Fast 450 Millionen Nutzer weltweit nutzen WhatsApp. Um die Sicherheit ihrer Daten haben sich bislang wohl nur die Wenigsten Gedanken gemacht. Seit der Übernahme durch Facebook suchen allerdings immer mehr Nutzer nach sicheren Alternativen. Doch halten diese wirklich, was sie versprechen, und wie wichtig ist uns eigentlich Datensicherheit?
Vor ziemlich genau zwei Monaten kaufte Facebook für 19 Milliarden Dollar den Messenger-Dienst WhatsApp und erregte damit die Gemüter. Viele Nutzer haben seitdem Angst, dass Facebook nun auch Telefonnummern und andere sensible Daten von ihrem Smartphone ausspionieren kann. Alternativen wie Threema und Telegram bekamen aufgrund dessen riesige Nutzerzuwächse.
Trotzdem sind viele WhatsApp treu geblieben und das, obwohl sie sich der Sicherheitsrisiken bewusst sind. Dirk Pawlaszczyk, Informatik-Professor an der Hochschule Mittweida, meint dazu: „Ein Netzwerk muss erst eine kritische Masse haben, damit es auf Dauer funktioniert.“ Seiner Meinung nach wird WhatsApp „langfristig oder mittelfristig keinen Abbruch haben“. Dies hat zum größten Teil wohl mit der Trägheit der Menschen zu tun.
Was macht WhatsApp so erfolgreich?
Zuerst ist zu sagen, dass WhatsApp die von Prof. Pawlaszczyk erwähnte „kritische Masse“ hat. Jeder, der diesen Messenger nutzt, wird wohl viele seiner Kontakte darüber erreichen. Außerdem ist die App einfach zu bedienen und hat umfangreiche Funktionen. Es können Fotos, Videos und sogar Sprachaufnahmen direkt aus WhatsApp heraus aufgenommen und versendet werden.
Freunde und Bekannte sind bereits in die Kontaktliste aufgenommen worden, da die Applikation das Telefonbuch der Nutzer synchronisiert und somit alle, die den Messenger ebenfalls installiert haben, erkennt. Gerade diese Funktion ist unter jetzigen Gesichtspunkten immer kritischer anzusehen. Wo bleibt die Sicherheit, wenn WhatsApp mein Telefonbuch einfach auslesen und analysieren kann?
Wie sieht es mit den Alternativen aus?
Telegram ist noch sehr jung. Erst im August letzten Jahres startete der Dienst, der WhatsApp extrem ähnelt. Sowohl vom grundlegenden Aufbau als auch von den Funktionen ist kaum ein Unterschied erkennbar. Wahrscheinlich haben deshalb auch so viele zu Telegram gewechselt. Das Unternehmen teilte am 24. März auf Twitter mit, dass sie die 35 Millionen Nutzermarke erreicht haben. Der Messenger gilt für viele zwar als sicher, aber ein vor Kurzem veröffentlichter Test der PSW-Group lässt dies bezweifeln.
Der kostenpflichtige Messenger Threema ist wohl die bekannteste Alternative. Für iOS bezahlen Nutzer einmalig 1,79 €, für Android 1,60 €. Angeblich stiegen die Nutzerzahlen nach Bekanntwerden des Deals zwischen Facebook und WhatsApp über Nacht um das Doppelte. Hier wird eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versprochen, die es selbst den Betreibern unmöglich macht, Daten mitzulesen. Um die leere Kontaktliste zu füllen, wird ein kryptografischer Schlüssel erstellt. Eine Synchronisierung des Telefonbuchs ist jedoch ebenfalls möglich. Die PSW-Group testete auch diesen Messenger und konnte keine direkten Sicherheitsprobleme feststellen. Der ausführliche Test ist hier zu finden.
