Medialer Blickwinkel auf die Krim-Krise

von | 10. April 2014

Seit Februar diesen Jahres kam es immer wieder zu Zusammenstößen von Ukrainisch- und Russischstämmigen auf der Krim. Nachdem Putin die Krim annektiert hat, ist die Lage noch angespannter geworden. Doch ist die […]

Seit Februar diesen Jahres kam es immer wieder zu Zusammenstößen von Ukrainisch- und Russischstämmigen auf der Krim. Nachdem Putin die Krim annektiert hat, ist die Lage noch angespannter geworden. Doch ist die Berichterstattung in den Medien über diese Ereignisse noch objektiv oder von einer politischen Richtung beeinflusst? Wir haben dazu Experten und Ukrainerinnen direkt befragt.

Nachdem der Präsident der Ukraine, Viktor Janukovitsch, vom ukrainischen Parlament für abgesetzt erklärt wurde, lehnte sich die Regierung der autonomen Republik Krim, die durch unbekannte bewaffnete Kräfte an die Macht gekommen war, gegen die Übergangsregierung der Ukraine auf. Am 16. März gab es ein Referendum über den Status der Krim, an dem sich die Mehrheit der Krim für einen Beitritt zur Russischen Föderation aussprach. Einen Tag darauf wurde ein Beitrittsantrag an die Russische Föderation gestellt und am 18. März ein Beitrittsabkommen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin unterzeichnet. Diese Veränderungen lösen international große Proteste und Kritik aus und führen zu Spannungen zwischen der EU, den USA und Russland.

Doch werden die Geschehnisse auf der Krim in den Medien objektiv dargestellt oder erhalten wir nur eine zensierte Version? Von allen Seiten wird über die politischen Veränderungen im gespaltenen Land berichtet, womit die Medien selbst mehrere Verschwörungstheorien aufstellen sollen, wie es im „Stern“ heißt. Manche gehen sogar so weit, den Medien vorzuwerfen, sie würden einen neuen Kalten Krieg herauf beschwören. So zum Beispiel Ewald Stadler, Vorsitzender der Österreichischen Partei „Die Reformkonservativen“. Er war als Wahlbeobachter auf der Krim und berichtete ausführlich in einer Pressekonferenz über seine Eindrücke. Dabei stellte er unter anderem die Behauptung auf, es werde in Europa gezielt Hetze betrieben:

„Hier sind Kriegstreiber am Werk. Es sind Kriegstreiber, die es offensichtlich kaum erwarten können, ein sich erstarkendes Russland frühzeitig in die Knie zwingen zu wollen. […] Wer das macht, treibt diesen Kontinent in den Krieg. […] Wir erleben hier eine unglaubliche Hetze, die mich aber auch erinnert an die Hetze am Vorabend des Irak-Krieges.“

Konkrete Medien nannte er dabei nicht, aber es ist eindeutig eine scharfe Kritik an der Berichterstattung erkennbar. Der Link zum Video hier.

„Ich war schockiert über die Unwahrheiten im Fernsehen“

Dass in Russland die Pressefreiheit eingeschränkt ist, steht für die meisten Menschen in Westeuropa fest. Dort ist die „Hetze“, wie von Herrn Stadler angesprochen, oder wohl eher die allgemeine Berichterstattung wahrscheinlich von vorherein mit einer pro-russischen Meinung untermalt. Doch wie denken die Bürger vor Ort darüber? medienMITTWEIDA hat mit ukrainischen Auslandsstudenten gesprochen, die von ihren persönlichen Eindrücken berichten.

Auf die erste allgemeine Frage: „Sollte die Krim an Russland fallen oder weiterhin zur Ukraine gehören?“ antworteten die Befragten einstimmig, sie würden hoffen, dass die Krim weiterhin zur Ukraine gehören wird. Ob sie denken, dass in russischen, ukrainischen und westlichen Medien einseitig berichtet wird, äußerte Valeriia Kuznetsova, eine der befragten Studentinnen: „Ich habe russische Nachrichten gesehen und war schockiert, dass es nur Nachrichten gibt, die die Unwahrheit darstellen und Dinge sagen, die der Wirklichkeit nicht entsprechen.“ Hierbei sieht man, dass sich in den osteuropäischen Medien die häufig anzutreffende Korruption in der Politik auch auf die Medien ausbreitet.

Folglich ist festzustellen, dass die Medien in Russland aufgrund ihrer politischen Auffassung keine objektive Berichterstattung von sich geben. Auch wenn man in deutschen Medien, wie dem Fernsehsender PHOENIX, Interviews mit russischen Journalisten betrachtet, ist diese Prägung erkennbar. Doch kann man das auf die deutschen Medienberichte adaptieren?

Reaktionen eines deutschen Journalisten

Wie wurden diese Vermutungen von Journalisten wahrgenommen? medienMITTWEIDA befragte Tim Rahmann, Journalist bei der „WirtschaftsWoche“, zu seinem Eindruck und dem Vorwurf, die westliche Medienwelt wolle einen neuen Kalten Krieg heraufbeschwören. Er meint: „Eine einseitige Berichterstattung kann ich nicht feststellen.“ Er gibt dazu Beispiele, wie den Kommentar von Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt in der „ZEIT“, in dem er Verständnis für Putin äußerte. Außerdem verweist er auf Artikel aus der WirtschaftsWoche, die für Entspannung im Krisengebiet plädieren. „Die These, deutsche Medien würden einen neuen Kalten Krieg heraufbeschwören, halte ich für sehr steil“, so Rahmann und bezieht sich vor allem auf die wirtschaftlichen Gefahren im Konflikt um die Krim. Die Arbeitsmärkte in Russland und Deutschland würden durch mögliche Wirtschaftssanktionen negativ betroffen werden. Er ist für einen Dialog mit Moskau.

Trotz einzelner Vorwürfe über die einseitige Berichterstattung kann man recht sicher sein, dass die deutschen Medien wahrheitsgemäß berichten und somit keinen Kalten Krieg heraufbeschwören. In Krisengebieten, in denen mehrere internationale politische Interessen aufeinander prallen, bleibt es dennoch teils schwierig, objektiv zu berichten. Dafür ist es für die Leser und Nutzer umso wichtiger, die Sachlage ständig zu hinterfragen und nicht alle Informationen nüchtern hinzunehmen.

Text: Benjamin Lubashevsky.  Bild: Flickr, Alexandra (Nessa) Gnatoush, Lizenz: CC, Bearbeitung: Sarah Krause

<h3>Benjamin Lubashevsky</h3>

Benjamin Lubashevsky

Redakteur bei medienMITTWEIDA Redakteur bei 99drei Radio Mittweida Kontakt: blubashe@hs-mittweida.de zu Hören: Die Leinwand