerInnen. Es fehlen sowohl Qualitätsmaßstäbe als auch Erfahrung.
Warum bemerkt so etwas denn niemand bei der Bundeswehr im Vorfeld?
Die Bundeswehr beweist schon eine bemerkenswerte Kontinuität, wenn es darum geht, schlechte Werbung zu machen. Das liegt unter anderem auch an der mangelnden Fähigkeit zur Selbstkritik. Man muss aber auch zugestehen, dass die Bundeswehr im Vergleich zu anderen Streitkräften relativ wenig Geld in die Hand nimmt.
Mittlerweile ist hingegen schon eine Verbesserung in Sicht. Mit „Wir.Dienen.Deutschland“ hat die Bundeswehr eine prägnante Kampagne entwickelt, welche einen wichtigen Teil des soldatischen Selbstverständnisses auf den Punkt bringt.
Mehr von Sascha Stoltenow und seinem Fachgebiet?
Gibt es! Zum diesjährigen Medienforum am 11. und 12. November in Mittweida. Gemeinsam wird er mit Thomas Wiegold über sein zur „Call for Papers“-Aktion eingereichtes Thema „Das Social Web wird zum Kriegsgebiet“ referieren. Beide sind schon gespannt, wie das Publikum diese Thematik aufnehmen wird und hoffen, dass sie einige Fragen zu Medien und Krieg beantworten, vielmehr aber auch aufwerfen können. Alle Infos gibt es zeitnah bei uns und auf der Webseite des Medienforums. Seien Sie „im Puls der Zeit“ und seien Sie dabei!
Das Interview führte: Michelle Mucha. Bild: Medienforum Mittweida. Bearbeitung: Susann Kreßner.