Die deutsche Konkurrenz: Hoccer
Die deutsche Firma Hoccer bietet zurzeit zwei Apps an, die zusammen schon über 2,5 Millionen Nutzer haben. Bei beiden Apps muss der Nutzer weder eine Telefonnummer noch einen Namen angeben, um sie zu benutzen. Im Interview mit medienMITTWEIDA gab der Geschäftsführer Jérôme Glozbach de Cabarrus an, die Nutzer mit diesem Alleinstellungsmerkmal überzeugen zu wollen.
„Hoccer Classic“ ist eine Datenaustausch-App, bei der intuitive Gesten für die Übertragung genutzt werden. Damit wäre es möglich, dass ein Musiker auf einem Konzert ein Foto macht und dieses mit allen anwesenden Fans teilt. Hierfür muss lediglich die App auf allen Handys installiert sein.
Bei „Hoccer XO“ wird ebenfalls eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung angeboten. Es sind zwar (noch) keine Emoticons verfügbar, aber Herr Glozbach de Cabarrus schätzt die Chancen seiner App trotzdem gut ein. Er setzt auf die Datensicherheit, außerdem ist von Mai bis Juni eine Fusion beider Apps geplant.
So werden Daten sicher übertragen
Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wurde schon mehrfach erwähnt. Doch wie funktioniert sie eigentlich? Prof. Pawlaszczyk erklärte es für medienMITTWEIDA:
„Zwischen zwei Kommunikationspartnern wird ein Schlüssel ausgetauscht. Mithilfe dieses Schlüssels wird eine Verbindung aufgebaut, die nur diese beiden lesen können. Jede Nachricht wird mit diesem Schlüssel verschlüsselt, d. h. in ein nicht-lesbares Format umgewandelt. Die Nachricht kann demnach auch nur von demjenigen gelesen werden, der im Besitz dieses Schlüssels ist.“
Wenn man diesen Schlüssel nicht hat, kann man die Nachricht nur sehr schwer wieder in Klartext übersetzen, so Pawlaszczyk. Je länger der Schlüssel ist, umso sicherer ist also die Verbindung. Threema gibt an, eine Schlüssellänge von 2048 Bit zu benutzen, bei „Hoccer XO“ können sogar bis zu 4096 Bit eingestellt werden.
Datensicherheit unwichtig?
Aber warum nutzen trotz der Sicherheitsbedenken immer noch so viele WhatsApp? Dazu machte eine medienMITTWEIDA Redakteurin bereits im Artikel vom 7. April eine treffende Aussage:
„Zu einem Wechsel müsste sich aber eine Mehrheit entscheiden. Denn was nützt mir die sicherste Plattform, wenn ich quasi alleiniger Nutzer bin?“
In einer Umfrage an der Hochschule Mittweida mit fast 60 Teilnehmern bestätigte sich diese Aussage. Die meisten Nutzer gaben an, mehrere Messenger zu nutzen, probieren damit die Alternativen aus. Viele bleiben aber anscheinend bei WhatsApp, da die Mehrheit ihrer Freunde und Bekannten nicht zu einem anderen Anbieter wechselt. Möglicherweise sind sich viele auch nicht sicher, ob Alternativen wie Threema wirklich besser sind.
Es bleibt also die Frage, ob wir den angeblich sicheren Alternativen wirklich mehr trauen können als WhatsApp. Der Informatik-Professor Dirk Pawlaszczyk sagt: „Es gibt keine 100-prozentige Sicherheit im Netz“; Hoccer-Chef Glozbach de Cabarrus teilt diese Meinung. Wenn jemand die Absicht hat, ein bestimmtes Handy auszuspionieren, und alles Mögliche daran setzt, wird dies wohl auch nach einer gewissen Zeit gelingen.
Professor Pawlaszczyk rät, sich mehr Gedanken darüber zu machen, was man online von sich preisgibt. Er selbst benutzt keine Messenger-Dienste. Die Entscheidung darüber, wie man mit seinen Daten umgehen sollte, kann somit nur jeder für sich selbst treffen.
Text: Christin Sperling, Grafik: Nadine Dietrich