Mukoviszidose im Kindesalter

„Selbst Wasser ist gefährlich“

von | 30. August 2019

Carlotta leidet an der Erbkrankheit Mukoviszidose. Erfahrt hier mehr über den Alltag der Vierjährigen.

Nährstoffmangel, Verdauungsbeschwerden, Wachstumsstörungen, wiederkehrende Infekte der Atemwege und Entzündungen der Leber  – das sind nur einige von vielen Symptomen mit denen Mukoviszidose-Patienten zu kämpfen haben. Laut dem Lungeninformationsdienst sind Schätzungen zufolge 50.000 Menschen von der Erbkrankheit in Europa betroffen, etwa 8.000 davon allein in Deutschland. Doch auch bei den Angehörigen der Betroffenen hinterlässt die Krankheit ihre Spuren: Als Tochter Carlotta zur Welt kam, war die Diagnose Mukoviszidose für Familie Härtig zunächst ein großer Schock. Mittlerweile ist Carlotta vier Jahre alt und geht in den Kindergarten. Mutter Franziska Härtig erzählt, wie sie gemeinsam als Familie ihren Alltag meistern.

Auf dem gläsernen Couchtisch im Wohnzimmer hat Franziska Härtig Kaffee und Kekse bereitgestellt. Neben ihr läuft ein kleiner Hund unruhig hin und her. Als sie ihm einen kleinen Gummiball zuwirft, bellt er freudig auf, hebt das Spielzeug mit seinem Maul auf und lässt es gleich darauf wieder auf ihrem Schoss fallen. „Der Hund ist ein Bolonka Zwetna“, sagt die 29-Jährige und betont: „Es ist eine Rasse, die keine Haare verliert.“ Auch wenn diese Eigenschaft auf den ersten Blick unbedeutend scheint, war es für die dreiköpfige Familie Härtig, nach der Geburt ihrer Tochter, eines der wichtigsten Kriterien bei der Wahl eines Haustieres. Denn Carlotta wurde mit der Erbkrankheit Mukoviszidose diagnostiziert.

Mukoviszidose ist laut der Webseite des Vereins Mukoviszidose e.V. eine unheilbare Erbkrankheit, die dazu führt, dass Organe, wie die Lunge oder die Leber, im Laufe der Zeit verstopfen und zerstört werden. Außerdem ist sie eine der am häufigsten tödlich verlaufenden und angeborenen Stoffwechselkrankheiten bei hellhäutigen Menschen in Europa und den USA, schreibt die Apotheken Umschau. Um überleben zu können, müssen laut dem Verein Betroffene von klein auf Medikamente nehmen, mehrfach täglich inhalieren und regelmäßig Atemgymnastik machen. Oft gehören auch noch zahlreiche Klinikaufenthalte zum Alltag. Ursache der Krankheit ist der Defekt eines Gens, welches den Salzhaushalt von Zellen regelt, so das Universitätsklinikum Jena. Das vorhandene Salz dient dazu, das Wasser im Körper zu binden. Durch den Gendefekt ist jedoch zu wenig Salz im Körper vorhanden und es bildet sich zäher bis fester Schleim, der verschiedene Organe beeinträchtigen kann. In der Lunge führt er leicht zu Infektionen mit Viren, Bakterien oder Pilzen. Mukoviszidose e.V. erklärt weiter, dass die daraus entstehenden Lungenentzündungen für die Betroffenen lebensbedrohlich werden können.

Wenn jeder kleinste Keim gefährlich sein kann

Aus diesem Grund gibt es bei Familie Härtig Hygienevorschriften, die für andere Familien ungewöhnlich sind. „Damit die Lunge unserer Tochter möglichst frei von Keinem bleibt, gibt es bei uns zu Hause keine Lappen, weil sie Keimträger sind“, sagt Franziska Härtig. Ebenso hat die Familie nur eine einzige Pflanze in der Wohnung, deren Behälter mit dem Pflanzen-Granulat Seramis gefüllt ist, das viel Wasser aufnehmen und an entsprechend verteilen kann. „Wir könnten durch das Seramis auch noch mehr Pflanzen haben, aber dann ist die hohe Luftfeuchte wieder ein Problem“, fügt sie hinzu. Auch bei der Ausstattung mit Teppichen sind sie sehr zurückhaltend, da auch diese – wie zum Beispiel Haustierhaare – Träger von Staub, Milben und anderen Keimen sind. Härtig fügt noch hinzu: „Ebenso ist in Wasser, wenn es länger gestanden hat, ein Feuchtkeim enthalten, der für unsere Tochter gefährlich ist. Leitungswasser ist aus diesem Grund nur in Ordnung, wenn es frisch aus der Leitung kommt. Deswegen lassen wir früh am Morgen erst einmal alle Wasserhähne durchlaufen.“

