E-Sport

„Die Community ist nicht toxic, sondern einfach nur dumm“

von | 21. Juni 2024

League of Legends dominiert derzeit den E-Sport-Markt. Doch was hat den ehemaligen Profispieler Patrick “Obsess” Engelmann dazu gebracht, seine Karriere zu beenden? In einem exklusiven Interview mit medienMittweida enthüllt er seine wahren Beweggründe.

Patrick “Obsess” Engelmann, ein 26-Jähriger ehemaliger Profi in League of Legends, spricht offen über seinen Weg vom Anfänger zum Top-Spieler, sowie über die Herausforderungen und Freuden des E-Sports. Er teilt seine Gedanken zur aktuellen Lage des deutschen E-Sports, seine Erfahrungen mit der League of Legends Community und seine persönlichen Highlights aus einer beeindruckenden Karriere.

Patrick Engelmann © Patrick Engelmann

Seit wann spielst du League of Legends”?

Das erste Spiel habe ich, glaube ich, 2010 gespielt, aber da war ich noch in meiner MMO-Zeit. Das heißt, meine ganzen MMO-Freunde sind zu League of Legends” gewechselt. Dann habe ich ein/zwei Games gespielt, das hat mir aber nicht so gefallen. 2012 habe ich dann wirklich angefangen zu spielen. Season 1 habe ich meinen Account hochgelevelt. Ab Season 2 habe ich aktiv ranked – Rang verbessern/verschlechtern* – gespielt. Also 2012, würde ich jetzt einfach mal sagen.

E-Sports & MMO

E-Sports: Ist eine Abkürzung für elektronischen Sport. Unter diesen können viele verschiedene Disziplinen und Spiele fallen. Der Unterschied zum klassischen Gaming ist der hohe kompetitive Aspekt dieser Wettkämpfe.

MMO: Massively Multiplayer Online Game, das bekannteste Beispiel dafür ist World of Warcraft.

Wie wurdest du auf professioneller Ebene entdeckt? 

In Solo Queue war ich relativ hoch ab Season 6, würde ich sagen. Ab Season 7 war ich dann Challenger – höchst möglicher Rang – auf dem europäischen Server und da dann direkt Top 10! Und ab dann kennt man dich halt, weil du immer mit denselben Leuten spielst. Ab Season 8, ja so ca. 2018, wurde ich aktiv entdeckt. Ich habe zwar 2017 schon gespielt, aber eher aus Spaß. Ab 2018 war ich dann bei “Misfits” als Auswechselspieler im “Summer Split” der damals noch EU-LCS – europäische Liga. Und wie? Einfach, weil ich hoch in der Ladder – Rangliste – war.

Solo Queue

Solo Queue ist ein Modus im Ranked,welchen man mit vier anderen Spielern zusammen gegen ein anderes fünfköpfiges Team antritt, um Punkte zu sammeln, welche den Aufstieg in eine höhere Liga ermöglichen.

Wie ist dein Gamertag Obsess entstanden?

Auch von MMOs, angelehnt an koreanische Profis, die sich durch das englische Dictionary durchwühlen und dann Wörter finden, die sie ganz cool finden. Gott, wie alt war ich da? Wahrscheinlich zwölf, oder so. Im MMO dachte ich mir so: „Ja, okay, hört sich ganz cool an“. Und ich hatte einen Freund, mit dem ich gespielt habe. Der hatte dann Obsess mit einem S“ und ich habe zwei S“. Er ist aber kein Pro geworden, deswegen habe ich mich durchgesetzt.

Wolltest du von Anfang an Profi werden, oder bist du da reingerutscht?

Eher hereingerutscht. Ich glaube, man sollte sich das Ziel nicht aktiv setzen. Ich musste auch erst mein Abi fertig machen, und selbst danach würde ich sagen: Es war nur Glück. Willentlich zu sagen, man ist Top-10-Spieler auf dem europäischen Server, kannst du nur, wenn du wirklich krank gut bist – das war ich nicht. Ich war gut, aber nicht annähernd gut genug, um mit so einem Selbstbewusstsein hereinzugehen und zu sagen, das schaffe ich jetzt zu 100 Prozent.

