Den Abschluss des Medienforums Mittweida 2015 bildete auch in diesem Jahr eine Talkrunde in Kooperation mit dem gleichzeitig stattfindenden Udo-Steinberg-Symposium. „SPORT.FANS.MEDIEN.“ lautete das Thema, zu dem hochkarätige Gäste auf dem Podium des Herbert E. Graus-Studios diskutierten. Inwieweit Sportfans unter der Beobachtung von Medienmachern stehen und Sportler heutzutage nur noch auswendig gelernte Interviews geben, haben die Experten zum Abschluss des Kongresses beleuchtet.
Es läuft die 12. Spielminute im Spiel der SG Dynamo Dresden gegen den VfR Aalen. Ein ganz normales Spiel der 2. Bundesliga. Ganz normal? Nein, nicht ganz – denn irgendetwas ist anders. Es ist ungewöhnlich still im sonst so lauten Hexenkessel zu Dresden. 12 Minuten und 12 Sekunden zeigt die Anzeigetafel mittlerweile an und plötzlich wird es wieder laut im Stadion. Fangesänge, Fahnen und Trommelgeräusche – das altbekannte Bild des Erlebnisses Stadionbesuch. So geschah es im November 2012. Dahinter steckte eine Faninitiative vieler deutscher Fangruppen gegen ein damaliges Sicherheitskonzept der Deutschen Fußball Liga (DFL), das am 12. Dezember 2012 verhandelt wurde. Ein Beispiel, das zeigt, wie wichtig Fans für das Erlebnis Sport sind und wie stark Fans im Fokus der Medien stehen. Denn die Kampagne der deutschen Fangruppen schaffte es in jede Zeitung und war Thema jeglicher Sportnachrichten.
Expertenrunde vorgestellt
Über Sport, Fans und Medien diskutierten auch die eingeladenen Referenten zum Abschluss des Medienforums 2015. Die sympathische Moderation für diese Podiumsdiskussion übernahm Stephanie Müller-Spirra. Die studierte Kommunikations- und Sprachwissenschaftlerin arbeitete schon als On-Air-Moderatorin für Sendungen wie Sport im Osten, Riverboat und der ARD-Sportschau. Neben ihr nahmen folgende Gäste Platz:
Christian Happel, Marketingleiter beim Chemnitzer FC (CFC)
Gerhard Meier-Röhn, ehemaliger Mediendirektor des Deutschen Fußballbundes (DFB)
Prof. Udo Rudolph, Experte für Psychologie
Steffen Schuster, erster Polizeihauptkommissar
Besser gesagt diskutierten die Podiumsgäste über Fußball. Andere Sportarten fanden, trotz des Panel-Titels, kaum Beachtung. Das liegt zum einen natürlich daran, dass Fußball in Deutschland unangefochten die Sportart Nummer Eins ist, doch zum anderen auch an der Zusammensetzung des Podiums.Teile der Twitter-Gemeinde waren davon nicht gerade begeistert.
Ab wann ist ein Fan kein Fan mehr?
Der Begriff, der häufig zuerst mit Fußballfans in Verbindung gebracht wird, ist Gewalt. So war auch zu erwarten, dass die Diskussion anfangs in diese Richtung gehen wird. Wer oder was ist überhaupt ein Fan? Wie sieht er aus? Wie verhält er sich? Gibt es überhaupt eine allgemeingültige Definition für einen Fan? Geht es nach dem ersten Polizeihauptkommissar Schuster, muss zwischen Fans und Straftätern unterschieden werden: “Ein Fan ist für mich jemand, der zu einem sportlichen Ereignis geht und dieses genießen möchte. Störer und Straftäter sind für mich keine Fans. Allgemein wird hierbei von ‘sogenannten Fans’ gesprochen.” In einem waren sich die Podiumsgäste einig: Die eine Definition von Fans gäbe es nicht. CFC-Marketingleiter Happel kann vor allem einen Wandel im Ausleben des Fanseins erkennen: “Es besteht keine heterogene Masse im Stadion. Zum einen stehen die Ultras in der Kurve, gegenüber sitzt der Papa mit Sohn und daneben gibt es Mädchen, die gefühlt 80 Minuten nur mit ihrem Smartphone beschäftigt sind.” Ob diese Mädchen vielleicht gerade das letzte Instagram-Foto ihres Lieblingsspielers anschauen? Jedenfalls beeinflussen diese neuen Medien auch die Beziehung zwischen Fans und Spielern oder Vereinen. Fans hätten eine stärkere Bindung und wären somit näher an ihren Idolen dran.