Die Liste der Vorschriften scheint kein Ende zu nehmen. So darf die Toilettenspüllung nur mit geschlossenem Deckel getätigt werden, da sonst Keime nach oben steigen. Ebenso hat Carlotta immer und überall ihr eigenes Handtuch dabei. Dieses muss stets trocken sein und darf, zum Beispiel im Kindergarten, in keinem Fall von anderen Kindern mitbenutzt werden. „Als sie noch sehr klein war, haben wir lange den Sandkasten gemieden, weil es ja auch dort mitunter nass ist. In Pfützen springen war und ist bei uns nur bei dementsprechender Bekleidung erlaubt. Damals haben wir ebenso darauf geachtet, dass sie nicht jedem die Hand gibt, aber das ist natürlich relativ schwer, weil andere das als Anstand ansehen und weil im Kindergarten alle Kinder der Erzieherin früh am Morgen die Hand geben. Da wollten wir natürlich nicht, dass sich Carlotta benachteiligt fühlt. Ansonsten haben wir aber alle ein Stück vom Brauch des Händeschüttelns Abstand genommen, weil es ja doch eine Art der Keimübertragung ist.“ Durch die Krankheit muss die Vierjährige außerdem täglich Medikamente nehmen sowie regelmäßig mit einem Beatmungsgerät inhalieren. „Carlotta hat seit der Geburt eine Pankreasinsuffizienz, so dass sie Kreon-Kapseln benötigt. Das sind Enzyme für die Fettspaltung. Außerdem ist sie lungenbetroffen und inhaliert deshalb viermal täglich“, berichtet Franziska Härtig.

In den meisten Fällen sind die Symptome der Mukoviszidose recht unterschiedlich. Betroffen sind laut Apotheken Umschau in der frühen Kindheit vor allem die Bauchspeicheldrüse, Verdauung, Lunge, Leber, Gallenwege sowie die Keimdrüsen oder, wie bei Carlotta, vor allem die Atemwege und die Lunge. Da das Sekret der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) bei Mukoviszidose-Patienten zäher als normal ist, kann es nicht entsprechend ausgeschieden werden. So können bestimmte Nahrungsbestandteile, wie zum Beispiel Fette, nicht mehr richtig aufgenommen werden. Die Folge sind Nährstoffmangel sowie Durchfall. Ebenso kann der zähe Schleim nur schlecht abgehustet werden und bietet somit einen guten Nährboden für Keime. Unbehandelt kann es daher bereits im Säuglings- und Kindesalter zu Lungenentzündungen und wiederkehrenden Infekten der Atemwege wie chronische Bronchitis und Nasennebenhöhlenentzündungen kommen.

Franziska und ihr Ehemann Stephan Härtig mit Tochter Carlotta. Foto: Familie Härtig

Die Forschung lässt hoffen

Auch wenn die Mukoviszidose nicht heilbar ist, versuchen die Eltern von Carlotta durch eine frühzeitige Therapie den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. „Sie hat dreimal die Woche Physiotherapie in der Praxis und jeden Tag zu Hause, denn durch die Mukoviszidose hat sich ihr Brustkorb versteift. Damals ist er sogar soweit nach oben gerutscht, dass sie gar keinen Hals mehr hatte. Außerdem geht sie zur Atemtherapie, bei der es darum geht, aktiv den Schleim aus der Lunge zu holen sowie zur Vojta-Therapie, bei der bestimmte Punkte am Körper gedrückt werden. Das sorgt dafür, dass ihr Brustkorb wieder an die richtige Position rutscht und sie besser atmen kann“, erklärt Franziska Härtig.

Die 29-jährige Mutter bleibt trotz allem zuversichtlich, was den Lebensweg ihrer Tochter angeht: „Carlotta ist derzeit im Kindergarten ein Integrationskind, weil für sie ja doch immer ein Erzieher mehr gebraucht wird, der beim Inhalieren hilft und die Medikamente verabreicht. Unser Ziel ist es, dass Carlotta später, wenn sie in die Schule geht, alleine zurecht kommt.“ Außerdem setze viel Hoffnung in die Forschung. „Derzeit nehmen wir an einer Medikamentenstudie teil, bei der es um einen Wirkstoff geht, der 30 Prozent weniger Schleim im gesamten Körper verursachen soll. Wir hoffen sehr, dass dieses Medikament wirkt und wenn es das tut, zugelassen wird.“ Ebenso hofft Familie Härtig in naher Zukunft auf ein Medikament, das den Salzhaushalt im Körper normalisiert und regelt. Laut des derzeitigen Forschungsstandes kann Carlotta, wie Mukoviszidose e.V. schreibt, mit einer Lebenserwartung von rund 50 Jahren rechnen. „Natürlich können die Schäden, die bis dahin im Körper durch die Mukoviszidose entstanden sind, nicht mehr rückgängig gemacht werden. Aber die Medizin wird sich dahingehend weiterentwickeln und wir hoffen, dass es vielleicht am Ende gar nicht mehr zur Debatte stehen wird, ob ihr Leben kürzer sein wird als das von anderen.“

Text: Judith Budai, Titelbild und Foto: Familie Härtig (privat)

<h3>Judith Budai</h3>

Judith Budai

,geb. 1990, studiert Medienmanagement, in der Vertiefungsrichtung Media and Journalism, an der Hochschule Mittweida. Ebenso absolviert sie derzeit ein studienbegleitendes Volontariat an der Mitteldeutschen Journalistenschule. Zuvor war sie als freie Mitarbeiterin bei einer Zeitung in Heilbronn tätig und absolvierte davor verschiedene journalistische Praktika in Dresden.