In welchem Team hast du dich am wohlsten gefühlt, und was war der schönste Moment deiner Karriere?

Ich würde sagen “mousesports” 2020 ist, glaube ich, sehr schwer zu schlagen. Aus vielen verschiedenen Gründen, sei es, weil man sich vorher schon kannte, oder gute Scrim Resultate – Trainingsspiele – hatte. Es gibt Teams, bei denen man sich nur für Scrims auf Discord trifft und danach gar nicht mehr. Wir haben aber immer in Gruppenchats geschrieben oder auch privat. Die Atmosphäre war einfach was ganz Besonderes. Es war so, als ob man mit fünf Freunden zusammen zocken würde. Wir sind auch heute noch richtig gut befreundet. Mein schönster Moment war definitiv die „EU-Masters“ – ein europäisches Turnier auf der zweithöchsten Stufe – im Jahr 2019 zu gewinnen, ziemlich sicher.

Was hat dich besonders gemacht? Und wie wurden Teams immer wieder auf dich aufmerksam?

Ich würde sagen, persönlichkeitsbedingt ist es nicht besonders schwer, mit mir zu arbeiten. Ich bin sehr kritikfähig und gebe auch gerne Kritik. Außerdem würde ich auch sagen, dass ich emotional intelligenter war als der Durchschnitts-E-Sportler. Also, dass ich gemerkt habe, wie  du mit Person X und so mit Person Y reden musst. Ich denke, ich habe im Spiel immer sehr viel gegeben, sodass ich immer meine Rolle im Team erfüllt habe. Und darum wurde ich immer wieder gescoutet: Ich war damals einfach wirklich, wirklich gut in Solo Queue.

Wie viel verdient man denn als E-Sportler?

Über das, was ich verdient habe, will ich jetzt nicht reden, aber ich gebe mal so eine Range. Die Tendenz in regionalen Ligen geht jetzt eher bergab. Ich würde sagen, in der deutschen Liga ist der Durchschnitt gerade so bei 2500 €, es gibt aber so ca. zwei bis drei, die 6000 Euro oder mehr verdienen. Als anderes Beispiel: In der französischen Liga gibt es teilweise Spieler, die 10.000 € oder mehr verdienen.

Wieso hast du aufgehört, Profispieler zu sein und wie war dein Übergang zum Vollzeit-Streaming?

In meinem letzten Jahr war ich bei „E WIE EINFACH“ und das Jahr davor bei „Eintracht Spandau“. Nach „Eintracht Spandau“ hatte ich nicht so viele Angebote, was ich persönlich ein wenig komisch fand. Ich habe es immer noch nach Challenger geschafft. „E WIE EINFACH“ war dann so ziemlich die einzige Option. Im Nachhinein weiß ich nicht, ob ich es hätte nehmen sollen. Aber ich wollte schon noch spielen. Nach einem Jahr habe ich dann gemerkt, es ist immer wieder das Gleiche: Immer wieder vier neue Charaktere, bei denen man vorher nicht weiß, wie die Work Ethic ist und ich hatte auch einfach die Schnauze voll vom Scrimmen jeden Tag. Dann habe ich gemerkt, dass ich da nicht mehr so viel Bock drauf habe.

Der Übergang war dann so, dass ich für „E WIE EINFACH“ die Spiele in der Deutschen Liga Co-streamen durfte – bekannte Persönlichkeiten der Szene dürfen den Hauptstream übertragen – und es langsam Richtung Weltmeisterschaften ging. Mein ehemaliger Teamkollege „Tolkin“ fragte mich, ob ich einspringen würde, da er zwei Tage nicht casten konnte. Natürlich habe ich “Ja” gesagt und das hat den Leuten dann gefallen, obwohl damals meine Beleuchtung so schlecht war, dass man sich die Augen auskratzen wollte. Streamen kann auch viel lukrativer sein, als Profi zu werden – vor allem wenn die Tendenz in den Ligen eher nach unten geht, was die Gehälter betrifft. Man hat auch einfach viel mehr Freiheit, seinen Tag zu planen, wie man möchte. Man merkt auch, wie viele Sachen man eigentlich verpasst. Hätte ich aber den Co-Stream nicht machen können, wäre ich definitiv kein Streamer geworden.

