Eine ganz persönliche Frage

von | 28. Juni 2017

Eine ganz persönliche Frage

Der nachfolgende Text ist nicht ganz ernst gemeint, auch wenn mich die Frage ernsthaft zum Nachdenken angeregt hat.

Was ist dein besonderer in Mittweida? So lautet die Frage, über die ich mir gerade den Kopf zerbreche. Ich gebe zu, dies tue ich nicht ganz unfreiwillig. Im Rahmen des Projektes “medienMittweida”, ist es meine Aufgabe einen Artikel zu verfassen zu eben diesem Thema. Eine einzige Frage. Eine eigentlich sehr simple Frage. Dennoch fällt es mir ungewöhnlich schwer, eine passende Antwort darauf zu finden. Es geht um meinen ganz persönlichen Lieblingsort. Ich bin fast jeden Tag in dieser Stadt, besuche Vorlesungen, Seminare und… . Genau da liegt mein Problem. Ich gehöre zu den wahrscheinlich wenigen Studenten dieser Hochschule, die nicht in Mittweida wohnen beziehungsweise “leben”. Mittweida ist mit seinen Studenten ein ganz eigener Kosmos, der mir allerdings irgendwie verschlossen bleibt. Ich selbst lebe in Chemnitz, arbeite da, verbringe meine Freizeit da und habe all meine Freunde dort. Ich sehe Mittweida mit ganz anderen Augen, als die meisten Studenten, welche hier ihre ganz persönlichen Geschichten erleben.

Oft höre ich von den Anderen, wie am Abend zuvor gefeiert wurde und welche persönlichen Tiefpunkte bezüglich des Alkoholkonsums erreicht wurden. Und ja, manchmal denke ich, ich wäre gern ein Teil dieser Geschichten. Aber irgendwie ergibt es sich einfach nicht. Im Studentenclub war ich bisher ein einziges Mal. An diesem Punkt würde ich das Wort “einziges” gerne steigern können um zu verdeutlichen, was ich damit meine. Ich erinnere mich sehr genau daran, denn ich war, was in diesem Etablissement wohl eher die Ausnahme sein dürfte, vollkommen nüchtern. Es war der erste Tag an der Hochschule und uns wurde von einer Studentin der Campus gezeigt. Ich kann verstehen, dass meine Kommilitonen jedes Mal darüber erstaunt sind, dass ich noch nie mit ihnen feiern war. Es scheint also derart abwegig zu sein, dass sie selbst der Meinung sind, es muss auf jeden Fall schon einmal zu solch heiteren, gemeinsamen Abenden gekommen sein. Vielleicht bin ich ja doch heimlich ein Teil dieser spannenden “Suff-Geschichten”. Wahrscheinlich eher als Running Gag. Ich könnte mir da sehr gut so etwas wie den Blitz aus “How i met your mother” vorstellen. Nur kurz zur Erklärung, für den unwahrscheinlichen Fall, dass dir der Begriff Blitz nichts sagt. Als Blitz bezeichnet man den Typen, der nie dabei ist, wenn eine Gruppe von Freunden spannende oder lustige Dinge erlebt. Er verpasst genau diese Situationen, welche in jedem Freundeskreis über Jahre rauf und runter erzählt werden, bei jeder nur erdenklichen Gelegenheit. Er wird nie Teil dieser Geschichten. Es ist wie ein Fluch.

So drastisch würde ich das bei mir allerdings nicht sehen. Mein Leben und meine persönlichen Geschichten finden nur eben einfach nicht in Mittweida statt.

Jetzt habe ich so viel geschrieben und bin der Lösung dieser Aufgabe kein Stück näher gekommen. Es muss doch etwas geben, was ich in Mittweida gern tue. Etwas, das nicht direkt mit Studieren zu tun hat. Das denken fällt mir in diesem Augenblick ohnehin sehr schwer. Hast du zufällig auch einen Kaffeevollautomaten? Diese Dinger sind unfassbar laut. Manchmal frage ich mich, ob ich nicht ausversehen einen Sack Schrauben in den Automaten gefüllt habe und damit gerade das Mahlwerk malträtiere. Zudem ist das Reinigen auch so kompliziert und zeitaufwendig. “Schrauben Sie Aufsatz A von der Düse, drücken Sie diesen und jenen Knopf. Nehmen Sie nun behälter B heraus und entleeren Sie diesen. Stecke Sie Reinigungstablette C in den dafür vorgesehenen Behälter D.” So viel Arbeit für ein wenig Genuss. Da lobe ich mir doch den Kaffeeautomaten in der Hochschule.

Halt!
Das ist es!

Eine simple Frage verlangt anscheinend eine ebenso simple Antwort.