Gewalt im Fußball: Ost vs. West
Immer wieder wird unter Fans ostdeutscher Vereine bei Ausschreitungen und Randalen die angebliche Berichterstattung mit zweierlei Maß heiß diskutiert. Kein Wunder also, dass diese Frage aus dem Publikum an das Podium gerichtet wurde. Bei diesem Punkt kommt die Diskussion zum ersten Mal richtig in Schwung. Während Meier-Röhn, als ehemaliger Sportreporter im Westen Deutschlands, keine richtige Unterscheidung feststellen konnte bzw. wollte, gab er am Ende schließlich doch zu, dass ein Verein wie Dynamo Dresden, ganz einfach durch mehrmaliges Fehlverhalten, unter besonderer Beobachtung stehen würde – auch medial. Polizeihauptkommisar Schuster brachte allerdings ganz andere Fakten ins Gespräch: “Es gibt ganz andere Vereine, die ebenfalls auffällig sind und von denen ich weitaus mehr berichten kann: Bei Spielen von Dortmund hatte ich in meiner Laufbahn bisher 149 Personen in Gewahrsam genommen, bei Dresden: null.” Schuster betont nochmals, dass Gewalt im Fußball keineswegs ein Ost-Problem sei. Die Ligazugehörigkeit spiele dahingehend eine Rolle, dass die Stadien in den beiden Bundesligen natürlich viel besser ausgestattet und die Sicherheitskonzepte viel ausgefeilter seien.
Hohle Floskeln statt echter Meinung
Nachdem sich die erste Hälfte des Talks fast ausschließlich um die negativen Eigenschaften von Fans drehte, wollte Moderatorin Stephanie Müller-Spirra die Diskussion in eine positivere Richtung lenken. Positiver wurde es zwar kaum, doch standen nun nach den Fans eher die Medien in der Kritik. Die Meinung des anwesenden Publikums: Spielerinterviews direkt nach dem Spiel seien nicht mehr interessant. Zu häufig bekämen die Zuschauer hohle Phrasen geliefert, die sich eigentlich jede Woche bei allen Spielern wiederholen. Zunehmend rückte der ehemalige DFB-Mediendirektor Gerhard Meier-Röhn in den Mittelpunkt der Diskussion. Mit seinen Aussagen polarisierend, sorgte er bei vielen Anwesenden für Unverständnis. “Zuschauer erwarten von diesen Spieler-Interviews zu viel. Was man von den Spielern erwarten kann, sind Authentizität und keine hochgestochenen Sätze.” Auch bei Twitter stieß seine Meinung auf wenig Gegenliebe, so schrieb Userin @th_g: “Herr Meier-Röhn findet es authentisch, wenn ein Fußballer auswendig gelernte Sätze aufsagt… das sagt alles über den DFB.” Den Höhepunkt dieser Diskussion bildete wohl, als Meier-Röhn behauptete, dass Fußballspielern, im Speziellen Nationalspieler, keine vorgefertigten Interviewantworten vorgelegt würden. Die Rechnung hatte er dabei allerdings ohne das Publikum gemacht. Zwei Zuschauer konnten bestätigen, dass bereits bei Lehrgängen von Jugend-Nationalteams des DFB Spielern passende Antworten auf mögliche Interviewfragen vorgegeben werden. Eine wirkliche Antwort hatte Meier-Röhn nicht parat, außer: “Das kann ich nicht beurteilen, mir ist ein solches Dokument nicht bekannt.” Ganz bestreiten wollte er die Existenz solcher Dokumente allerdings auch nicht. Die rege Teilnahme vom Publikum im Studio und bei Twitter zeigte, für wieviel Gesprächsstoff dieses Thema sorgt. Auch die anderen Gäste auf dem Podium schlossen sich der Meinung der Zuschauer an und forderten größere Vielfalt und mehr Kreativität bei Interviews.
Abgeschlossen wurde die Diskussion mit dem Versuch, in die Zukunft des Spannungsfeldes “Sport.Fans.Medien” zu blicken. Meier-Röhn sah die drei Schlagworte als erfolgreiche Trilogie, die Polizei und Happel wünschten sich eine objektivere Berichterstattung – auch über 90 Minuten hinaus. Außerdem möchte sich Udo Rudolph aus psychologischer Sicht gern auf den überwiegenden, großen Teil der Fans konzentrieren, die für positive Schlagzeilen sorgen.
Mit einer spannenden Diskussion ging das diesjährige Medienforum zu Ende. Auch wenn der Ex-DFB-Mediendirektor Gerhard Meier-Röhn mit seinen Aussagen oft aneckte, war er für die Diskussion ein wichtiger Gesprächsgast. Zum Schluss gab es noch einen Appell von Udo Rudolph in Richtung Meyer-Röhn, die Zuschaueranmerkungen ernstzunehmen – dem können wir uns nur anschließen.
Text: Florian Kneffel, Beitragsbild: Nadine Dietrich.