Was ist deine Meinung über den aktuellen deutschen E-Sport?

Ich würde sagen, wir haben richtig viel Glück, dass „Eintracht Spandau“ die „EU-Masters“ gewonnen hat. Ich glaube, dass „No Need Orga“ 3. Platz geworden ist und dass „Eintracht Spandau“ alles gewonnen hat, ist einfach richtig glücklich gelaufen und zum richtigen Zeitpunkt gekommen. Das bringt einen richtig frischen Wind und viel Investment, denn allein „HandOfBlood“ hatte während des Finals 80.000 Zuschauer. Das sind einfach crazy Zahlen. Das Niveau in der deutschen Liga ist nicht das höchste Niveau, das wir jemals hatten – aber es ist okay. Das Produkt ist an sich okay. Co-Streaming hilft riesig. Ich würde sagen, ich bin relativ zufrieden aktuell. Klar geht es immer besser, und ich hoffe, dass wir auch irgendwann wieder ein höheres Niveau haben werden.

Welche Probleme siehst du aktuell und welche in der Zukunft?

Probleme momentan sind definitiv die Gehälter. Wenn man z.B. als 25-Jähriger mit 2500 € brutto rausgeht und gottlose Wochenstunden hat, ist es schwierig, das lukrativ zu gestalten. Es ist auch relativ sicher, dass in den E-Sport Saudi-Gelder hineinfließen werden. Ansonsten sehe ich noch, dass gerade im deutschen E-Sport Namen recycelt werden – Spieler aus einer höheren Liga werden in die deutsche Liga übernommen – und dass League an sich nicht mehr das attraktivste Spiel ist. Es fangen einfach immer weniger Leute mit dem Spiel an.

Welche Probleme siehst du in der League-Community?

Ich könnte mich den ganzen Tag über Solo Queue aufregen. Ich denke, richtig viele spielen das Spiel nur noch, weil sie süchtig sind– nicht mehr, weil sie Spaß am Spiel haben. Die ragen – rasten aus – immer, ich weiß nicht, ob es Toxicity ist, aber die Leute lieben es einfach, zu diskutieren. Die Leute spielen nicht, um zu gewinnen, sondern nur, um zu spielen und zu diskutieren. Ich denke, es liegt einfach an fehlender emotionaler Intelligenz. Ich denke manchmal, die Community ist nicht toxic, sondern einfach nur dumm. Ich finde auch, dass falsch geahndet wird, da es ein automatisches System dahinter gibt und man für Trigger-Wörter eher bestraft wird, als wenn man aktiv Fehler im Spiel betreibt, welche das System nicht nachweisen kann. Ansonsten finde ich das Spiel geil und denke, dass „Riot Games“ einen richtig guten Job macht.

Wenn du dich neu entscheiden könntest, würdest du wieder Profi werden, direkt anfangen zu streamen oder etwas ganz anderes machen?

Ich würde definitiv wieder Profi werden. Man schafft sich einfach Momente, die man sein Leben lang nicht mehr vergisst. Ich hätte aber schon, während ich bei „Eintracht Spandau“ gespielt habe, mehr gestreamt. Ansonsten bin ich sehr glücklich, wie es gelaufen ist.

Text: Sebastian Kittel, Titelbild: Unsplash

* Redaktionelle Einschübe des Autors.

<h3>Sebastian Kittel</h3>

Sebastian Kittel

ist 22 Jahre alt und studiert derzeit im 4. Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Bei medienMittweida engagiert er sich als Chef vom Dienst seit dem Sommersemester 2024.