Mein Lieblingsort in Mittweida ist der Kaffeeautomat im Haus 39. Ich bin jeden Tag mindestens einmal in diesem Raum, welcher gerade ausreichend Platz bietet, um darin zu stehen und sich vorsichtig um die eigene Achse drehen zu können, was beim entnehmen des Wechselgeldes, auch schon einmal zum Problem werden kann. Wenn ich diesen Automaten so vor meinem geistigen Auge betrachte, spiegelt er sogar mein persönliches Empfinden für die Stadt Mittweida wieder. Ich besuche jenen Automaten jeden Tag. Ich wähle allerdings jeden Tag das gleiche Heißgetränk. Ich entnehme ihm jeden Tag einen großen Becher Kaffee mit Milch und etwas Zucker. Ebenso besuche ich jeden Tag die Stadt Mittweida. Dort sitze ich jeden Tag in denselben Gebäuden und tue, was Studenten ebenso tun.

Vielleicht gibt es ja eigentlich viele interessante Dinge zu entdecken oder im Falle der Heißgetränke neue Geschmäcker. Allerdings bin ich ganz zufrieden mit meinem einfachen Kaffee. Sicherlich ist der Automaten-Kaffee kein Vergleich zu meinem Milchschaum produzierenden Vollautomaten, welcher klingt, als habe man ihn direkt im Jurassic Park entwickelt und aus Teilen einer russischen Sojus Rakete gefertigt, aber er hat dafür seine ganz eigenen Stärken. Kaffeetrinken ist purer Genuss. Man setzt sich mit diesem heißen Becher in einen der kalt und steril wirkenden Hörsäle und verspürt dennoch dieses gemütliche, wohlige Gefühl.

Wenn man sich dann noch einen Becher Kaffee mit zu einem Meeting nimmt, kommt man sich gleich richtig wichtig vor, als ob der Kaffee ein klischeebehaftetes Accessoire für Anzug tragende Geschäftsmänner wäre. Dies gilt anscheinend nur, wenn auf dem Pappbecher eines berühmten Franchise auch der eigene Name steht. Man sieht erfolgreiche Menschen im Fernsehen immer Kaffee trinken, während sie wichtige Meetings abhalten und über neue Geschäftsmodelle diskutieren.

Ich schweife ab.

Der Kaffeeautomat ist weder Rassist, noch behandelt Minderheiten gesondert. Er macht keine Unterschiede zwischen Arm und Reich, Dick und Dünn, Blass und Sonnengebräunt. Jeder bekommt das, was er möchte. Oder eben nicht. Mein Wechselgeld zum Beispiel, behält dieses bösartige Gerät, welchem ich jetzt einfach mal menschliche Züge attestiere, auch gerne mal für sich. Jedoch macht er diesbezüglich auch kein Halt vor den Professoren. Alle sind gleich. Schnell hat sich der Automat an einem bereichert und sein Trinkgeld mit ergaunerten Zwei Euro Münzen aufgebessert. Von wem dieses Geld kommt, ist ihm dabei völlig “Latte Macchiato”. Entschuldige dieses peinliche Wortspiel. Ich bin jedenfalls immer wieder erfreut, wenn ich nach dem Bezahlvorgang meine gewünschte Ware erhalte. Und das bitte in einwandfreiem Zustand! Manchmal habe ich das Gefühl der Kaffeeautomat sei ein betrügerischer Drogendealer, welcher genau weiß, dass er auf der sicheren Seite ist. Soll ich etwa die Polizei rufen, weil mir qualitativ schlechte, illegale Ware angedreht wurde? Bei wem soll ich mich denn wegen verlorenen Kleingeldes beschweren? Niemand ruft beim Dallmayr-Kaffee-Automaten-Service-Center an und echauffiert sich über das respektlose Verhalten ihres computergesteuerten Nahrungslieferanten.

Ich erinnere mich an eine Situation, da stellte mir der Automat gleich zwei Pappbecher zur Verfügung, aber den gewünschten Inhalt goss er im hohen Bogen über die Becher hinweg auf dem Boden und ließ mir lediglich etwas Milch als Inhalt übrig. Meine Chemnitzer Kommilitonen und ich haben sehr gelacht und rufen uns diese Geschichte regelmäßig wieder ins Gedächtnis.

War das eben eine Geschichte in Mittweida, die ich höchstpersönlich mit Freunden erlebt habe? Erinnerst du dich noch an die Stelle mit dem Blitz?

Der Fluch ist gebrochen!

Text und Grafik: Tommy Schreiber

<h3>Luisa Kolenda</h3>

Luisa Kolenda

ist 20 Jahre alt und studiert im 5. Semester Medienmanagement in Mittweida. Während ihres Studiums übernahm sie bei der 150 Jahrfeier der Hochschule die Assistenz der Projektleitung „Spiegelzelt“ und war verantwortlich für organisatorische Abläufe des Event- und Projektmanagements. Außerdem arbeitete sie neben dem Studium bei dem „Fis Skiweltcup 2018“ in Dresden im Pressebereich als Volunteer und absolvierte ein Praktikum im Bereich Redaktion in einer Fernsehproduktionsfirma in Berlin.